Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

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Essotiger
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Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von Essotiger » 28.02.2007, 14:25

Ich habe für ein "Park- bzw. Haltevergehen" eine Strafverfügung bekommen.

Was mich allerdings wundert: Es wurde keine Lenkerehebung gemacht. Also kann auf der BPDion wohl niemand wissen, ob ich oder jemand anders das KFZ abgestellt hat und somit auch nicht automatisch auf meinen Namen eine Strafverfügung erlassen, oder??




Essotiger
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RE: Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von Essotiger » 28.02.2007, 15:05

So, habe mal etwas gesurft und etwas darüber gefunden:



Der VwGH hat in seiner Judikatur (Erk. vom 21.6.1989, 89/03/0109, Erk. vom 10.10.1990, 90/03/0135) festgestellt, dass eine Anfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG keinen rechtlich geforderten Verfahrensschritt in einem gegen den Lenker eines Kraftfahrzeuges durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren darstellt. Die Lenkereigenschaft kann nicht nur im Wege einer solchen Aufforderung ermittelt werden.



Aber auch dieses:



Wegen der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheit mit der Stadt Wien zur Frage der Erlassung von Strafverfügungen ohne Ermittlung des Täters hat die VA auch eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt eingeholt. Dieser hat in seiner Äußerung zum Ausdruck gebracht, dass die Erlassung einer Strafverfügung (auch auf Grund einer automatischen Überwachung) nicht zulässig ist, wenn der Täter unbekannt ist. Ohne die Ermittlung des Täters generell mit Strafverfügung vorzugehen, scheint auch nach der Rechtsansicht des Verfassungsdienstes mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens nicht vereinbar.

Die VA hat aus diesen Gründen der Beschwerde Berechtigung zuerkannt und die Vorgangsweise der Behörde gegenüber der zuständigen Bundesministerin beanstandet.

In der auf Grund dieser Beanstandung ergangenen Stellungnahme des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie schloss sich dieses der Ansicht der VA an und gab bekannt, dass bei Kenntnis eines neuerlichen Falles die Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates an den Verwaltungsgerichtshof gemäss Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm. § 123 Abs. 1 letzter Satz KFG 1967 in Erwägung gezogen werde.



Nun aber meine Frage: Was heißt das für die Praxis??










MEMIL
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RE: Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von MEMIL » 28.02.2007, 18:02

Einfach! Ein Gesetz wo drinnen steht, dass eine Strafe ohne Lenkererhebung nichtig ist, gibt es nicht. In Gegenteil, es wird anerkannt, dass die Behörde (z.B.) sich auch auf die Laue stellen kann und dich fotografieren, oder einfach aufschreiben, dass du derjenige warst, der das Auto durch die Fahrertür mit dem Autoschlüssel in der Hand verlassen hat und keine andere Person sich im Auto befand. Das entbindet die Behörde von einer Lenkererhebung. Eine Strafe gegen Unbekannter gibt es nur in Rahmen der Anonymstrafverfügung (wenn der Täter die Strafe annimmt). Deswegen, wenn immer jemand die Anonymität nicht abkaufen will und auf die Lenkererhebung abwarten will, kann theoretisch eine Böse Überraschung bekommen, wenn die Strafe an ihn (in dem daraus folgenden Verfahren) ohne Lenkererhebung verhängt wird. Wenn man sich aber dagegen wehren will und keine Lenkererhebung (innerhalb von 6 Monaten) eingeleitet wurde, muss die Behörde dann „erzählen“ wie sie sonst zur Identifikation des Täters gekommen ist. Oder die Strafe ist rechtswidrig. Man muss aber immer wieder beim konkreten Fall Einspruch dagegen erheben und die Rechtwidrigkeit anzeigen.

MfG,

MEMIL


Essotiger
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RE: Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von Essotiger » 28.02.2007, 19:33

Hallo!



Das war mir schon klar, dass es wohl kein Gesetz gibt, dass eine Strafverfügung nur auf eine Lenkererhebung folgen darf. Aber es könnte mittlerweile Entscheide dazu geben.



