gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens?

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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von Experte » 16.06.2020, 16:41

Guten Tag,

ein Gerichtsgutachten ist ein Beweismittel, über dessen Berücksichtigung das Gericht frei entscheiden kann. Häufig ist ein Privatgutachten die beste Möglichkeit, gegen ein unzulängliches Gerichtsgutachten vorzugehen.

Ich bin selbst in diesem Bereich tätig, um welches Fachgebiet handelt es sich in Ihrem Fall?

Viele Grüße



MG
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von MG » 16.06.2020, 17:57

Da jeder Partei das Recht zukommt, die Ladung des SV zur Verhandlung zu beantragen und dann dem SV auch Fragen zu stellen, wäre dies wohl ein geeignetes Vorgehen, dessen Gutachten zu "zerpflücken". Da Sie aber leider keinerlei Angaben über die Art des Gutachtens und den - Ihrer Meinung nach - fehlerhaften Befund machen, kann man hier nur sehr allgemein bleiben.
RA Mag. Michael Gruner
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alles2
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von alles2 » 18.06.2020, 03:58

Ergänzend sei erwähnt, dass es keine zeitliche Vorgabe gibt, wie lange der Betroffene vom Sachverständigen interviewt wird. Ich kenne Gutachten, bei denen quasi kein Wort vom Beschuldigten kam und das Sachverständigengutachten sohin rein auf die Aktenlage beruhte. Dazu muss man aber sagen, dass es nicht jede Gutachter einfach so hinnehmen würde.

Hingegen gab es schon oft genug Fälle, bei denen sich herausstellte, dass der Gutachter nicht die notwendige fachliche Kompetenz zur Beantwortung der Fragen des Gerichtes hatte. Dann könnte Dein Anwalt theoretisch ein neues Gutachten bestellen. Meistens wird das abgelehnt, weil der Nachweis schwer zu erbringen ist. In dem Fall könnte man ein Privatgutachten von einem wirklichen Experten in dem Gebiet einholen. Ob es Eindruck beim Richter hinterlassen würde, ist freilich eine andere Frage. Denn Privatgutachten werden kaum gewürdigt. Während ein Richter nicht zwangsläufig einem Gerichtsgutachten folgen muss (nur selten zieht er es in Zweifel), kann ein Privatgutachten zwar in die Akte aufgenommen werden, doch die Vorlesung dessen ist in der geltenden Rechtssprechung (beispielsweise in der StPO) nicht vorgesehen. Warum man Dich hier dennoch zu einem Privatgutachten geraten hat, erschließt sich mir daher nicht so richtig. Für gewöhnlich wäre das Geld (gerne mal 1000 bis 2000 Euro) als Spende besser aufgehoben.

In Anbetracht dessen könnte es hilfreicher sein, wenn man eventuell zusätzliche Beweise oder Zeugen auftreiben könnte, die die Thesen des Gutachters widerlegen könnten!
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von Experte » 18.06.2020, 12:53

Um ein Gerichtsgutachten anzugreifen, braucht es fachliche Argumente. Sofern die Mängel des Gerichtsgutachtens nicht auch für Laien erkennbar sind (etwa bei einer katastrophal schiefgelaufenen Befundaufnahme), braucht es den Privatgutachter, um diese Mängel aufzuzeigen. Ob der Privatgutachter selbst ein Gutachten ausarbeitet oder lediglich zu Einzelfragen Stellung nimmt, ist eine Frage des konkreten Falles.

Wenn Sie einen Anwalt haben, der zu einem Gegengutachten geraten hat, dann ist zumindest auf den ersten Blick von einem seriösen Anwalt auszugehen. Anwälte, die hingegen meinen, es bräuchte keine Fachexperten, sondern sie könnten das Gerichtsgutachten selbst „angreifen“, sind hingegen mit Vorsicht zu betrachten. Das bestätigt meine Erfahrung aus vielen Verfahren.

All das hängt natürlich vom Einzelfall ab und ist nicht pauschal zu beurteilen. Auch das Fachgebiet spielt eine wesentliche Rolle (Befund und Gutachten in der Bauwirtschaft haben andere Besonderheiten als z.B. psychiatrische Gutachten).

Viele Grüße

alles2
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von alles2 » 19.06.2020, 04:19

So pauschal würde ich das mit den fachlichen Argumenten nicht formulieren. Denn diese braucht es nicht zwangsläufig, wenn der Anwalt plausibel vermitteln kann, dass die fachlichen Feststellungen des Gutachters auf falsche, womöglich missverständlichen Annahmen (aufgrund der Aktenlage) beruhen. Erst dann ist es für mich ein guter Anwalt. Wenn sich dieser nur auf den Antrag eines Gegengutachtens beruht, was gegenüber dem Richter so gut wie kaum durchgeht, ist das für mich ein Armutszeugnis. Es kann schon funktionieren, aber dann braucht man wirklich handfeste Argumente, wobei ich einen bereits erwähnt hatte. Ist man kompetent genug (das setzt natürlich die Verrückbarkeit der Sachlage voraus), hat man es nicht Not, auf den Strohhalm "Zweitgutachten" zurückgreifen zu müssen. Und das in der Hoffnung, dass der vielleicht eventuell womöglich eine irrelevante Ungereimtheit aus dem Hut zaubert.

