Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Forum betreffend Strafmandate im Straßenverkehr, die Beurteilung von Verkehrsunfällen, die Höhe von Schmerzensgeld, usw.
Antworten
DieRatlose
Beiträge: 3
Registriert: 11.06.2021, 14:21

Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von DieRatlose » 11.06.2021, 14:52

Guten Tag, und entschuldigen Sie bitte meine Frage so knapp vor dem Wochenende, aber (mein Username ist Programm) ich bin leider ratlos und weiß nicht weiter.

Der Sachverhalt kurz umschrieben: ich habe mit meinem PKW aus einer Parklücke (90 grad zur öffentlichen Straße) zurückgeschoben (und natürlich den Querverkehr beachtet). Schräg gegenüber der Parkfläche, auf der anderen Straßenseite ist eine Ausfahrt aus einem Industriegelände mit einer vorgeschriebenen Fahrtrichtung nach rechts (blaues, rundes Schild mit weißem Pfeil und ein großer weißer Pfeil auf dem Boden der selbiges anzeigt).

Zum leichteren Verständnis:
Hier finden Sie einen Screenshot einer Übersichtsaufnahme von Google Maps, in blau meine beabsichtigte Fahrt in rot die tatsächliche Fahrtstrecke meines Gegners: https://ibb.co/fdQHgTw

Mein Unfallgegner ist aus dieser Ausfahrt gekommen und ist - mit Blick nach rechts - links (entgegen der vorgegebenen Fahrtrichtung) abgebogen und hat mein KFZ hinten touchiert - dieses stand zwar zu diesem Zeitpunkt weil ich ihn kommen gesehen habe, aber ich war mit dem Heck sicherlich schon gut 1.5 Meter aus der Parklücke auf der Straße. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Vor Ort war mein Unfallgegner sofort einsichtigt und wir füllten beide einen Unfallbericht aus auf dem der Sachverhalt (inklusive der vorgegebenen Fahrtrichtung) so wie oben dargestellt wurde - ich weiß, diese Zettel sind rechtlich nicht bindend, aber ich fühlte mich (fälschlicherweise) sicher. Polizei haben wir auch nicht hinzugeholt, dafür sah ich keine Notwendigkeit und hätte rückblickend auch nichts geändert (glaube ich zumindest).

Jedenfalls sagt nun die Versicherung meines Unfallgegners, dass mir eine Teilschuld zufällt, da die ständige Rechtssprechung davon ausgeht dass man beim Rückwärtsfahren immer (!) Schuld hat aber weil dem VU eine Verwaltungsübertretung meines Gegners kausal zugrunde liegt, habe ich "nur" Teilschuld.

Ich würde mich sehr über eine EInschätzung Ihrerseits freuen ob dem tatsächlich so ist, dass ich durch das "bloße" rückwärts ausparken (wobei im Moment des VUs bin ich gestanden - jedoch ein gutes Stück auf der Fahrbahn) Mitschuld trage obwohl der Unfallgegner nur aufgrund einer gesetzten Verwaltungsübertretung den VU verursachen konnte (und dies auch schriftlich eingestanden hat).

Nochmals vielen Dank für Ihre Zeit und ein schönes Wochenende

Die Ratlose



alles2
Beiträge: 3245
Registriert: 09.08.2015, 11:35

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von alles2 » 11.06.2021, 16:41

Beim Rückwärtsfahren wird nach § 14 Abs.3 StVO eigentlich erwartet, dass man sich einweisen lässt, um selbst Gefahren eher zu vermeiden, mit denen man nicht rechnet. Nur weil sich der Unfallgegner eingesteht, eine "Dummheit" begangen zu haben, bedeutet es noch lange nicht, dass er die alleinige Schuld trägt. Ich nehme an, Ihr habt beide nichts von diesem Paragraphen gewusst. Solltest davon überzeugt sein, dass Dich kein Mitverschulden trifft, müsste man fast den Klageweg beschreiten, sofern sich mit der Versicherung keine andere Lösung finden lässt. Denn nur weil sie sich dazu entschlossen hat, kann die Sachlage verkehrsrechtlich anders aussehen. Wäre selbst da kein eindeutiger Schuldiger auszumachen, bleibt es nun mal entsprechend des § 1304 ABGB bei der Schadensteilung. Die Versicherung spricht daher gerne davon, den Schaden unpräjudiziell (teil-)übernommen zu haben.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

