Beinnaheunfall - Folgen?

Forum betreffend Strafmandate im Straßenverkehr, die Beurteilung von Verkehrsunfällen, die Höhe von Schmerzensgeld, usw.
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Disponent
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Beinnaheunfall - Folgen?

Beitrag von Disponent » 13.11.2013, 19:59

Hallo, hab folgende Situation im Straßenverkehr beobachtet
und würde gerne wissen mit welchen Rechtlichen Folgen bei Anzeige zu rechnen wäre.

Fahrer A (Pkw) fährt am Beschleunigungsstreifen einer Autobahnauffahrt und wechselt mit Blinkzeichn nach einigen Sekunden den Fahrstreifen. Dabei dürfte er einen von hinten kommenden LKW übersehen haben. (Lkw-) Fahrer B muss stark abbremsen und verwendet Hupe und Lichtzeichen. Es kommt zu keiner Berührung der Fahrzeuge.

Meine Frage lautet Wie würden die Konsequenzen für Fahrer A aussehen wenn er von Fahrer B angezeigt wird, bzw. was könnte der Lkw- Fahrer anzeigen?

Freu mich auf eure Meinungen
LG Disponent



lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 14.11.2013, 15:17

Strafrechtliche Aspekte:

Hinsichtlich des hohen Gefahrenpotentials auf einer Autobahn und des in diesem Fall, wenn auch nur aus Sorglosigkeit (§ 6 Abs 1 StGB), äußerst riskanten Verhaltens des PKW-Lenkers, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit ein bevorstehendes Risiko verwirklichen hätte können und nur knapp, aufgrund der schnellen Reaktion des LKW-Lenkers verhindert werden konnte, könnte eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB in Betracht gezogen werden.

Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt Fahrlässigkeit.

Die objektive Sorgfaltswidrigkeit, in der sich das fahrlässige Verhalten des Lenkers widerspiegelt liegt in der Missachtung der StVO (näheres dazu in den verwaltungsrechtlichen Aspekten). Zweck der Norm (der Verkehrstafel) ist es, dass der Lenker in der Lage ist eine besondere Gefahrensituation rechtzeitig zu erkennen. Die Verkehrstafel regelt aus diesem Grund die Verkehrslage. Der PKW-Lenker soll in der Lage sein anhand des Verkehrszeichens „Vorrang geben“ sich auf eine ansich gefährliche Situation vorzubereiten; er muss hierbei besonders vorsichtig sein. Hier hat der PKW-Lenker aus Unachtsamkeit die notwendige Sorgfalt außer Acht gelassen, zu der er verpflichtet gewesen wäre. Im Sachverhalt ist nicht erkennbar, ob der Lenker auch subjektiv sorgfaltswidrig gehandelt hat, also wird einfach angenommen, dass er zu diesem Zeitpunkt körperlich und geistig fähig dazu war, die gebotene Sorgfalt einzuhalten. Durch das Missachten der Verkehrsregel (Vorrangregel; der Lenker hat den LKW-Lenker zum Bremsen gezwungen (§ 19 Abs 7 StVO)), wurde ein Risiko verwirklicht, welches durch die Verkehrsnorm ansich hätte verhindert werden sollen. Der Eintritt einer Verletzung des absolut geschützten Rechtsguts Leben oder zumindest für das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit ist in einer solchen Lage mit einer besonders hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten, da auf Autobahnen die Lenker mit einer nicht unerheblichen Geschwindigkeit unterwegs sind und ein Zusammenstoß nur knapp verhindert wurde. Es liegen somit besonders gefährliche Verhältnisse iSd § 81 Abs 1 Z 1 StGB vor.


Gründe, welche dieses Verhalten in irgendeiner Weise billigen würden oder durch welche die Strafbarkeit ausgeschlossen oder aufgehoben werden würde, sind nicht ersichtlich.

Eine fahrlässige Gemeingefährdung gemäß § 177 Abs 1 StGB ist nicht gegeben. Es liegt zwar im Zuge einer Massenkarambolage eine Gefahr für eine größere Anzahl von Personen vor; die Rechtsprechung verlangt jedoch in diesem Fall „etwas mehr“. Der betrunkene Geisterfahrer auf der Autobahn erfüllt in jedem Fall hinsichtlich der hohen WSK (noch höher als in Ihrem Beispiel) und des großen Gefahrenpotentials den Tatbestand der fahrlässigen Gemeingefährdung.