Die Möglichkeit mit dem Fotografieren und auf die Lauer legen ist ja zwar auch recht lustig, aber hilft das kaum bei der Feststellung der Identität.



Andereseits haben aber auch die Auffassung der VA und des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts, dass es rechtsstaatlich bedenklich sei, eine Strafverfügung ohne Ermittlung des Täters zu erlassen.(siehe voriger Beitrag von mir)



Und das ist auch recht interessant:



9.3 Rechtswidrige Bestrafungen bleiben aufrecht



W/274-POL/03, MIR-V-1658/2003

W/487-POL/03, MIR-V-2041/2003



In zwei, inhaltlich ähnlich gelagerten Fällen führte das bereits im 20. Bericht der VA an den Wiener Landtag dargestellte rechtswidrige Vorgehen der Wiener Stadtverwaltung, nicht die verantwortlichen Lenker von Fahrzeugen, sondern die Zulassungsbesitzer zu bestrafen, zu neuerlichen, individuellen Missstandsfeststellungen. Die VA sprach auch Empfehlungen aus, die offenkundig rechtswidrigen Strafbescheide zu beheben.



Im ersten Fall (VA W 247-POL/03) erhielt der Zulassungsbesitzer eines PKW eine Anonymverfügung vom 17. Jänner 2003 vom Magistrat der Stadt Wien, MA 67, in welcher ein vorschriftswidriges Abstellen seines Fahrzeuges am 3. Dezember 2002 mit € 42,-- bestraft wurde.



Entsprechend den Informationen in dieser Anonymverfügung hat der Beschwerdeführer diese Anonymverfügung nicht eingezahlt, sondern es war beabsichtigt, dass der Sohn des Beschwerdeführers als verantwortlicher Lenker die Unrichtigkeit des Tatvorwurfes im nachfolgenden ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren beweisen solle.



Nach Ablauf der Einzahlungsfrist für die Anonymverfügung hat der Magistrat der Stadt Wien - ohne eine Lenkererhebung durchzuführen - am 3. März 2003 eine Strafverfügung an den Zulassungsbesitzer gerichtet, die dieser, wie untereinander vereinbart, an seinen Sohn weitergegeben hat, damit er als Lenker die Strafverfügung beeinspruche. Der Einspruch erfolgte innerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist von zwei Wochen und auch innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung von sechs Monaten.



Im zweiten Fall (VA W 487-POL/03) hatte die Tochter einer Zulassungsbesitzerin das Fahrzeug vorschriftswidrig abgestellt und es wurde dieses Fahrzeug nach den Bestimmungen der StVO abgeschleppt. Die Zulassungsbesitzerin hat die an sie gerichtete Strafverfügung vom 5. Mai 2003 an ihre Tochter weiter gegeben, da sie gemäß einer Information auf der offiziellen Stadt-Wien-Internetseite den Hinweis vorgefunden hatte, dass im Gegensatz zur Vorschreibung des Ersatzes der Abschleppkosten, die immer an den Zulassungsbesitzer ergehen, eine Strafe „nur über den/die LenkerIn“ verhängt werden könne.



Dieses Vorgehen führte in beiden Fällen zur Zurückweisung des Einspruches mangels Parteistellung, weil nicht der Empfänger der Strafverfügung, sondern eine andere Person diesen Einspruch erhoben hatte.



Darauf wandten sich die Beschwerdeführer an die VA und behaupteten sinngemäß das Vorliegen eines Missstandes in der Verwaltung. Im ersten Beschwerdefall bekannte sich der Fahrzeuglenker in seiner eigenhändig unterschriebenen Beschwerde zur Tat. Auch im zweiten Beschwerdefall hat die Fahrzeuglenkerin in ihrem Einspruch gegen die Strafverfügung die Tat nachweislich zugegeben.



