Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

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Tim86
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Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von Tim86 » 24.09.2025, 01:13

Verwahrenshilfeanwalt oder lieber eigenen suchen ?
Mir wurde Mal gesagt, dass nur Antwälte als Verfahrensanwälte eingesetzt werden, die "Dreck am Stecken haben" Diese bemühen sich null für den Mandanten und tun nur das Nötigste.
Bekomme ja auch weniger dafür.
Kann das jemand bestätigen ?

Danke 👍



alles2
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von alles2 » 24.09.2025, 09:27

Das muss jeder für sich selbst wissen. Sucht man eigenständig eine Kanzlei auf, wird man auch wieder gehen, falls der Eindruck gewonnen wird, dass der Anwalt in einem gewissen Fachgebiet nicht gerade durch Kompetenz glänzt. Bei einem Verfahrenshelfer gem. § 64 Abs.1 Z 3 ZPO bzw. Verfahrenshilfeverteidiger gem. § 61 Abs.2 StPO kann man sich den Anwalt nicht aussuchen. Sehr wohl kann bei der Antragstellung ein Wunschanwalt, der sich freiwillig zur Übernahme einer Verfahrenshilfe bereit erklärt hat, genannt werden, dem nicht entsprochen werden muss. Die Rechtsanwaltskammer stellt deren Mitglieder dem Verfahrensbeholfenen nach einem festen Turnus bzw. erfolgt die Beigebung eines Rechtsanwalts nach dem Rotationsprinzip in alphabetischer Reihenfolge, damit eine möglichst gleichmäßige Belastung der Anwälte gewährleistet ist. Dauernde oder vorübergehende Befreiung von der Bestellung als Verfahrenshilfe kann bei Hinderungsgründe wie Urlaub, Krankheit, Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen oder sonstige höchstpersönliche, nicht wirtschaftsrelevante Gründe (z.B. Behinderung) vorliegen. Mehr dazu und zu den Abweichungen findet man in der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer sowie deren Ausschuss und Plenarversammlung des eigenen Bundeslandes. Dieser "Armenanwalt" hat den Rechtsbeholfenen genau wie jedes andere bezahlte Mandat zu betreuen und mit der gleichen Sorgfalt wie ein frei gewählter Rechtsanwalt zu besorgen (§ 16 Abs.2 Rechtsanwaltsordnung RAO und § 50 RL-BA [Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes] iVm § 37 Abs.1 Z 1 RAO). Er hätte sich eigentlich auch mit der Sach- und Rechtslage intensivst auseinanderzusetzen und die für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse zu erhalten, erweitern und auf dem neuesten Stand zu halten (§ 54 Abs.1 RL-BA iVm § 10 Abs.6 RAO).

Im Gegensatz zu einem Wahlanwalt kann sich ein von der Rechtsanwaltskammer bestellter Anwalt seinen Mandanten nicht aussuchen. Er muss also die Krot schlucken, für die er zugeteilt wurde. Und gerade wenn es um eine Rechtsmaterie geht, die ihm nicht so liegt, könnte er entgegen seiner Treuepflicht gem. § 6 RL-BA nicht besonders engagiert sein oder versucht, den Mandanten von der Aussichtslosigkeit der Prozessführung zu überzeugen oder bei Gericht sein Erlöschen bzw. die Entziehung der Verfahrenshilfe wegen Mutwilligkeit zu beantragen (§ 68 Abs.1 bzw. 2 ZPO). Außerhalb eines Strafverfahrens, also wenn es einen Prozessgegner gibt, könnte ein Verfahrenshelfer sehr wohl bemüht sein, da er im Falle des Obsiegens einen Anspruch auf tarifmäßigen Kostenersatz durch den unterlegenen Gegner hätte. Bei Prozessverlust wird für die erbrachten Verfahrenshilfeleistungen nicht entlohnt (außer in Fällen der Nachzahlungspflicht iSd § 71 ZPO). Manche anwaltlichen Leistungen werden vom Bund pauschal abgegolten (Barauslagen für Porti, Kopier- und Reisekosten). Ansonsten bezahlt der Bund jährlich nur eine angemessene Pauschalvergütung (ca. 1/4 der verzeichneten Kosten nach Abzug des Sozialabschlags) an die Rechtsanwaltskammer des Mitglieds für deren Pensionssystem (§ 16 Abs.3 RAO; auch die Sonderpauschalvergütung gem. § 16 Abs.4 RAO). Ein Umstand, der gerade im Strafprozess die Anwälte nicht besonders motiviert.

