Auto vs "Öffentlicher Ort"

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JustOneMoreQuestion
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Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von JustOneMoreQuestion » 17.10.2017, 14:03

Hallo,

aus reinem Interesse und ohne Anlassfall: Zählt das innere eines PKW als öffentlicher Raum?

Definition des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes:

"§2.
(1) Wer an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden seine Gesichtszüge durch Kleidung
oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind

(...)

Öffentliche Orte oder öffentliche Gebäude sind Orte, die von einem nicht von
vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden können,
einschließlich der nicht ortsfesten Einrichtungen des öffentlichen und privaten Bus-, Schienen-, Flug- und Schiffsverkehrs."

Meiner Meinung nach ist das Wageninnere privat, da ja nur ein beschränkter Personenkreis "Zugriff" hat.

Ist dann die Schlussfolgerung richtig, dass verschleierte Personen sich in einem Wagen fortbewegen dürfen (zumindest als Mitfahrer, um die Diskussion bzgl. Sichtfeld bei Verschleierung außen vor zu lassen)?



lexlegis
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von lexlegis » 17.10.2017, 16:42

Durch die Teilnahme am öffentlichen Verkehr befindet man sich -auch wenn man im Fahrzeug sitzt- mit dem Fahrzeug an einem für jedermann zugänglichen (öffentlichen) Ort. Folgt man dieser Ansicht, könnte man eine Anwendbarkeit des § 2 Abs 1 AGesVG -solange sich das Fahrzeug nicht auf einem Privatweg befindet, der als solcher gekennzeichnet ist- bei extensiver Interpretation bejahen. Folgt man hingegen der Ansicht, dass ein völlig abgeschotteter, auf einen gewissen Personenkreis beschränkter Raum (hier: das Fahrzeuginnere), nicht als öffentlicher Raum iSd AGesVG anzusehen ist (restriktive Interpretation), dann liegt in diesem Fall kein Verstoß gegen das Verschleierungsverbot vor.

Hierbei sollte man sich nun die Frage stellen, ob ein abgeschotteter Raum, der sich als eigenes Objekt (Fahrzeug) in der Öffentlichkeit (öffentlicher Straßenverkehr) befindet, nur aufgrund seiner teilweisen Isolation zur Außenwelt (geschlossene Fenster), als privater Raum anzusehen ist. Wie sähe es dann mit einem Cabriolet aus? Wie sähe es aus, wenn die Fensterscheibe runter gekurbelt und der vermummte Kopf an einer Ampel aus dem Fenster gehalten wird? Ab wann "bin" ich dann in der Öffentlichkeit?

Meines Erachtens befindet man sich trotz der Tatsache, dass man im Fahrzeug sitzt, an einem öffentlichen Ort, solange man mit dem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt.

Das_Pseudonym
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von Das_Pseudonym » 18.10.2017, 13:11

Es steht weiter unten:
(2) Ein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot gemäß Abs.1 liegt nicht vor, wenn die Verhüllung oder Verbergung der Gesichtszüge durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist, im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung erfolgt oder gesundheitliche oder berufliche Gründe hat.
Das heist wenn du von Berufswegen in deinen Auto Verhüllt sein musst würde es theoretisch auch nicht greifen. Genauso wenn du in deinen Auto einer Sportlichen Tätigkeit nach gehst.

Gegengleis
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von Gegengleis » 18.10.2017, 16:23

(2) Ein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot gemäß Abs. 1 liegt nicht vor, wenn die Verhüllung oder Verbergung der Gesichtszüge durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist, im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung erfolgt oder gesundheitliche oder berufliche Gründe hat.
Auf welcher Grundlage wurde denn dann der MacShark gestraft/verwarnt, der auf der Mahü beruflich als Hai herumtanzte?

lexlegis
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von lexlegis » 18.10.2017, 16:38

Auf der "Ich als Polizeibeamter muss meine Macht ausspielen und kenn mich mit dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 2 AGesVG nicht aus oder er ist mir egal" Grundlage.