Nötigung wird in jedem Fall ausgeschlossen, denn dafür bräuchte der Täter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB). Ein solcher müsste ihm nachgewiesen werden und in Verkehrssituationen wird nahezu immer Fahrlässigkeit angenommen. Fahrlässige Nötigung ist jedoch gemäß § 7 Abs 1 StGB nicht strafbar.

Wird durch diese Handlung des Lenkers der Tatbestand der fahrlässigen Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB tatsächlich erfüllt, so ist gemäß der formellen Subsidiaritätsbestimmung des § 99 Abs 6 litera c StVO eine (wenn sie in diesem Handeln ebenfalls begründet ist) Verwaltungsübertretung nicht zu bestrafen (laut VwGH "ne bis in idem" gemäß Art 4 7.ZPK EMRK).

Ist dies nicht der Fall, so kommen die verwaltungsrechtlichen Aspekte zum Tragen.

Verwaltungsrechtliche Aspekte:

Die Fahrerzeuge auf der Autobahn haben gegenüber den Fahrzeugen, welche beabsichtigen auf die Autobahn aufzufahren, Vorrang. Diese Verkehrslage ist grundsätzlich an der Nebenfahrban durch eine aufgestellte Verkehrstafel mit dem Zeichen „Vorrang geben“ (§ 52 Z 23 StVO) klar geregelt. Mangelt es an einer solchen Regelung durch ein Zeichen, so haben dennoch die Fahrzeuge des fließenden Verkehrs auf der Hauptfahrbahn gegenüber den Fahrzeugen auf der Nebenfahrbahn (§ 2 Abs 1 Z 4 StVO) gemäß § 19 Abs 6 StVO Vorrang. Achtet der Fahrzeuglenker auf der Nebenfahrbahn also nicht ausreichend auf den fließenden Verkehr auf der Hauptfahrbahn und zwingt er durch sein sorgloses Handeln einen anderen, der in diesem Fall Vorrang hätte, zu unvermitteltem Bremsen oder zum Ablenken seines Fahrzeuges, so handelt er gemäß § 19 Abs 7 StVO nicht normenkonform. In den Strafbestimmungen der Straßenverkehrsordnung (§ 99 StVO) findet sich in diesem Verhalten eine zu bestrafende Verwaltungsübertretung. Zwar spricht § 99 Abs 2c Z 5 StVO von einem Verstoß gegen § 19 Abs 7 StVO; dieser gilt jedoch nur bei einer Missachtung des Vorschriftszeichens „Halt“ (§ 52 Z 24 StVO), was hier nicht der Fall ist. In diesem Fall könnte eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs 2 litera c StVO vorliegen. Der Verstoß fußt auf § 19 Abs 7 StVO. Besonders gefährliche Verhältnisse werden in diesem Fall wohl ebenfalls zu bejahen sein.

Konklusion:

Eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB KÖNNTE in Betracht gezogen werden. Ist dies der Fall, so bleibt eine mögliche Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs 6 lit c StVO unbeachtet.

Liegt keine Gefährdung nach einem gerichtlichen Strafgesetz vor, so ist § 99 Abs 2 lit c StVO als Verwaltungsübertretung in Betracht zu ziehen.

In jedem Fall gilt: Die Schuld des PKW-Lenkers muss bewiesen werden.

Hubert Neubauer
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Beitrag von Hubert Neubauer » 14.11.2013, 15:35

Wird ein Verstoß gegen § 19 Abs. 7 StVO sein.

Im Gegensatz zum gerichtlichen Strafverfahren muss in einem Verwaltungsstrafverfahren aber die Schuld nicht bewiesen werden. Hier muss nur die objektive Verletzung des Gebotes nachgewiesen werden. Ist dies geschen muss sich der Verletzer des Gebotes frei beweisen, also dass ihn an der Verletzung eben keine Schuld trifft.

Ansonsten ist die Auskunft richtig.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 14.11.2013, 15:44

@ Hubert Neubauer

Danke für den Hinweis :D

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 26.11.2013, 15:10

Ich habe mich darüber informiert:

Bei reinen Ungehorsamkeitsdelikten (Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder Nichtbefolgung eines Gebots) genügt der Nachweis einer objektiven Übertretung der Norm um jemanden für die Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Auf subjektiver Ebene genügt in diesem Fall Fahrlässigkeit und diese wird, wenn derjenige nicht in der Lage ist das Gegenteil zu beweisen, automatisch angenommen.

Bei Erfolgsdelikten hingegen (wenn zum objektiven Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört) muss die Schuld bewiesen werden. (§ 5 Abs 1 Satz 2 VStG)

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