§22 STVO Warnung anderer vor Radar durch Blinkzeichen

Forum betreffend Strafmandate im Straßenverkehr, die Beurteilung von Verkehrsunfällen, die Höhe von Schmerzensgeld, usw.
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Biker
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§22 STVO Warnung anderer vor Radar durch Blinkzeichen

Beitrag von Biker » 10.03.2015, 09:19

Guten Tag!

Ich habe von der LPD Wien wegen des im Titel erwähnten Delikts eine Strafverfügung über 70.- erhalten ("Blinkzeichen, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hat"). Meiner Ansicht nach ist die Rechtslage dazu klar: Im Jahr 2006 haben VGH und VWGH in einem Urteil festgestellt, dass § 22 keine Norm enthält, wonach die Abgabe von Blinkzeichen (egal aus welchem Grund) strafbar wäre, sofern damit keine Beeinträchtigung (Blendung) anderer verbunden ist. Es ist also seit damals erlaubt, den Gegenverkehr durch Blinkzeichen auf Radarmessungen aufmerksam zu machen.
Was mich aber dann , wenn dem so ist, noch mehr interessiert, ist die Tatsache, dass Juristen der Wiener Polizei dieses Urteil scheinbar entweder nicht kennen oder ignorieren in der Annahme, schuldbewusste Lenker würden vielleicht einfach zahlen, und munter drauflos Strafbescheide ausstellt. Ist es in Österreich tatsächlich so, dass man rechtskundig sein muss, um der Polizei und ihren Revanchegelüsten (für entgangene Verkehrsstrafen) nicht ausgeliefert zu sein?
Die Meinung von Experten dazu würde mich echt interessieren; vielen Dank im Voraus.



Manannan
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Beitrag von Manannan » 11.03.2015, 21:06

§ 22 Abs 1 "...wenn es die Verkehrssicherheit erfordert.."

War es für die Verkehrssicherheit erforderlich, dass Sie bei Radarkontrollen Blinkzeichen abgeben?

Besser Sie zahlen die € 70,00.

Biker
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Beitrag von Biker » 12.03.2015, 09:18

Nein, es war für die Verkehrssicherheit nicht erforderlich. Das muss es aber auch nicht sein seit dem erwähnten Urteil aus 2006. Seit damals darf man in Österreich vor Radarfallen warnen, ohne dafür nach § 22 bestraft zu werden, sofern dadurch niemand geblendet wird und zwar explizit auch dann, wenn es die Verkehrssicherheit nicht erfordert.
Das muss man natürlich nicht wissen, ich wusste es vorher auch nicht. Ich bin allerdings der Meinung, dass ein "strafender" Polizeijurist über gängige Rechtsprechung schon informiert sein sollte und meine Frage bezog sich eher darauf, ob jemand ähnliche Erfahrungen mit so offensichtlich falschen Strafverfügungen der Wiener Polizei hat.
Danke trotzdem für Ihre prompte Antwort.

schanzenpeter
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Berufung gegen Strafe wegen Lichthupe

Beitrag von schanzenpeter » 12.03.2015, 13:34

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Das Abgeben von optischen Warnzeichen mit der Lichthupe, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hat, wird nicht in § 100 KFG verboten.

§ 22 Abs 1 2. Satz StVO normiert daß der Lenker auch durch Blinkzeichen warnen darf, wenn sie ausreichen und nicht blenden. Nach § 100 KFG ist (nur) strafbar, wer andere optische Warnzeichen als kurze Blinkzeichen, wer optische Warnzeichen mit anderen als den im § 22 Abs 2 KFG angeführten Vorrichtungen und wer (kurze) Blinkzeichen durch längere Zeit abgibt.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 11.10.1975, B 227/75, ausgesprochen, daß ein "Verbot für die Abgabe von Blinkzeichen weder in der Bestimmung des § 22 StVO noch in einer anderen Bestimmung des Gesetzes enthalten ist. Sollte damit allerdings eine Blendung von Straßenbenützern verbunden sein, so wäre damit eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 3 lit g StVO gegeben und nach dieser Bestimmung eine Strafe zu verhängen, soferne nicht ein Verstoß gegen kraftfahrrechtliche Bestimmungen vorliegt". Sohin dürfen Blinkzeichen nicht nur als Warnzeichen, sondern auch aus anderen Gründen abgegeben werden (BMV 23.12.1976, 65.850/10-IV/3-76 und ADE, Nachtrag 1978).

