Widerruf einer unwiderruflichen Bürgschaft für eine Miete

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KnightMove
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Widerruf einer unwiderruflichen Bürgschaft für eine Miete

Beitrag von KnightMove » 11.06.2016, 14:17

Situation: Zwei Studentinnen (nennen wir sie Anna und Berta) wollen eine WG gründen. Laut Bedingung der Hausverwaltung kann nur eine Hauptmieterin sein. Ferner muss es hinreichend zahlungskräftige Bürgen geben, der einzige "Externe" verdient nicht genug. Anna setzt Berta unter Druck, als Bürgin für Anna als Hauptmieterin einzuspringen. Berta tut es auch und unterschreibt als "unwiderrufliche Bürgin" für das Mietverhältnis. Nach und nach wird immer klarer, dass Anna zum Großteil auf Kosten der gutmütigen Berta lebt. Berta leiht Anna Geld, legt Mieten aus etc. - Annas Dank ist, Berta immer weiter unter Druck zu setzen ("Wenn du nicht tust, was ich sage, lasse ich die Schlösser auswechseln" etc.), und sie macht Versprechungen auf Rückzahlungen, die sie nicht einhält. Als Berta nicht mehr mitspielen will, versucht Anna sie mit Hilfe ihres Lebensgefährten und allen Mitteln fertig zu machen (bis hin zu körperlichen Angriffen, Freiheitsberaubung etc.), und zwingt die entnervte Berta auszuziehen, aber trotzdem die Untermiete noch zwei weitere Monate laufen zu lassen ("Ich stehe ja sonst ganz allein mit der Wohnung da!"), nutzt die Wohnung mit ihrem Lebensgefährten, verlässt sich aber weiterhin auf die Bürgschaft durch Berta (es ließe sich noch mehr auflisten).

Frage: Kann Berta erfolgversprechend der Immobilienkanzlei einen Brief von einem Anwalt schreiben lassen, dass sie die unwiderrufliche Bürgschaft widerruft und dass sie es unter diesen Umständen als wider die guten Sitten betrachtet, wenn die Hauseigentümer künftige Schulden (!; es geht nicht etwa rückwirkend um schon eingegangene Forderungen) Annas bei Berta einfordern? Wäre es realistisch, dass die Immobilienkanzlei, über diese Situation informiert und sich nicht um neue Bürgen o. ä. kümmernd, gegen Berta vor Gericht unterläge und es daher gar nicht darauf ankommen lässt?

Ich bin persönlich in den Fall involviert, Berta steht mir nahe. Ein Richter hat mir den Hinweis gegeben, dass diese Widerruf-Strategie mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgversprechend und auch so ziemlich die einzig gangbare wäre. Der Anwalt, den ich engagiert habe, ist da aber skeptisch, und allein ihm das Anliegen auszudeutschen, ist mühsam. In einem ersten Entwurf eines Schreibens an die Hausverwaltung schreibt er statt dessen von Sittenwidrigkeit wegen "Nötigung" beim Unterzeichnen der Bürgschaft, was sich aber unmöglich aufrecht halten lässt. Hiermit stehe ich vor dem Zwiespalt, schleunigst entweder den Anwalt zu wechseln oder den Plan. Für jeden juristischen und sonstigen Tipp bin ich dankbar.



lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 13.06.2016, 00:07

Guten Tag!

Um eine zufriedenstellende Antwort geben zu können bräuchte man eine Einsicht in den Mietvertrag.

Ein Bürgschaftsvertrag unterliegt einem Formzwang. Er muss schriftlich erfolgen (§ 1346 Abs 2 ABGB). Es könnte argumentiert werden, dass die Kundmachung der Worte „unwiderruflicher Bürge“ im Vertrag allein, noch nicht die Reichweite und Folgen eines solchen Vertrages erkennbar werden lassen. Es ist davon auszugehen, dass B bei Vertragsabschluss nicht die Absicht (§ 914 ABGB) hatte eine Bürgschaft dieser Art (über das Untermietverhältnis hinaus andauernd) einzugehen. Zwar gilt bei der Auslegung leg cit auch die Auffassung des redlichen Verkehrs, ein gültiger Bürgschaftsvertrag der im Mietvertrag gewünschten Art wäre aber nur dann zu Stande gekommen, wenn im Vertrag gestanden hätte, auf welche Art und Weise dieser zu verstehen ist. Ohne eine Ausformulierung des Inhaltes, das wäre eine Schilderung welche konkreten Pflichten B aus dem Vertrag treffen, also bloß durch die Bezeichnung des Vertrages als „unwiderruflichen Bürgschaftsvertrag“, mangelt es klar an der erforderlichen Einwilligung (§§ 869, 1353 –ausdrückliche Erklärung- ABGB) der B in einen Vertrag dieser Art.

Es ist davon auszugehen, dass die sich aus dem Bürgschaftsvertrag der B auferlegten Pflichten eher an die Voraussetzung eines aufrechtes Untermietverhältnisses gebunden waren, sprich B sich bei Vertragsabschluss nicht dazu bereit erklären wollte für immer als Bürgin, auch wenn das Untermietverhältnis als beendet anzusehen ist, zu fungieren und sich daher nur für einen gewissen Zeitraum verpflichtet hat (§ 1363 Satz 2 ABGB). Diese Annahme ist insofern berechtigt, da der Abschluss des Bürgschaftsvertrags hauptsächlich im Interesse stand in der WG gemeinsam wohnen zu können.

Der Bürge ist zudem nicht als Hauptschuldner zu sehen. Der Vermieter muss sich also (ausgenommen von Ausnahmen) zuerst an den Hauptmieter wenden (§§ 1346 Abs 1 Satz 2, 1355, 1356 ABGB).