DieRatlose
Beiträge: 3
Registriert: 11.06.2021, 14:21

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von DieRatlose » 11.06.2021, 17:35

Guten Abend alle2,

vielen Dank für deine (hoffe "du" ist ok) Antwort: tatsächlich hast du vollkommen Recht und ich (vermutlich der Zweitbeteiligte ebenso) bin rechtlich nicht besonders versiert - deswegen auch meine Bitte um Unterstützung hier im Forum.

DIe Frage die sich mir stellt, auch gerne abgestellt auf den von dir zitierten Absatz der StVO: wie kann es die Verkehrssicherheit erfordern, dass ich auf einer sonst übersichtlichen Straßenstelle ein- (bzw. aus-) gewiesen werden muss.

Kurzer Edit: ich habe gerade auf google maps nachgemessen, auf die eine Seite sind es von meinem Parkplatz aus knapp 100 Meter auf die andere 200 Meter freie Sicht - der in meinem ersten Beitrag angehängte Übersichts-Screenshot war da leider etwas zu nah dran gewählt.

Hätte sich der andere Verkehrsteilnehmer an das für Ihn geltende Verkehrszeichen gehalten - hätte (kausal) er mir nicht an mein (stehendes) Fahrzeug anfahren können. Ich verstehe nicht inwiefern ich in die Schuld zu nehmen bin wenn er (augenscheinlich) nicht vom Vertrauensgrundsatz auszunehmen ist - und dieser impliziert für mich wenn er rechts abzubiegen hat, dann wird er das auch machen. Ich habe ihn im Zuge des Ausparkens wahrgenommen und habe mein Fahrzeug vom langsamen rückwärts rollen zum vollständigen Stillstand gebracht, als ich gesehen habe, dass er in die falsche Seite loszufahren beginnt (und noch dazu in die andere Richtung schaut), aber da war mein Auto wie bereits beschrieben schon ein gutes Stück mit dem Heck auf der Straße.

Oder wenn ich die Frage anders stellen darf: was würdest du an meiner Stelle machen?

Vielen Dank und einen schönen Abend

a684dd572b1887661782981659331eed_231
Beiträge: 42
Registriert: 16.03.2021, 17:01

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von a684dd572b1887661782981659331eed_231 » 11.06.2021, 18:01

DieRatlose hat geschrieben:
11.06.2021, 17:35

Hätte sich der andere Verkehrsteilnehmer an das für Ihn geltende Verkehrszeichen gehalten - hätte (kausal) er mir nicht an mein (stehendes) Fahrzeug anfahren können. Ich verstehe nicht inwiefern ich in die Schuld zu nehmen bin wenn er (augenscheinlich) nicht vom Vertrauensgrundsatz auszunehmen ist - und dieser impliziert für mich wenn er rechts abzubiegen hat, dann wird er das auch machen.
Sehe ich auch! Du hast eine PN!
Menschen finden Direktheit exakt so lange gut, bis du etwas sagst, was ihnen nicht passt.

alles2
Beiträge: 3245
Registriert: 09.08.2015, 11:35

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von alles2 » 11.06.2021, 19:31

Wie die betroffenen Fahrzeuglenker oder Forumsmitglieder subjektiv die Situation einschätzen, interessiert weder der Versicherung, noch irgendeinem Gericht. Daher kann ich mich nur auf die allgemeine Judikatur berufen. Und sobald wer rückwärts fährt, greift nur zu gerne die Verschuldungsteilung. Ich habe schon zu viele Gerichtsentscheidungen zu lesen bekommen und lasse mich in solchen Fällen daher nicht mehr zu einer Aussage verleiten, wie es andere gern hören würden. Eine Haltung, mit der man sich nicht immer Freunde macht. Doch ich kann es auch nicht ändern, dass die Gesetzeslage so ist, wie es ist. Schließlich kommt es nicht aus heiterem Himmel.

