Nötigung oder Erpressung oder gar nichts?

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Ninu
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Nötigung oder Erpressung oder gar nichts?

Beitrag von Ninu » 10.03.2009, 11:37

A und B sind befreundet. A ist Unternehmer, B Angestellter, der sich für einen später geplanten Hausbau einiges erspart hat. A bittet B, ihm eine größere Summe zu borgen, da er ein vielversprechendes Geschäft plane, von der Bank aber nicht genug Kredit bekomme. B, der dem geschäftlich erfolgreichen Freund voll vertraut, stimmt zu und stellt dem A 100.000 Euro zur Verfügung.

Es wird eine schriftliche Vereinbarung getroffen und A verpflichtet sich, den Kredit samt 5% Zinsen möglichst schon nach einem Jahr, spätestens aber nach zwei Jahren in einem Betrag zurück zu zahlen. Das Geschäft von A erweist sich als Flop, das gesamte eingesetzte Kapital ist nach einem Jahr verloren, auch A hat selbst eine beträchtliche Summe eingebüßt.

A zahlt nach dem ersten Jahr nichts und auch nach dem zweiten Jahr nichts, verspricht aber dem B, er werde sein Geld schon bekommen, sobald es möglich sein würde. Am Ende des dritten Jahres wird B nervös, zumal er das Geld jetzt selbst brauchen würde. Er macht mehrfach Druck auf A, seine Zusagen einzulösen.

Dann macht A dem B folgendes Vergleichsangebot: „Ich kann dir die Hälfte des Betrages anbieten, zahlbar in fünf Jahresraten zu je 10.000 Euro, mehr kann ich nicht. Wenn du damit einverstanden bist, o.k., wenn nicht, dann bekommst du gar nichts. Es gehört alles meiner Frau, Haus und Auto, von mir kannst du nichts holen.“

Nun kann man das Verhalten von A als groben Vertrauensmissbrauch qualifizieren, als schamloses Gaunerstück, aber liegt hier nicht auch strafrechtlich Erpressung oder mindestens Nötigung vor? Denn letztlich erpresst A den Freund, in dem er ihn vor die Alternative stellt, einen Teil oder gar nichts zu bekommen. Der Freund könnte bei Zustimmung nie mehr den Rest einfordern, da ein Vergleich geschlossen wurde.

Wer kennt ein Gerichtsurteil bei einer ähnlichen Sachlage?



Candidatus Iuris
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Beitrag von Candidatus Iuris » 11.03.2009, 22:04

Hallo Nuna!

Wie immer möchte ich vorausschicken, dass ich nur Student bin und daher für keine meiner Angaben Richtigkeitsgewähr abgeben möchte. Hoffe, dass ich dir trotzdem ein wenig weiterhelfen kann. ;)

Nun zu deiner Frage:

In dieser Fragenkonstellation (aber nur in dieser) muss die Antwort wohl leider "gar nichts" lauten.

Und zwar aus folgendem Grund:

A stellt hier ein Vergleichsangebot. Wie jedes Angebot handelt es sich auch hier um eine bloße Einladung zum Vertragsschluss unter den erklärten Bedingungen. Der hier erklärte Zusatz "sonst bekommst du gar nichts" ist für ein Vergleichsangebot so unnötig wie auch selbstverständlich, denn in aller Regel findet ein Vergleich statt, um einen Streit zu verhindern bzw. zu bereinigen - findet der Vergleich nicht statt, nun dann wird eben weiter gestritten, und dann meistens mit der Zielsetzung "Alles oder nichts!". Das ist wie gesagt selbverständlich und ist weit davon entfernt strafdeliktisch relevant zu sein.

Wenn du es genau wissen möchtest, verlangt sowohl die Nötigung als auch die Erpressung Gewalt und/oder gefährliche Drohung. Beides liegt hier nicht vor, weil selbst die Drohung mit der Unterlassung der Schuldbegleichung nicht als gefährlich eingestuft werden kann, sofern es jedem mündigen Bürger klar sein sollte, dass rechtliche Schritte nach wie vor im Bereich des Möglichen liegen.

Und das ist auch der Grund, weshalb die Antwort "gar nichts" wohl auch nicht zutreffend ist.

(Kleine Anmerkung am Rande: bei dem Angebot des A dürfte es sich streng genommen gar nicht um einen Vergleich ieS handeln, weil dieser idR erst während des Prozesses oder knapp davor geschlossen wird. Richtiger wäre es daher von einem Novationsvertrag zu sprechen, worin der Gegenstand der Forderung geändert werden soll. Rechtsdogmatisch sind folgende §§ einschlägig: § 1413 ABGB: "Der Gläubiger kann nicht gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat", § 1376 ABGB Novationsvertrag durch Änderung der Forderung.)