Vergessen wird zudem der Telos der Norm (§ 1 AGesVG). Wenn ich mich mit einem Schal verhülle, um mich vor dem kalten Fahrtwind am Morgen auf dem Fahrrad zu schützen und nicht mit der Intention mich jetzt gesellschaftlich abzuschotten, dann sollte hier etwas mehr Fingerspitzengefühl gezeigt werden. Aber dem ist nicht so, die Beamten exekutieren das Gesetz stumpf ohne über dessen Telos nachzudenken. Kann ihnen keiner verdenken, denn sie sind dazu verpflichtet und Fahrlässigkeit genügt bei einem Verstoß gegen das Verschleierungsverbot (§ 5 Abs 1 VStG).

Das_Pseudonym
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von Das_Pseudonym » 18.10.2017, 16:58

um mich vor dem kalten Fahrtwind am Morgen auf dem Fahrrad zu schützen
Dann begehst du ja eine Sportliche Aktivität die ja davon ausgenommen ist. :D
Also wenn eine Voll verschleierte Person zu der Gebetsstätte Joggt würde sie theoretisch nicht darunter fallen da sportliche Tätigkeit.

lexlegis
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von lexlegis » 18.10.2017, 17:01

Ich verstehe das eher so, dass es für die sportliche Aktivität üblich sein muss, dass eine Verschleierung notwendig ist (im Rahmen der Sportausübung). Sprich, Skifahren (Helm, Sturmhaube,...).

Ansonsten könnte man das Gesetz gleich vergessen (Joggerbeispiel).

Das_Pseudonym
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von Das_Pseudonym » 18.10.2017, 17:06

Theoretisch könnte man ja auch jede regelmäßiges Treffen einer Glaubensgemeinschaft als "traditioneller Veranstaltungen" definieren da diese Tradition schon seit x Jahrhunderten praktiziert wird. :roll:
Alles nur eine sache der daran beteiligten Juristen.


lexlegis
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von lexlegis » 18.10.2017, 17:11

Das Gesetz hätte nie kommen dürfen. Es ist furchtbar, dass man die Menschen zur Teilhabe an der Gesellschaft mit Sanktionen zwingen muss. Was ist mit dem Recht an der Gesellschaft nicht teilzuhaben, wenn ich das nicht möchte? Zweck war es die armen Frauen aus einer patriarchalischen Religion oder Kultur in die Gesellschaft zu integrieren. Das ist ja wohl mächtig schief gegangen. Getroffen hat es die 12 Burkaträgerinnen in Österreich und einen Hai.

Das_Pseudonym
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von Das_Pseudonym » 18.10.2017, 17:48

Ich finde es einfach problematisch das es soweit kommen musste das Leute hier in Österreich leben die meinen ihre eigene Ausländische Identität allen aufzwingen zu müssen. Wenn ich mir anschaue wie Leute aus der Tschechischen Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Schweiz, Italien unter uns leben wo man sehr selten etwas mit bekommt (ausser die Leute tun in den Öffis Fernplerren :roll: ) und gerade Leute aus diesen Fernen Länder nun meinen sich hier nicht anpassen zu müssen.
Wenn uns aufgedrängt wird Schweinefleisch aus den Leben zu verbannen "nur" weil es ihr Gesetzesbuch das so vorschreibt halte ich das für falsch. Wenn uns auf erzwungen wird ein Stück Holz aus den Klassenraum zu verbannen nur weil es ihren Wertevorschriften wieder spricht stösst es mir sauer auf.
Das Gesetzt mutet eher an das Herr D. aus der Politik alle Kamera Daten in echtzeit verarbeiten will und die Gesichter Scannen um so ein Bewegungsprofil von jeder man zu erstellen.
Wenn viele Leute wüssten was Technisch heutzutage schon möglich ist! Wie von vielen Leuten angenommen wird bedarf es keinen Implantierten Chip um die Leute orten zu können das klappt mit der aktuell verfügbarer Technik schon perfekt.
Deswegen heisst es ja auch:
seine Gesichtszüge ... verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind
Das heist wenn ich mich so schminken würde (Tarnfarbe) das zb. eine Kamera diese nicht identifizieren könnte Ich mich theoretisch auch Strafbar machen.
Wie war das mit den Frosch und den heissen Wasser? Noch sitzen die Frösche im Topf und merken nicht das das Gas immer mehr aufgedreht wird.