Gemäß § 1295 Abs 2 ABGB wären für bösartige Heranziehungen des Bürgschaftsvermögens auch Schadenersatzansprüche denkbar.

Ohne eine Einsicht in den Vertrag und einen genauen Sachverhalt ist eine hinreichende Analyse jedoch nicht möglich.

KnightMove
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Beitrag von KnightMove » 13.06.2016, 06:49

Danke soweit für dieses Feedback. Die aus meiner Sicht zu beantwortdenen, wesentlichsten Details:

1. Die Bürgschaft wurde tatsächlich als unwiderruflich und unbefristet unterschrieben. Es war ein unverändertes Standardformular. Darin steht nichts von einem beabsichtigten Untermietverhältnis u. dgl.

2. Auch im Mietvertrag steht nichts über eine beabsichtigte Untermiete.

Das macht es ja kompliziert...

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 13.06.2016, 12:24

Ohne Einsicht in den Vertrag, kann eine hinreichende Auskunft nicht erfolgen.

Sie können unter Schwärzung der persönlichen Daten den Vertrag hier einfügen. Alles andere wäre eine zeitintensive Spekulation und nicht zielführend.

KnightMove
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Beitrag von KnightMove » 13.06.2016, 18:56

Ok, hier ist zunächst einmal die Bürgschaft mit geschwärzten Namen:

Bild

KnightMove
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Beitrag von KnightMove » 13.06.2016, 19:22

Mietvertrag Seite 1 (Fortsetzung folgt):

Bild

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 14.06.2016, 03:33

Annahme:

Der unwiderrufliche Bürgschaftsvertrag im Beiblatt des Mietvertrags könnte unter Umständen als gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB gewertet werden.

Bei dem hier vorliegenden Dauerschuldverhältnis, also einem Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, hängt ein Ende der Verbindlichkeit (§ 1363 Satz 1 ABGB) ausschließlich vom Willen des Hauptschuldners ab; der Bürge kann darauf also keinen Einfluss nehmen.

Beim Eingehen einer Bürgschaft muss es meiner Meinung nach dem Bürgen zumindest möglich sein, durch eine Satisfaktion des Gläubigers, die Verbindlichkeit, für die er und andere haften, zu beenden. Ein Bürgschaftsvertrag bezüglich eines Dauerschuldverhältnisses, sieht eine selbständige Beendigungsmöglichkeit durch den Bürgen allein nicht vor, weshalb diesem bei einem Dauerschuldverhältnis eine zeitliche Möglichkeit einer Beendigung nach § 1363 Satz 2 ABGB einzuräumen wäre. Die Bestimmung könnte daher als gröblich benachteiligend anzusehen sein, da die Möglichkeit des Bürgen sich aus der Verbindlichkeit -durch eine endgültige Befriedigung am Gläubiger- freizukaufen, ausschließlich vom Willen und der Absicht des Hauptschuldners abhängt.

Fakten:

Laut Mietvertrag fungierte der Vermieter bei Vertragsabschluss als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 KSchG (irgendeine AG vertreten durch eine Maklerin). Ihre Freundin fungierte hingegen als Verbraucherin gemäß § 1 Abs 1 Z 2 KSchG.

Gemäß § 25c KSchG hat der Gläubiger (hier: Vermieter) bei einem Bürgschaftsvertrag durch den Verbraucher (hier: Ihre Freundin) auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners (hier: Hauptmieterin) hinzuweisen, wenn er (wie in diesem Fall anzunehmen) erkennen musste, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird.

Hält man hier Satz 2 des § 25c KSchG dagegen und argumentiert, dass Ihre Freundin die Bürgschaft auch bei einer Aufklärung nach § 25c Satz 1 KSchG übernommen hätte, also trotz des Wissens über eine geringe Liquidität der Hauptmieterin, sich für eine Bürgschaft bereit erklärte, kommt folgendes in Betracht:

Ihre Freundin kann es so weit kommen lassen, dass der Vermieter sie wegen der besprochenen Bürgschaft gerichtlich belangen muss, sprich droht die Hauptmieterin mit ihren Sachen, wäre es an der Zeit es darauf ankommen zu lassen.

Gemäß § 25d Abs 1 KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit der Bürgin (Interzedentin) aufheben oder mäßigen. Insbesondere § 25d Abs 2 Z 4 KSchG wäre hierbei zu berücksichtigen!!!

Der Bürge kann sich am Hauptschuldner, der bewusst auf die Kosten des Bürgen lebt auch schadlos halten (§ 1358 ABGB).

MfG
lexlegis

Hubert Neubauer
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Beitrag von Hubert Neubauer » 14.06.2016, 09:24

Die Bürgschaft scheint gültig zu sein, also widerruffen ist nicht möglich.

Man muss sich jedoch ansehen, warum die Bürgschaft eingegangen wurde. Eigentlich hätte der Bürge auch Mieter werden sollen, dies wollte der Vermieter jedoch nicht. Die Bürgschaft wurde daher nur unter der Prämisse unterschrieben, dass der Bürge auch die Wohnung bewohnt. Da Sie ja ausziehen (zumindest hab ich das Ihrem Post entnommen), kann man argumentieren, dass ab Auszug ihre Bürgschaft erlischt. Ansonsten müsste der Bürge auf ewig haften und der Mieter könnte (bei Liquidität des Bürgen) auf ewig in der Mietwohnung bleiben. Dies könnte unter Umständen gröblich benachteiligend für den Bürgen sein.

Wenn die Mieterin die Schlösser austauschen lässt, können Sie dagegen mit Besitzstörungsklage vorgehen.

Ich würde die Hausverwaltung und den Vermieter davon verständigen und um Entlassung aus der Bürgschaft ersuchen.

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