Daher würde ich in jedem Fall davon abraten, dieses Angebot anzunehmen! Sofern B den von dir dargestellten Sachverhalt durch Zeugen, Urkunden oder andere Mittel beweisen kann, ist die Drohung des A "Sonst bekommst du gar nichts!" einfach nur lächerlich! Selbst wenn es tatsächlich so sein sollte, dass er gar kein anderes Vermögen mehr besitzt (was eher zu bezweifeln ist), würde ich klagen und schauen, was passiert. Geht es ihm wirklich so schlecht und kann er seine Verbindlichkeit nicht mehr erfüllen, wird er wohl Konkurs anmelden müssen. Es lohnt sich genauere Informationen über seinen Vermögensstand und nach Möglichkeit auch über das Bestehen weiterer Gläubiger einzuholen, da es im Falle der Insolvenz idR zur anteilsmäßigen Befriedigung der Gläubiger kommt und B unter Umständen dann noch schlechter wegkommt, als mit dem "Vergleichsangebot".

B sollte daher im Einzelnen folgende Schritte ergreifen:

1.) Ablehnung des Angebots unter Berufung auf § 1413 ABGB "Gegen seinen Willen kann der Gläubiger nicht gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat"

2.) Drohung mit Klage auf die Darlehenssumme in der vollen Höhe samt den vereinbarten Zinsen gem §§ 983 ff ABGB

3.) Klage

4.) Bei stattgebendem Urteil -> Exekutionstitel -> Exekution auf das Vermögen des A, bei Zahlungsunfähigkeit -> Konkursverfahren

Und da ist immer was zu holen. Der Besitz eines Schuldners beschränkt sich ja idR nicht auf Auto oder Haus, sondern es kann wirklich alles gepfändet werden: Gegenstände, Forderungen gegen Dritte, Lohnexekution, usw. usf. - Und ich bezweifle, dass seine Gattin dann dabei zusehen wird, wie ihm das letzte Hemd ausgezogen wird. 8)


Im Übrigen empfinde ich es als eine Frechheit, wenn Unternehmer sich mal so von Freunden Geld ausleihen, und es dann weder pünktlich noch in der vollen Höhe zurückzahlen möchten! Insofern stimme ich dir zu, dass man über die Einführung eines neuen Straftatbestandes uU nachdenken sollte! :evil:

LG
C.J.

Ninu
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Beitrag von Ninu » 12.03.2009, 12:28

Lieber Candidatus Iuris!

Herzlichen Dank für diese ausführliche und interessante Antwort. Ich habe befürchtet, dass es so sein wird, denn ich bin A.

Es ist traurig, aber was ich dabei gelernt habe ist, dass man leider niemandem, wirklich niemandem vertrauen darf und dass das alte Sprichwort, wonach sich beim Geld die Freundschaft aufhört, zutrifft.

Mich wundert ja, dass sich ein Mensch, der sich einem Freund gegenüber so verhält, noch in den Spiegel schauen kann.

Danke, Ninu.

:(

Candidatus Iuris
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Beitrag von Candidatus Iuris » 12.03.2009, 18:47

Du meinst doch hoffentlich, du bist B oder??? :shock:

Anderenfalls entschuldige ich mich für meine *räusper* sprachliche Entgleisung. :oops:

Ninu
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Beitrag von Ninu » 14.03.2009, 12:32

Leider, lieber Candidatus Iuris, bin ich B.

Es ist auch interessant, wie A seine Haltung argumentiert, denn damit hätte jeder Psychologe seine Freude.

Er sagt allen Ernstes:

"Erstens habe ich das Geld nicht und zweitens habe ich viel mehr verloren als du und warum soll nur ich verlieren?"

Rationalisierung eines unmoralischen Verhaltens wie aus dem Lehrbuch.

Ninu

tahonie
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Beitrag von tahonie » 14.03.2009, 21:22

hi ninu,

ich würde vor allem ganz genau nachforschen, seit wann die vermögenswerte (haus, auto usw.) in den besitz der frau übergegangen sind.

die ankündigung, bei ihm sei nichts zu holen, weil seine frau alles besitze, riecht doch sehr nach betrügerischer verschiebung von vermögenswerten.

unter umständen ist es möglich, eine rückabwicklung zu erzwingen und sich daraus schadlos zu halten.

tahonie

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