Straferkenntnis ohne Beweis möglich?

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martin501
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Registriert: 21.02.2011, 18:37

Straferkenntnis ohne Beweis möglich?

Beitrag von martin501 » 21.02.2011, 18:52

Hallo,

ich bin aus Deutschland und habe mal eine Frage zur Rechtslage in Österreich:

Angenommen, ein deutscher Fahrzeughalter bekommt Bescheid, dass sein Fahrzeug in Österreich ordnungswidrig abgestellt war. Da er selbst nicht der Lenker ist, zahlt der Halter nicht. Er wird nun aufgefordert, den Lenker zu benennen. Er bestreitet, zu wissen, wer das Fahrzeug gelenkt hat. Daraufhin ergeht ein Straferlkenntnis, in dem der Halter verurteilt wird, für den Parkverstoß selbst zu zahlen, mit der Begründung, selbst der Fahrer gewesen zu sein, was allein darauf gestützt wird, dass der Halter angibt, den Lenker nicht mehr benennen zu können.

Meine Frage: Muss der Halter freigesprochen werden, wenn er Berufung einlegt, mit der Begründung, definitiv nicht gefahren zu sein, den Fahrer aber dennoch nicht mehr benennen zu können? Immerhin gibt es ja keinerlei Beweise, die den Halter bezüglich des Verstoßes belasten können.

Welche Möglichkeit hat der Halter, wenn auch im Berufungserkenntnis unterstellt wird, der Halter sei selbst der Fahrer? Muss in dem Fall spätestens das Bundesverfassungsgericht bzw. das Bundesverwaltungsgericht den Halter nach eingelegter Beschwerde freisprechen, wenn er nicht per eindeutigem Beweis belastet werden kann, den Verstoß selbst begangen zu haben? Welche Chance hat der deutsche Halter, wenn auch das höchstinstanzliche Gericht in Österreich den Halter ohne Beweise zu Unrecht verurteilt?

Meines Wissens darf der Halter zwar wegen Verweigerung der Lenkerauskunft bestraft werden, aber ohne Beweise dürfte man ihn doch keinesfalls für den Parkverstoß selbst bestrafen, oder?

Danke für ein paar Infos zu dem Fall,

Gruß Martin



Hank
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Beitrag von Hank » 21.02.2011, 22:38

Der Halter des unbestrittenermaßen ordnungswidrig abgestellten Fahrzeuges hat den Rechtswidrigkeitszusammenhang zu beweisen, das bedeutet, du musst beweisen, dass du nicht wissen kannst wer das Fahrzeug gelenkt hat und du keinerlei Sorgfaltspflicht als Autoeigentümer verletzt hast.

Derartige eher unbedeutende Fälle haben kaum eine Chance vor die Höchstgerichte zu kommen, sowas wird mit Rekursen erledigt, d.h. die selbe Instanz der Verwaltungsbehörde entscheidet noch einmal aufgrund neuer Tatsachenbeweise.

lg Hank 8) 8) 8) 8)

martin501
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Beitrag von martin501 » 21.02.2011, 23:10

und was ist mit der unschuldsvermutung gemäß art. 6 abs. 2 ermk? dort heißt es doch, dass man so lange unschuldig ist, bis der verstoß nachgeiesen ist. durch die fehlende mitwirkung des angeklagten ist jedoch das begehen des verstoßes nicht erwiesen, sodass er als unschuldig gelten dürfte und allenfalls der verweigerung der mitwirkung an der lenkerermittlung für schuldig befunden dürfte, oder?

zudem haben wir doch hier den fall, dass es sich um einen deutschen halter hat, der nach deutschem recht keine verwandten belasten muss. wenn er sich darauf beruft, dürfte es meiner auffassung auch nicht als erwiesen gelten, dass er den verstoß selbst begangen hat.

wird das berufen auf das zeugnisverweigerungsrecht auch noch anerkannt, wenn der halter dies erst in der beschwerde verkündet, nachdem er vorher lediglich vorgab, den fahrer nicht benennen zu können? oder wird die vermeintliche unfähigkeit, den lenker zu benennen, von anfang an als zeugnisverweigerung gewertet?

Hank
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Beitrag von Hank » 21.02.2011, 23:23

Das was du sagst gilt im Strafprozess, da ermittelt der Staatsanwaltschaft und muss dem Angeklagten die Schuld beweisen, da darf man sich und andere nicht selbst belasten.

Dein Fall ist Verwaltungsrecht, da gelten ähnliche Beweislastregeln wie im Zivilprozess, wobei man es im Verwaltungsrecht mit dem Staat selber zu tun hat. In Österreich gibt es einen Volksanwalt, der einem hilft, eine ungerechtfertigte Strafverfügungen zu bekämpfen.

Wie gesagt: Du musst beweisen, dass du zum ordnungsgemäßen Nachkommen der Sorgfaltspflicht als Fahrzeughalter ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage warst.

Deutschland und Österreich haben im Bereich Straßenverkehr viele Übereinkommen, auch in puncto Strafe.

Hank 8) 8) 8)

Andreas Hofer4
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Registriert: 07.09.2007, 11:52

Beitrag von Andreas Hofer4 » 22.02.2011, 10:12

§ 103 Abs. 2 KFG sieht die Pflicht der Lenkerauskunft vor. Der letze Satz ist eine Verfassungsbestimmung: "(Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

Damit tritt das allgemeine Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen zurück. Dabei ist es nach dem Territorialitätsprinzip unerheblich, welcher Staatsbüger man ist - in Ö gelten die österr. Gesetze für jeden, der sich hier aufhält. - Allerdings sollte man solche "Verfassungsbestimmungen" im Sinne der Menschenrechte durchaus diskutieren und in Frage stellen).

Eine Verweigerung der Auskunftspflicht ist strafbar (§ 134 KFG). Da die Strafen für eine Verweigerung üblicherweise höher sind, als die Strafen bei (einfachen) Verstössen gegen die StVO bzw. das KFG, empfiehlt es sich meistens zu zahlen...

Überigens ist diese Bestimmung auch ein Grund, warum man in Ö von hinten "geblitzt" werden kann, während z.B. in Dtl. das von Vorne erfolgen muss, um den Fahrer einwandfrei identifizieren zu könnnen.

Inwieweit deutsche Behörden allerdings solche Straferkenntnisse (trotz Übereinkommen) im Lichte der deutschen Verfassung in Deutschland vollstrecken (dürfen/können), ist mir leider nicht bekannt. - Es dürfte diesbezüglich allerdings eine Diskussion geben, da man in Ö versucht Radargeräte zu installieren, die von Vorne "blitzen"...

Nochmals zum konkreten Fall: "in dubio pro reo" gilt auch im Verwaltungsstrafverfahren, d.h. wenn die Behörden den Lenker, der das Fahrzeug verkehrswidrig abgestellt hat nicht ausfindig machen kann, dann gibt's dafür auch keine Strafe. - Aber wie gesagt, die Verweigerung der Lenkererhebung ist wesentlich teurer... D.h. wiederum, wenn ich nicht selbst gefahren bin, sollte ich mir merken, wem ich das Fahrzeug überlassen habe ;-)

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