Die VA trat an die Wiener Landesregierung heran und gab bekannt, dass sie von der offenkundigen Rechtswidrigkeit der Bestrafung ausgehe, weil sich die Strafverfügungen nicht auf die tatsächlichen Fahrzeuglenker bezogen hatten.



In ihren Stellungnahmen verwies die Magistratsdirektion der Stadt Wien lediglich darauf, dass das Unterlassen einer Lenkererhebung ihrer Ansicht nach gesetzeskonform sei und im Übrigen die Zurückweisung des Einspruches mangels Parteistellung des Sohnes/der Tochter des jeweiligen Zulassungsbesitzers zu Recht erfolgt sei. In einer weiteren Stellungnahme wurde mitgeteilt, dass eine Aufhebung der Strafverfügung gemäß § 52a VStG im Ermessen der Behörde liege und der Möglichkeit einer solchen Behebung nicht näher getreten werde.



Die VA erachtet die Vorgehensweise der in Beschwerde gezogenen Behörde im Wesentlichen aus zwei Gründen für rechtswidrig:



Zunächst ergibt sich die Rechtswidrigkeit aus dem Umstand, dass gegen die Zulassungsbesitzer eine Strafverfügung erlassen wurde, ohne dass zuvor deren Tätereigenschaft (z.B. in Form einer Lenkererhebung) nachgewiesen wurde.



Die maßgeblichen Erwägungen der VA wurden bereits in früheren Prüfverfahren der VA dargelegt und es wird auch insbesondere auf die generelle Missstandsfeststellung der VA vom 11. Mai 2000, Zahl W 192-POL/99 verwiesen. Diese Missstandsfeststellung ist auch im 22. Bericht der VA an den Wiener Landtag (Seiten 67ff) veröffentlicht.



Der damals festgestellte Missstand lag darin, dass bei sog. „Kennzeichenanzeigen“ die Ausforschung der Person des Täters üblicherweise unterbleibt und eine Strafverfügung an den Zulassungsbesitzer ergeht, wobei für dessen Tätereigenschaft lediglich eine gewisse, statistisch begründbare Vermutung, aber nicht der geringste Beweis besteht.



Die Erlassung einer Strafverfügung erscheint nur dann zulässig, wenn der Täter bereits bekannt ist. Dagegen erscheint die Zustellung einer Strafverfügung an eine Person (Zulassungsbesitzer), von der die Behörde lediglich annimmt, dass sie den Täter (Lenker) kennt oder leicht feststellen kann, nicht als zulässig.



Im Weiteren wird die Rechtswidrigkeit des Vorganges sodann dadurch verstärkt, dass der bescheiderlassenden Behörde seit dem Vorliegen der Einsprüche erhebliche Zweifel an der Tätereigenschaft der jeweiligen Zulassungsbesitzer gekommen sein müssten. Dennoch hat die Behörde keinerlei Ermittlungsschritte zur Ausforschung und letztlich Bestrafung der wahren Täter unternommen, sondern sich mit der Bestrafung von offenkundig Unschuldigen abgefunden und nichts zur Rehabilitierung der Zulassungsbesitzer unternommen.



Nach § 48 Abs. 1 Z 3 VStG muss in der Strafverfügung darüber hinaus "die Tat, die als erwiesen angenommen ist", angegeben sein. Aus der Verwendung des Wortes "erwiesen" zieht die VA den Schluss, dass eine Strafe wegen bloßen Verdachtes nicht verhängt werden darf. Da es im Strafverfahren letztlich entscheidend darauf ankommt, ob der Beschuldigte die Tat begangen hat, wird man davon auszugehen haben, dass auch dieser Umstand bei Erlassung der Strafverfügung als erwiesen anzunehmen sein muss.



Zusammenfassend vertritt die VA daher die Auffassung, dass eine Strafverfügung gegenüber dem Zulassungsbesitzer eines KFZ nur erlassen werden darf, wenn bekannt ist, dass dieser der Täter ist. Bei Eintritt der Gegenstandslosigkeit einer allfälligen Anonymverfügung ist daher zunächst der unbekannte Täter auszuforschen (regelmäßig: eine Lenkererhebung durchzuführen) und sodann das Strafverfahren gegen den ausgeforschten Lenker einzuleiten.