Daher bin ich ganz bei der Vorgehensweise, die "MG" formuliert hat. Der Richter folgt tendenziell einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen. Ein Privatgutachten geht ihm zumeist am Arsch vorbei. Nicht nur, weil es zumindest im Strafverfahren nicht vorgesehen ist (§ 126 - 127 StPO), sondern auch der Richterschaft hinlänglich bekannt ist, dass derjenige, der für ein Gutachten bezahlt, das bekommt, was er möchte. Nachdem nichts näheres bekannt ist, gehe ich einfach mal von einer Strafsache aus. In Zivilsachen könnte man sich § 351 - 364 ZPO zu Gemüte führen.

Ich könnte auf genug Strafverfahren hinweisen, bei den sich ein Anwalt mit einem "Privatgutachten" zu helfen wissen wollte und kläglich gescheitert sind. Diese Mühe wäre es mir wert, wenn man mir vorher Fälle aufzeigt, bei denen der umgekehrte Fall von Erfolg gekrönt war. Mir liegen sogar Unterlagen vor, bei denen Erstgerichte und Berufungsgerichte ausgeführt haben, wieso ihrer rechtlichen Meinung nach sie keinen Pfifferling auf ein Privatgutachten geben. Zwar hatte ich den Grund bereits mit meinen eigenen Worten wiedergegeben. Doch gerne reiche ich Zitate nach, "wenn's is".

Ob es von Fachgebiet zu Fachgebiet Unterschiede geben könnte, schließe ich nicht aus. Ich habe eben die Erkenntnis gewonnen, dass Richter - knapp formuliert - Wert auf einen "beeideten" Gutachter legen, statt auf einen aus dem Ärmel geschütteltes Gutachten.
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von Experte » 19.06.2020, 09:47

Es ist schon richtig, dass es Privatgutachten sehr schwer vor Gericht haben (obwohl auch diese von einem beeid. SV erstattet werden können). Für einen Rechtsvertreter ist es ohne Beiziehung eines Privatgutachters in vielen Fällen dennoch schwierig, ein Gerichtsgutachten anzugreifen. Wie soll der Anwalt die einwandfreie Ausführung der Wasserableitung, die Einhaltung von Emissionswerten, die sachgerechte medizinische Befundaufnahme, die Wahl der fachlich richtigen Laboranlayse oder die Richtigkeit der Methodik bei der Bewertung eines Unternehmens beurteilen können. Der Privatgutachter kann dem Rechtsvertreter die fachlichen Grundlagen liefern, wenn es um komplexe Sachverhalte und die Mängel eines Gerichtsgutachtens geht.

alles2
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von alles2 » 20.06.2020, 11:29

Ein Privatgutachten eines beeideten Sachverständigen mag gegenüber dem Richter eine gewisse Wirkung erzielen, aber nicht unbedingt mehr. Denn an der Tatsache, dass es sich eben um ein Privatgutachten handelt, ändert es gesetzlich nichts. Auch aus prozessökonomischen Gründen belässt man es grundsätzlich bei einer gutachterlichen Ausführung. Das nur allgemein als Randnotiz, wobei man es Dir nicht erläutern muss ;-)

Über die Allmacht der Gerichtsgutachter und die eingeschränkte Einflussnahme sind sich auch die Anwälte bewusst und würden an der Situation nur allzu gerne was ändern, was auch des Öfteren medial bekundet wird. Das ist schon seit eh und je so. Nur ändern können sie nichts daran. Trotzdem probieren sie es immer wieder zumeist auf Kosten des Mandanten durch die Beiziehung von irgendwelchen Privatgutachten.

Ein beschlagener Anwalt weiß, wie der Hase läuft. Und für die von Dir aufgezählten Fälle muss man ja auch nicht auf einen Scheidungsanwalt zurückgreifen. Aber hast schon recht, wenn es Bedenken gegenüber ein Gerichtsgutachten gibt und es der anwaltlichen Kompetenz übersteigt, kann er für sich ein weiteres Gutachten bemühen. Nur das ist in diesem Thread nicht das Thema, da der Fragesteller vom Gericht ein weiteres Gutachten haben möchte. Und das müsste eben äußerst gut begründet werden (u.a. Inkompetenz oder Befangenheit). Darüber hinaus wäre es mir neu, dass dies möglich wäre. Was ich weiß ist, dass man ein Obergutachten einholen lassen kann, sollte es bereits zwei divergierende Gutachten (Privatgutachten ausgeschlossen) geben.
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Hank
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Re: gerichtlicher Sachverständiger begutachtet nicht das wovon er vom Gericht beauftragt wurde,Anfechtung des Gutachtens

Beitrag von Hank » 21.06.2020, 21:20

...die Gebühren der Sachverständigen sind aber auf alle Fälle Prozesskosten, die den Parteien dann am Ende im Rahmen der Kostenersatzpflicht bzw. sogar als Vorschusszahlung auferlegt werden und den Prozess ganz sicher gewaltig verteuern...

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