Daher ist es nicht ganz so, wie Du es von irgendjemanden gelesen oder gehört haben möchtest. Manchen Verfahrenshilfeanwalt ist eben der solidarische Beitrag zum Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe nicht so viel wert.
Zuletzt geändert von alles2 am 26.09.2025, 08:26, insgesamt 1-mal geändert.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

RalphP
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von RalphP » 24.09.2025, 15:04

Es stimmt, dass es große Unterschiede gibt. Manche machen nur das Minimum, andere gehen aber sehr engagiert vor. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein eigener Anwalt, den man selbst auswählt, viel motivierter ist

alles2
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von alles2 » 24.09.2025, 18:23

Solange auch für ihn die Kohle passt...schließlich muss sich die Kanzlei über Wasser halten können ;-)
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

MG
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von MG » 25.09.2025, 18:18

Da hier alles2 in gewohnter Manier die Gelegenheit nicht auslässt, um ein bissl in Richtung Rechtsanwälte zu sticheln
Im Gegensatz zu einem Wahlanwalt kann sich ein von der Rechtsanwaltskammer bestellter Anwalt seinen Mandanten nicht aussuchen. Er muss also die Krot schlucken, für die er zugeteilt wurde. Und gerade wenn es um eine Rechtsmaterie geht, die ihm nicht so liegt, könnte er entgegen seiner Treuepflicht gem. § 6 RL-BA nicht besonders engagiert sein oder versucht, den Mandanten von der Aussichtslosigkeit der Prozessführung zu überzeugen oder bei Gericht sein Erlöschen bzw. die Entziehung der Verfahrenshilfe wegen Mutwilligkeit zu beantragen (§ 68 Abs.1 bzw. 2 ZPO).
mögen sich die geneigten Mitleser vor Augen halten, wie Sie es empfinden würden, wenn es die Verfahrenshilfe auch für Ärzte gäbe.

Sie wenden Sich an die Krankenkasse, sagen wir, weil man Ihnen einen Gallenstein entfernen muss. Die Krankenkasse mischt die Karten aller Kassenärzte, zieht eine für Sie und ein HNO-Arzt ist der glückliche Sieger.

Keine Angst, der HNO Arzt hat ja auch Medizin studiert, also weiß er, wo die Galle ist, und wenn er ein bissl nachliest und sich vielleicht ein paar Youtube-Videos anschaut, dann wird er das schon hinbekommen. Wenn nicht, dann wohl ausschließlich deshalb, weil er "sich nicht besonders engagiert" hat (wie alles2 das oben formuliert).

Nun mag die Juristerei zugegebener Maßen nicht so dramatisch sein, wie die Medizin, aber das Prinzip wäre vergleichbar. Keiner von uns Anwälten ist in der Lage, "flächendeckend" gut zu sein. Der Großteil spezialisiert sich im Laufe seines Berufslebens und wird - anders als bei der zwangsweisen Bestellung als Verfahrenshelfer - Causen aus Fachgebieten, in denen er nicht ständig tätig ist, gar nicht erst annehmen.

Wenn Sie daher Verfahrenshilfe in einer eher speziellen Materie benötigen und es die Zeit zulässt, dann empfehle ich, mit Anwälten, die in der Materie tätig sind, Kontakt aufzunehmen, ob sie die Causa als Verfahrenshelfer übernehmen würden.

So wie alles2 das richtig geschildert hat, erfolgen die Bestellungen nach dem Alphabet auf der Liste aller Anwälte der betreffenden Kammer. Übernimmt man als RA eine Verfahrenshilfe freiwillig, wird das auch auf der Liste vermerkt und berücksichtigt und man wird, wenn man dran wäre, für diesen Turnus übersprungen.

Es kann daher gut sein, dass Sie so einen "Fachanwalt" finden, der Ihnen als Verfahrenshelfer zur Verfügung steht.
RA Mag. Michael Gruner
www.vertragsbegleiter.at

alles2
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von alles2 » 26.09.2025, 00:26

Bin mir gerade nicht sicher, ob das Zitat falsch aufgefasst wurde. Ich kritisiere nicht das System, sondern manche schwarze Schafe unter den Anwälten, die lieber auf Verfahrenshilfe-Bestellungen verzichten würden. An den Protest vor 3 Jahren darf erinnert werden, als die "Erste Anwaltliche Auskunft" u.a. wegen der unzureichenden Pauschalvergütung für erbrachte Verfahrenshilfeleistungen ausgesetzt wurde:

https://www.oerak.at/aktuelles/aktuelles/news/anwaltstag-rechtsanwaltschaft-fordert-sofortige-tarifanpassung/

Hatte mich zu dem betreffenden Punkt keineswegs pauschal geäußert, sondern nur erwähnt, welche Situation unter welchen Umständen eintreten könnte. Ich stand sogar vor einer sinnbildlichen Situation:
Fragt die Strafrichterin eines Bezirksgerichts am Ende der Verhandlung in die Runde, ob wer noch was sagen möchte. Der Verfahrenshelfer äußerte ihr gegenüber den Wunsch, für die Vertretung ein höheres Entgelt bekommen zu wollen. Peinlicher und unpassender ging es wirklich nicht mehr.