JustOneMoreQuestion
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von JustOneMoreQuestion » 19.10.2017, 20:46

@lexlegis: Deinen Ausführungen folgend, sollten getönte Scheiben dann verboten werden? Oder wie soll man das Gesetz exekutieren?

Was ist mit Mobilheimen/Anhängern?

Dürfen verschleierte ihren Kopf aus dem Wohnungsfenster stecken?
Gibt es bei dieser Frage einen Unterschied, ob sie abgeschieden leben oder bspw. neben/an einer belebten Einkaufsstraße?
Öffentlich Wahrnehmbar wäre es bzw. eine Teilnahme an der Öffentlichkeit.
Dennoch im eigenen, privaten Bereich und daher meiner Meinung nach nicht zu ahnden.

Was meinst du/ihr?

JustOneMoreQuestion
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von JustOneMoreQuestion » 19.10.2017, 20:49

Noch eine persönliche Randnotiz: Strenggläubigen Menschen die Teilnahme an der Gesellschaft verbieten wird ihre Religion nicht beeinflussen. Verschleierte Muslima wird es weiterhin geben, nur bleiben die dann eben zu Hause. In diesem Sinne eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation.

Sehe das wie Nekkaz (der Millionär, der die Strafen übernimmt): "Wenn man die Religionsfreiheit akzeptiert, muss man auch die Sichtbarkeit der Religionen akzeptieren".

Das_Pseudonym
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von Das_Pseudonym » 19.10.2017, 22:03

Deinen Ausführungen folgend, sollten getönte Scheiben dann verboten werden?
Sind sie doch jetzt schon für die Front und Seiten Scheiben des Fahrers?
Dürfen verschleierte ihren Kopf aus dem Wohnungsfenster stecken?
Die frage ist halt immer wo? Auf einen Privatgründstück darfst du ja verschleiert sein.
"Wenn man die Religionsfreiheit akzeptiert, muss man auch die Sichtbarkeit der Religionen akzeptieren".
Nicht jeder möchte das aber so akzeptieren. :wink:
Tolerieren und Akzeptieren sind 2 paar Schuhe wie man so schön sagt.
Man sollte eher die frage stellen ob es sich dabei um eine Religion handelt oder um ein Parteibuch auch wenn es noch so alt ist.
Die darin vorkommenden Regeln und Gesetze (!) sind konträr zu unseren. Die frage die man sich sich daher stellen sollte ob man die Gesetze die einen starken Widerspruch zu unseren stehen nicht eher verboten werden sollen als sie zu fördern.

JustOneMoreQuestion
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Re: Auto vs "Öffentlicher Ort"

Beitrag von JustOneMoreQuestion » 20.10.2017, 19:08

Es gibt nunmal unterschiedliche Religionen mit unterschiedlichen Regeln. Die mögen dem jeweils anderen absurd vorkommen (Die Bibel ist übrigens voll mit absurden Regeln, nur nehmen viele Christen ihre Religion nicht besonders ernst), das darf aber kein Kriterium sein, denn Religionsfreiheit bedeutet nunmal, anderen zu erlauben, ihren Glauben so zu leben, wie sie es für richtig halten.
So lange dabei niemanden geschadet wird, sollte das Konsens sein.

Das hat nun aber alles wenig mit meinen Fragen zu tun, auf die du auch nicht besonders eingangen bist.

Ich bin gespannt, ob und wie lange dieses Gesetz bestehen bleibt.

Bisher urteilen die Gerichte ja pro-Verbot (Menschenrechtsgericht 2011 z.B.), was mich etwas erstaunt.

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