Da dem Berufungswerber weder angelastet wurde, optische Blinkzeichen durch längere Zeit abgegeben zu haben (§ 100 KFG) noch durch die Lichthupe geblendet zu haben (§ 22 Abs 1 2. Satz StVO) war spruchgemäß zu entscheiden.

Manannan
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Beitrag von Manannan » 12.03.2015, 16:29

Zur zit Entscheidung des VfGH hier die jüngere Judikatur des VwGH (81/02/0244, 29.01.1982):

"Zweck der Blinkzeichen ist die Warnung, wobei es von der Situation im einzelnen Fall abhängt, wie lange sie abgegeben werden dürfen. Es bedarf somit des Vorliegens eines Anlasses, der eine Warnung iS der Gesetznorm des § 22 Abs 1 StVO erforderlich macht, wobei sich aus dem Gesetzeszusammenhang unmissverständlich ergibt, dass dieser mit dem Verkehrsgeschehen zusammenhängen muss; andere Verkehrsteilnehmer sollen im Interesse der Verkehrssicherheit auf Situationen, die eine Gefahr für sie und allenfalls noch weitere Verkehrsteilnehmer bedeuten könnten, hingewiesen werden. Eine derartige Situation kann aber in der bloßen "Warnung anderer Verkehrsteilnehmer von einer Radarkontrolle" nicht erblickt werden, sodass die allein deswegen erfolgte Abgabe von Blinkzeichen nicht berechtigt ist (Hinweis dass dem Beschwerdefall vor dem VfGH B 227/75 eine Bestrafung wegen Übertretung des § 22 Abs 1 StVO zugrundelag und daher die Ausführung dieses Gerichtshofes, dass weder § 22 StVO noch eine andere Bestimmung (gemeint der StVO) eine Norm enthalte, nach der die Abgabe von Blinkzeichen auch im Falle des Nichterfordernisses der Verkehrssicherheit mit Strafe bedroht sei, nicht auf den vorliegenden Beschwerdefall bezogen werden können, der nach dem KFG 1967 durchgeführt wurde)."

Biker
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Beitrag von Biker » 13.03.2015, 05:28

Und hier der aktuelle Stand seit 2006:

http://wiev1.orf.at/stories/150605

Manannan
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Beitrag von Manannan » 13.03.2015, 11:37

Danke!
Habe die Entscheidung zwischenzeitlich gefunden. Der VwGH geht davon aus, dass, was nicht explizit verboten ist, erlaubt ist. Der Gesetzgeber hat es seit 1975 nicht geschafft, hier nachzuziehen.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 15.03.2015, 19:35

Nur der VwGH sollte diese Ansicht nicht teilen Herr Kollege. Gilt das in einem Rechtsstaat nicht generell als Grundprinzip? Was nicht explizit verboten ist, darf nicht sanktioniert werden.. Nulla Poena Sine Lege-Grundsatz nach § 1 Abs 1 VStG.

Manannan
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Beitrag von Manannan » 15.03.2015, 20:03

@lexlegis

Hier dürften Sie etwas missverstehen.
Der VwGH nimmt in der jüngeren Rsp von seiner ursprünglich und von mir zit Entscheidung (1982) Abstand und bringt dies im Erkenntnis vom 30.10.2006, Zl 2006/02/0168, auch klar zum Ausdruck.

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