Tagebuchaufzeichnungen – Verwertungsverbot?

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Michael12
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Tagebuchaufzeichnungen – Verwertungsverbot?

Beitrag von Michael12 » 03.01.2014, 16:09

Sehr geehrte Damen und Herren,

dürfen Tagebuchaufzeichnungen in Österreich von der Polizei beschlagnahmt werden, wenn ja, darf der Inhalt vor Gericht verwendet werden, oder besteht ein Verwertungsverbot?

Falls Tagebuchaufzeichnungen vor Gericht als Beweis zulässig sein sollten, gehe ich dann recht in der Annahme, dass Tagebücher, sofern sie in einer verschlossenen Geldkassette, einem verschlossenen Tresor oder aber auch einem verschlossenen Aktenkoffer aufbewahrt werden, unter das Briefgeheimnis fallen (§ 118 StGB), sodass der Inhalt dann nicht mehr als Beweis in einem Strafverfahren verwendet werden darf?

So gesehen der Inhalt also nur dann als Beweis genutzt werden darf, wenn Tagebücher unverschlossen „herumliegen“?

Vielen Dank!

Gruß,
Michael



lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 03.01.2014, 19:11

Im deutschen Recht wird, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Einträge mit der geahndeten Straftat in Verbindung stehen oder Auskunft darüber geben können, eine Interessensabwägung vorgenommen, wonach das Interesse der Justiz hinsichtlich der Strafverfolgung das persönliche Schutzinteresse des Angeklagten überwiegen muss. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Beschuldigte einer schweren Straftat und keines Bagatelldelikts verdächtigt wird. In einer Entscheidung aus 2008 ging aus deutscher Judikatur hervor, dass ein Interesse des Staates auch dann überwiegt, wenn die Tat geringeren Ausmaßes ist.

Die österreichische Judikatur geht hier mit der deutschen Rechtsprechung nicht konform (11Os128/96). Sie subsumiert die Sachlage unter § 252 Abs 2 StPO, wonach sämtliche Urkunden und Schriftstücke, die für die Strafsache von Bedeutung sind vorgelesen werden müssen. Daher werden Tagebücher, die nicht bloß persönliche Einträge beinhalten und Auskunft über eine Straftat geben könnten, als Beweismittel nicht nur zugelassen, es wird leg cit zwingendermaßen ein Vortrag über den Inhalt derselben in der Hauptverhandlung gefordert.

Manannan
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Beitrag von Manannan » 05.01.2014, 13:02

@lexlegis

ad a)
Die Praxis sah bis dahin in Deutschland im Fall eines Autobahnmörders anders aus: Die Polizei dürfte bei ihren Ermittlungen nicht auf die von den Mautbrücken erfassten Informationen zurückgreifen, da diese unter das DSG vielen.

ad b)
zu 11 Os 128/96: Im Sinne des Fragestellers fehlt in Ihrem Zitat ein entscheidender Passus, nämlich "Tagebuchaufzeichnungen des Angeklagten müssen als Urkunden und Schriftstücke anderer Art, die für die Sache von Bedeutung sind, gemäß § 252 Abs 2 StPO vorgelesen werden, wenn nicht beide Teile darauf verzichten."

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 05.01.2014, 14:16

Eintrag "a" bezieht sich nur auf die Rechtslage hinsichtlich der Verwertung der Tagebuchaufzeichnungen bzw. Tagebüchern von Personen als Beweismittel und nicht auf die generelle Verwendung von personenbezogenen Daten im Sinne des DSG.
Da die Kernfrage des Fragestellers auf Tagebücher bezogen war, dachte ich es ist klar, was gemeint ist und vergaß erneut zu erwähnen, dass mit meinen oberen Ausführungen die Verwendung von Tagebüchern in Strafprozessen als Beweismittel gemeint war.

Der "entscheidende" Passus ist obsolet:

Sie müssen bitte schon berücksichtigen, dass die zitierte Entscheidung aus dem Jahr 1996 ist, somit galt zu dieser Zeit die StPO aus dem Jahre 1996. Die StPO 2014 spricht jedenfalls in § 252 Abs 2 nicht von der Möglichkeit, dass beide Teile darauf verzichten können.

Zum Vergleich: StPO 1996

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? ... Suchworte=

StPO 2014:

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? ... Suchworte=

Da keine Entscheidung aus der heutigen Zeit des OGH vorliegt, können wir nur auf Teile aus Älteren zurückgreifen. Der OGH behandelt Recht als relative und nicht absolute Materie, daher könnte er in einem aktuellen Urteil ganz anders entscheiden.

Manannan
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Beitrag von Manannan » 05.01.2014, 18:44

ad a) war auch nicht als Kritik sondern als Beispiel zur Auslegung des persönlichen Schutzinteresses in der früheren deutschen Justiz gedacht.

ad b) bezog sich rein auf den von Ihnen zit RS; diese Rsp wurde sogar höchstwahrscheinlich durch die letzte Novelle der StPO obsolet.

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