Weiters ist die VA auf Grund des durchgeführten Prüfungsverfahrens zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei beiden Einspruchswerbern um die wahren Täter handelt und die beschwerdegegenständliche Verwaltungsstraftat von den bestraften Zulassungsbesitzern überhaupt nicht begangen wurden. Das Vorbringen der beiden Einspruchswerber, nämlich jeweils der wahre Täter zu sein, ist glaubwürdig und schlüssig. Anders wäre es nicht zu erklären, weshalb sie die Einsprüche gegen die Strafverfügungen erhoben hätten.



In beiden Beschwerdefällen war der Wiener Magistrat ab Erhalt des jeweiligen Einspruches gegen die Strafverfügung in die Lage versetzt, gegen den sich selbst als verantwortlichen Fahrzeuglenker bezeichnenden Einspruchswerber mit einer Verfolgungshandlung vorzugehen und damit eine allenfalls drohende Verfolgungsverjährung zu unterbrechen.



Bei allfälligen Zweifeln an der Tätereigenschaft wäre es der Behörde freigestanden, die Strafverfahren sowohl gegen den Zulassungsbesitzer als auch gegen den mutmaßlichen Lenker weiterzuführen, bis die Beweislage ausreichend gesichert gewesen wäre. An Stelle dieser Möglichkeit ging die Behörde jedoch lediglich formal mit Zurückweisung der Einsprüche vor.



Diese Zurückweisungen sind von der VA mangels Parteistellung der Einspruchswerber nicht zu beanstanden. Im Ergebnis vermag dies aber nichts an der Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise im Gesamten zu ändern.



Die im Prüfverfahren eingeholten Stellungnahmen der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom 22. August und 13. Oktober 2003 ließen lediglich erkennen, dass einer Aufhebung der Strafverfügung nicht näher getreten werde. Betont wird dabei von der Behörde, dass die Aufhebungs- und Abänderungsermächtigung nach § 52a des Verwaltungsstrafgesetzes im Ermessen der Behörde liege. Die Auffassung der VA, nämlich dass die Bestrafung offenkundig gesetzeswidrig erfolgte, wird von der Magistratsdirektion wegen des Charakters als Ermessensentscheidung als unzutreffend bezeichnet.



Die VA hält diesen Standpunkt aus mehreren Gründen für verfehlt:



So darf einerseits die Ausübung des Ermessens nicht zur Willkür verkommen, weil der Behörde bei Ermessensentscheidungen keineswegs ein unbegrenzter Spielraum nach allen Seiten hin offen steht. Es ist unzweifelhaft ein Nachteil iS. des § 52a VStG für den Beschwerdeführer, wenn er einer Tat für schuldig befunden worden ist, die er (nicht oder nicht in diesem Umfang) begangen hat. (VwGH 19.12.1990, 90/02/0088, 0157 u.a.).



Auf Grund des gegebenen Sachverhaltes und der zitierten Judikatur des VwGH hätte die in Beschwerde gezogene Behörde die Strafverfügungen längst von Amts wegen zu beheben gehabt.



Im Bereich des Verwaltungsstrafrechts, wo regelmäßig in das Grundrecht auf Eigentum (Geldstrafe) und in zumindest nicht auszuschließender Art auch in das Grundrecht auf persönliche Freiheit (Ersatzfreiheitsstrafe) eingegriffen wird, steht für die VA außer Zweifel, dass der Durchbrechung der Rechtskraft Vorrang einzuräumen ist, wenn sich eine Verwaltungsstrafe als offenkundig rechtswidrig verhängt herausstellt.