Wir sind hier nunmal in einem Rechtsforum. Da kommt die Diskussion über Anwälte eher auf als bspw. über Automechaniker, über die ich mich in berechtigten Fällen ebenso auslassen würde. Wüsste jetzt nicht, bei welchem Berufsfeld ich nicht beide Seiten einer Medaille beleuchten würde. Überall hat man die schwarzen Schafe, die es mit ihrem Berufscredo nicht so genau nehmen. Und sieht man sich die restlichen Beiträge an, dann dürften auch andere eine nicht wohlgesonnene Meinung über eine Verfahrenshilfe vertreten. Dabei sollte dieser Eindruck entsprechend § 16 Abs.2 RAO erst gar nicht entstehen. Folglich haben gewisse Anwälte diese Nachrede selbst verschuldet. Da ich kein amerikanischer Talkshow-Moderator bin, sei es mir erlaubt, die Dinge beim Namen zu nennen. Dies dann als Stichelei abzutun, empfinde ich schon als überzogen. Gehe allerdings ohnehin von einem Missverständnis aus.

Kann durchaus nachvollziehen, dass in dem Punkt ein Anwalt unrund wird. Schließlich sehen sich Anwälte als "Kollegen" und nicht als Mitstreiter. Anwälte gehen auch nicht gerne gegen Kollegen vor, sobald ihm ein potentieller Klient ein schädigendes Verhalten vorwirft, das es schadensrechtlich zu ersetzen gilt. Urplötzlich soll man keine Kapazität mehr haben oder es wird ein "freundschaftliches Verhältnis" geltendgemacht (oder doch eher vorgeschoben?).

Mir ist schon klar, dass meine Worte eher nicht von einem Anwalt kommen können. Im Gegensatz zu denen bin ich nicht voreingenommen und kann es mir erlauben, einer Kanzlei die Vorsichtsmeldung (an seine Berufshaftpflichtversicherung) nahezulegen. Ich denke, diese Freiheit darf man mir daher schon lassen, da ich das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und
Rechtsanwaltsanwärter (DSt) nicht fürchten muss.

Wir sind uns bestimmt einig, dass es einen Unterschied macht, ob ein Laufklientel eine Kanzlei wegen dem passenden, ausgewiesenen Fachgebiet aufsucht. Oder wenn einem Straftäter ein Verfahrenshelfer mit dem Schwerpunkt Gesellschafts- und Unternehmensrecht zugeteilt wird. Wir brauchen auch nicht darüber diskutieren, warum es Anwälten oft lieber in den Bereich Unternehmensrecht und weniger zum Strafrecht zieht. Diese Tatsache möchte ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen, weil der Hintergrund mehr als verständlich ist und man es niemanden verdenken kann. Diesbezügliche Gespräche hatte ich bereits mit verschiedensten Anwälten geführt!
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

Hank
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von Hank » 26.09.2025, 03:26

Gemäß Art. 6 der im Verfassungsrang stehenden EMRK hat jedermann sowohl in zivilrechtlichen als auch in strafrechtlichen Angelegenheiten Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Pflichtverteidigers - jedoch nur wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist!

Abgesehen davon ist jedenfalls der österreichische Anwalt von seiner hergebrachten Rolle kein Unternehmer und lebt daher nicht nur von seinem Fachwissen, sondern auch sehr von seiner Persönlichkeit...

alles2
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Re: Verfahrenshilfeanwalt oder eigenen Anwalt suchen ?

Beitrag von alles2 » 26.09.2025, 08:35

Der Begriff Pflichtverteidiger ist unglücklich gewählt. Diese notwendige Verteidigung iSv § 61 Abs.1 StPO gibt es nur im Strafrecht. Du beziehst Dich hingegen auch auf jene Verfahrenshilfeverteidigung, die ich paragraphenmäßig zu Beginn meines ersten Beitrags erwähnt habe.
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