Freilich hätte ich behaupten können, dass Du absolut im Recht bist. Doch dann hätte ich es Dir wohl leicht gemacht, dass Du notfalls unüberlegt und selbstsicher ein Gericht aufgesucht hättest. Stattdessen habe ich den Zeigefinger erhoben und auf gewisse Gesetzestexte hingewiesen. Nur weil man sich subjektiv im Recht sieht, bedeutet es noch lange nicht, dass es auch andere so sehen. Und vergiss nicht, es ist oft ein Unterschied, was man jemanden unverbindlich sagt oder was man einem Richter schildert (nachdem dem vermeintlichen Beschuldigten das Ausmaß oder die Konsequenzen bewusst geworden sind). Man sollte sich nämlich stets darauf einstellen, dass der Unfallgegner seine Version zu seinem Gunsten abändern könnte. Nun kannst Du Dir denken, in welchem Zwiespalt der Richter wäre, weshalb es dann oft genug auf den genannten Paragraphen des ABGB hinausläuft.

Wie ich es anlegen würde, möchte ich hier nicht verraten. Dazu müsste ich die Person genauer kennen, um einschätzen zu können, was ihm zuzutrauen wäre. Auch hätten die Methoden keinerlei Garantie auf Erfolg, weil es auf Verhandlungsgeschick und Kulanz beruhen würde.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

schanzenpeter
Beiträge: 412
Registriert: 02.02.2011, 16:48

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von schanzenpeter » 11.06.2021, 20:09

Ich sehe ausserdem das so: Wenn du tatsächlich gestanden bist, bist du in diesem Moment nicht rückwärts gefahren. Dein Gegner ist in ein stehendes Fahrzeug gefahren. Hoffentllich kannst den Stillstand Beweisen. Gibt es Zeugen?

a684dd572b1887661782981659331eed_231
Beiträge: 42
Registriert: 16.03.2021, 17:01

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von a684dd572b1887661782981659331eed_231 » 11.06.2021, 22:48

schanzenpeter hat geschrieben:
11.06.2021, 20:09
Ich sehe ausserdem das so: Wenn du tatsächlich gestanden bist, bist du in diesem Moment nicht rückwärts gefahren. Dein Gegner ist in ein stehendes Fahrzeug gefahren. Hoffentllich kannst den Stillstand Beweisen. Gibt es Zeugen?
Außerdem befand sich die TE bereits auf dieser Straße, wollte sich in den Fließverkehr einordnen und konnte nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeug von einem Grundstück rausfährt und dann noch in die falsche Richtung abbiegt ohne sich zu vergewissern, dass er ungehindert rausfahren kann.

Ich gehe davon aus, dass diesem Fahrzeuglenker die alleinige Schuld trifft, weil er sich nicht im Fließverkehr befand und außerdem in die falsche Richtung abgebogen ist.

Seine Haftpflichtversicherung möchte nicht für den ganzen Schaden aufkommen, daher wird hier einfach eine Teilschuld dem eigentlichen Opfer angelastet. Ich hatte auch mal so einen ähnlichen Fall, da wollte mir der Unfallgegner an Ort und Stelle gleich die alleinige Schuld für seinen Aufprall und den erheblichen Schaden an meinem neuen Fahrzeug geben, aber sein Anwalt hat das zum Glück anders gesehen, nachdem ich die Polizei gerufen habe. Somit wurde alles dokumentiert und auch ein Zeuge meldete sich freiwillig.
Menschen finden Direktheit exakt so lange gut, bis du etwas sagst, was ihnen nicht passt.

alles2
Beiträge: 3245
Registriert: 09.08.2015, 11:35

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von alles2 » 12.06.2021, 01:06

Nun habe ich den Beitrag gefunden, von dem ich mich inspirieren ließ, wonach es heißt (zum Thread den nach oben gerichteten Pfeil anklicken):
Felix2 hat geschrieben:
02.06.2013, 00:04
Nach der Rechtsprechung ist das Verschulden eines unaufmerksam Rückwärtsfahrenden in der Regel schwerer zu werten als das Verschulden jenes Lenkers, der die Rückwärtsfahrt nicht gehörig beobachtet (ZVR 1980/185; 1980/252; 1981/11).
Verschuldensteilung 3 : 1 zu Lasten des rückwärts Einparkenden? Ein Alleinverschulden ist aus dem dargestellten Sachverhalt mE jedenfalls nicht abzuleiten.
Hier wurde abgewogen, in wie fern der Rückwärtsfahrende und der Unfallgegner aufmerksam genug waren.