Aus grundrechtlicher Sicht ist festzuhalten, dass die beiden Zulassungsbesitzer in ihrem in Art. 5 StGG und in Art. 1, 1. ZProtEMRK verankerten Grundrecht auf Eigentum verletzt wurden. Nach der Judikatur des VfGH ist das Vermögen, in das durch Strafen eingegriffen wird, geschützt ( VfSlg. 12.967/1992; 13.733/1994 u.a.) und hat jede Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt. Ein solcher Eingriff ist auf Grund der genannten Normen nur unter den durch Gesetz normierten Bedingungen zulässig. Da das österreichische (Verwaltungs-) Strafrecht auf dem Prinzip „keine Strafe ohne Schuld“ basiert, sind die Bestrafungen der Zulassungsbesitzer daher auch grundrechtwidrig erfolgt.



Die VA erachtet beide Beschwerdeführer auch in ihrem Grundrecht auf Gleichheit gemäß Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG verletzt. Eine solche Verletzung liegt nach der Judikatur des VfGH nämlich dann vor, wenn eine Behörde überhaupt oder in einem entscheidenden Punkt jede Ermittlungstätigkeit unterlässt. (VfSlg. 11.852/1988 u.a.) Durch das Unterlassen der Ermittlung des wahren Täters hat die Behörde aber genau dieser Verpflichtung nicht entsprochen und den Beschwerdeführer im Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.



Auch der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis Zl. G 408/97 mit der Problematik auseinander gesetzt, inwiefern eine Person für das Verhalten anderer im verwaltungsstrafrechtlichen Sinne herangezogen werden kann. In diesem Erkenntnis trat der Verfassungsgerichtshof der Auffassung von Mayer bei, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit bei sonstiger Verfassungswidrigkeit nur an ein eigenes Verhalten geknüpft sein darf. Begründend führt er dazu an, dass die "Unschuldsvermutung" im Sinne des Art. 6 Abs. 2 EMRK wohl nicht nur für die Tatbestandsverwirklichung, sondern (geradezu selbstverständlich) auch für die Schuld im engeren Sinne gelte. Der Begriff der Strafe setze als ein mit Tadel verbundenes Übel wegen schuldhafter Verletzung von Ver- oder Geboten voraus, dass der Täter gegen eine ihn treffende Verhaltensregelung verstoßen hat. Der Grundsatz, dass strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an ein eigenes Verhalten geknüpft sein darf, sei nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes so selbstverständlich, dass er in den einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien (Art. 90 ff B-VG, Art. 6 und Art. 7 EMRK) unausgesprochen vorausgesetzt werde.



Durch diese Judikatur wird der Standpunkt der VA bestätigt, dass die Nichtausforschung des Täters - sei es durch Lenkererhebung oder auf eine andere nicht förmliche Art und Weise - einen Missstand in der Verwaltung darstellt.



Dies ist in den vorliegenden Fällen besonders gravierend, weil die VA deutlich feststellen konnte, dass die Behörde in der Lage gewesen wäre, ohne Eintritt der Verfolgungsverjährung den jeweiligen wahrscheinlicheren (geständigen) Täter zu verfolgen und zu bestrafen.



Die VA hat daher in beiden Fällen nicht nur das Vorliegen eines Missstandes in der Verwaltung festgestellt, sondern der Wiener Landesregierung überdies empfohlen, die rechtswidrigen Strafverfügungen aufzuheben, die Folgen der rechtswidrigen Bestrafungen wieder gut zu machen und die Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.



Ob diesen Empfehlungen nachgekommen wird oder mit welcher Begründung sie gegebenenfalls abgelehnt werden, war bei Redaktionsschluss für diesen Bericht noch nicht bekannt.


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RE: Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von MEMIL » 28.02.2007, 20:09

Ich las mit Interesse deine ausführliche Darstellung. Mein Beitrag wird dadurch nicht widerlegt, aber es wird hier klar dass ein großes Problem unvermeidbar wir. Die Behörde geht davon aus, dass fast immer Zulassungsbesitzer und Täter die gleiche Person sind (was nicht selten gar nicht ist) und sie bestrafen den Zulassungsbesitzer (Anonym) dermaßen systematisch, dass die Behörde erblindet wird und weigert sich sogar die geständige Täter als solche anzuerkennen. Kafka würde sich von Neid ins Grab umdrehen, wenn er das lesen könnte.

Ich kann nur jedem Zulassungsbesitzer, der nicht zugleich Täter ist, dringendste empfehlen die Anonymverfügung in der Nähe des Klopapiersrolle stellen, wo sie eventuell nützlich sein kann. Ich verstehe aber auch, dass wenn die Täterschaft klar ist und die Tat außer Streit steht, will man einfach bezahlen und wirtschaftlich was sparen (Das Verfahren wird teurer als die Anonymverfügung).

Ich habe selbst schon als Zulassungsbesitzer Strafe für andere Person bezahlt (weil diese mir ihre Verantwortung außer Streit gestellt hat). Jedoch, wie Verfassungsrechtler Prof. Mayer zu Recht erläutert, übernimmt man dadurch nicht nur die Verantwortung für die Kosten der Strafe, sondern auch die Schuld eines Drittens.

Wenn schon nicht das Auto bestrafen kann, dann muss doch mindestens den geständigen Täter als solcher anerkennen. Bei der Behörde mangelt es hier an Arbeitsmut (Ausforschung des Täters oder Verfahrensführung bis Klärung der Täterschaft.

MfG,

MEMIL




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RE: Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von Essotiger » 28.02.2007, 21:22

HAllo!



Naja, die Anonymverfügung ist sicher ein Kuriosum. Man übernimmt die Schuld eines anderen und klärt es dann mit dem Schuldigen.

Sie birgt bestimmt Vorteile für beide Seiten (einfach, schnell, günstig, keine Vormerkung, etc.).Wenn man diese Schuld nicht auf sich nehmen möchte, zahlt man nicht und wartet auf ein "ordentliches" Verfahren.



Das Problem um das es aber hier geht und auch bei den Fällen über die die VA geschrieben hat, ist die Tatsache, dass ich eine Strafverfügung bekommen habe, ohne dass die Behörde weiß ob ich es auch tatsächlich war. Und ich war es nicht. Natürlich ist es einfacher und günstiger ich nehme es auf mich und kläre das intern.

Mir geht es aber um die Tatsache, dass die Behörden alles sehr genau nehmen, selbst aber derartiges Vorgehen an den Tag legen. Immerhin sollte auch für mich in diesem Fall die Unschuldvermutung gelten(wie im letzten Beitrag zitiert) und nicht in der Strafverfügung stehen, dass



ICH als LENKER AM IN HABE.



Da wird der Rechtsstaat nämlich wirklich mit Füssen getreten.



Wenn sie wenigstens schreiben würden, dass angenommen wird, dass ich um ....... habe.



Mich würde nun halt interessieren, ob ein UVS vielleicht schonmal etwas in der Richtung entschieden hat, oder ob die VA am Ende etwas erreicht hat.


MEMIL
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RE: Strafverfügung ohne vorherige Lenkererhebung!

Beitrag von MEMIL » 28.02.2007, 23:30

Wir können leider nicht verleugnen, dass dieses Kuriosum sehr praktisch ist und schafft jedem Abhilfe. Die Behörde freut sich, weil das Inkasso schnell und produktiv läuft (mehr will man nicht), die Mehrheit der Fahrer (zugleich Zulassungsbesitzer und Täter) sind froh, dass sie nicht identifiziert werden müssen und alles läuft reibungslos. Die beide Fälle, die du bereits erwähnt hast, und auch ein paar andere die wir schon vorher hier bearbeitet haben, sind ein Tropfen ins Meer. Das ist die traurige Wahrheit. Zumal ist dieser skurrile Bereich gerade einer der letzte Situationen wo man anonym behandelt wird. Heute zu tag wird man schon bis ins Klo mit Kameras verfolgt und verfilmt. Wir leben in der gläserne Gesellschaft… Es lebt die Anonymstrafverfügung (denken sich sehr viele!)

MfG,

MEMIL






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