Der Spruch Deiner Versicherung ist mir nicht fremd, kommt nicht von ungefähr und es scheint, als ob es an vielen vorbeigegangen wäre. Ich verstehe es so, dass Du zu 100 % die Schuld zu tragen hättest, wenn es sich um einen ordentlichen Nachfolgeverkehr gehandelt hätte. Da dem nicht so ist 50:50. Möchtest Du das alleinige Verschulden zu ihm rüberschieben oder hoffst Du auf Kulanz, würde ich mit der Versicherung urgieren, um eventuell ein Einlenken zu bewirken. Bist Du Mitglied eines Automobilclubs, noch besser, wenn es um die Frage des Ausjudizierens geht.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

DieRatlose
Beiträge: 3
Registriert: 11.06.2021, 14:21

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von DieRatlose » 12.06.2021, 10:09

Vielen Dank für eure Beiträge, ich fand es sehr interessant wie man soetwas augenscheinlich simples wie einen Verkehrsunfall von verschiedenen Blickwinkeln betrachten bzw. beleuchten kann. Besonders, dass die Aussage "Rückwärtsfahren = immer Schuld" wie von der Versicherung behauptet so nicht 100% steht freut mich zu lesen. Andererseits hätte ich nicht gedacht, dass ich tatsächlich auch (Teil-) Schuld haben könnte. Zu schwer wog in meinem Gedanken die gesetzte Verwaltungsübertretung von meinem Gegenüber ohne die es zu dem Unfall nicht gekommen wäre.

Ich fühle mich bestärkt die Sache in Angriff zu nehmen und werde hier berichten wenn ich wieder Neuigkeiten habe.

Nochmals herzlichen Dank für eure Hilfe

alles2
Beiträge: 3245
Registriert: 09.08.2015, 11:35

Re: Verkehrsunfall beim rückwärts Ausparken - immer Schuld?

Beitrag von alles2 » 12.06.2021, 11:16

Man sollte schon unterscheiden, wie was gesagt wurde und wie es aufgenommen wurde. Kann nirgends entnehmen, dass die Versicherung behauptet hätte, dass man beim Rückwärtsfahren immer die alleinige Schuld hätte. Auch teilschuldig fällt in die Kategorie Schuld. Daher ist für mich noch kein Widerspruch seitens der Versicherung zu erkennen. Dass es auch Konstellationen gibt, bei denen beide Seiten fahrlässig gehandelt haben, darüber brauchen wir nicht schwadronieren. Es bleibt daher wohl dabei, dass an dem Rückwärtsfahrenden fast immer eine gewisse Schuld hängenbleibt. Eine Tatsache, der sich viele nicht bewusst sind, weil sie in solchen Fällen die 100-prozentige Schuld gerne beim anderen ausmachen. Es wird dann prozessiert und sie wundern sich dann, warum es schiefging.

Du könntest den Unfallgegner von der aktuelle Situation berichten und wer weiß, ob er vielleicht für den Rest aufkommt oder mit der seiner Versicherung interveniert. Es könnte überzeugend genug sein, wenn er sich eingesteht, nicht nur das Gebotszeichen missachtet zu haben, sondern Dich auch noch zu spät wahrgenommen hat. Und dass es für praktisch für alle unangenehm wäre, wenn man jetzt wegen der wahren anteilsmäßigen Schuldfrage vor Gericht ziehen müsste. Wer weiß, ob sich dann die Versicherung zu Gunsten des Kunden erweichen lässt, mit dem man es sich ja auch nicht verscherzen sollte.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste