Verzicht auf Indexanpassung - konkludent oder nicht?

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Alice3
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Verzicht auf Indexanpassung - konkludent oder nicht?

Beitrag von Alice3 » 14.06.2023, 13:45

Mein Vermieter hat 30 Jahre lang bewusst auf eine Indexanpassung verzichtet,(Altbauwohnung, frei vereinbarter Mietzins).
Der Nachfolger will eine Indexanpassung vornehmen. Ist er im Recht? Oder gilt nach 30 Jahren Verzicht auf Mietzinsanpassung die Wertanpassungsklausel verjährt / konkludenter Verzicht?



alles2
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Re: Verzicht auf Indexanpassung - konkludent oder nicht?

Beitrag von alles2 » 14.06.2023, 15:16

Es gibt die Grundsatzentscheidung, dass man auf die Anpassung nicht verzichtet hat, nur weil die Miete nicht erhöht wurde. Zudem ist der neue Eigentümer nicht an dem gebunden, was mündlich verabredet wurde. Natürlich würde sich die Miete nach 30 Jahren beträchtlich erhöhen. Daher wäre meine Herangehensweise, mit dem neuen Vermieter auszuverhandeln, auf einen Teil der Anpassung zu verzichten. Im Einzelfall könnte man die Sachlage von einem Richter beurteilen lassen und die Analogie zur Ersitzung/Verjährung vorbringen. Doch wegen den beiden anfangs genannten Argumenten kann ich da wenig Hoffnung machen. Also dass neue Eigentümer nicht an ungewöhnliche Nebenabreden gebunden sind. Und die Rechtsprechung besagt, dass man auf eine Mietanhebung nicht dadurch verzichtet hat, indem diese nicht verlangt wurde.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

MG
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Re: Verzicht auf Indexanpassung - konkludent oder nicht?

Beitrag von MG » 14.06.2023, 21:46

7 Ob 672/76
Entscheidungstext OGH 07.10.1976 7 Ob 672/76
Beisatz: Hier: Verzicht auf Erhöhung für die Vergangenheit bei
unbeanstandeter Annahme des nicht erhöhten Mietzinses durch 9 Jahre.
(T1) Veröff: ImmZ 1978,27

4Ob520/76; 4Ob560/77; 1Ob502/78; 7Ob557/79; 7Ob657/84; 5Ob37/90; 6Ob2243/96p; 6Ob170/98p; 2Ob63/08s; 1Ob129/14y
Entscheidungsdatum
24.07.2014
Norm
ABGB §863 CIII
ABGB §986 F
Rechtssatz
Für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf Aufwertung eines wertgesicherten Bestandzinses hinsichtlich erst zu leistender Beträge sind strengere Anforderungen zu stellen als hinsichtlich bereits eingeforderter, gezahlter und unbeanstandet entgegengenommener Beträge (hier mehr als ein Jahr kein all zu langer Zeitraum).

Geschäftszahl
8Ob570/92; 6Ob2243/96p; 6Ob170/98p; 2Ob63/08s; 4Ob3/09h; 5Ob101/11f; 4Ob214/16y
Entscheidungsdatum
25.10.2016
Norm
ABGB §863 CIII
MRG §12 Abs3 Ca
Rechtssatz
Ein schlüssiger Verzicht auf eine vereinbarte Aufwertung ist nur anzunehmen, wenn er bei Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) unzweifelhaft erscheint; an die Annahme eines solchen Verzichtes sind strengere Anforderungen zu stellen.

Geschäftszahl
5Ob641/88; 5Ob117/98m; 1Ob168/13g
Entscheidungsdatum
17.10.2013
Norm
MRG §2 Abs2 Satz3
Rechtssatz
Unter einer Nebenrede zu einem Mietvertrag ist eine Vereinbarung der Vertragsteile zu verstehen, die mit dem Inhalt des Mietvertrages zusammenhängt und nicht bloß gelegentlich des Abschlusses dieses Vertrages vereinbart wurde, die also das betreffende Bestandverhältnis selbst und seinen allfällige nachträgliche Erweiterung, nicht aber anderen von diesem Mietverhältnis nicht mehr umfaßte Umstände regelt.


§ 2 Abs 1, 3. Satz MRG:

Enthält ein Hauptmietvertrag Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts, so ist der Rechtsnachfolger des Vermieters an diese Nebenabreden nur gebunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte.

********************
Aufgrund der übermäßig langen Dauer der Nichteinhebung der Wertsicherung wird man doch argumentieren können, dass es zu einem Verzicht gekommen ist.

Weiters erscheint es mir durchaus relevant, dass der Erwerber des Mietgegenstandes die Tatsache der Nichteinhebung sehr einfach hätte feststellen können und er diese "Nebenabrede daher kannte oder hätte kennen müssen (§ 1 Abs 1 MRG). Als Erwerber ist es üblich Informationen über den Mietvertrag und die inkassierte Miete einzuholen. Wenn man den im ursprünglichen Mietvertrag vereinbarten Mietzins sodann kennt und dann diesen dem aktuellen Mietzins gegenüber stellt, dann muss klar sein, dass die Wertsicherung schon sehr sehr lange nicht geltend gemacht wurde.

Ich sehe daher durchaus Chancen, der Werterhöhung auf Dauer zu entgehen.

Trotzdem könnte ein aktiver Versuch, wie von alles2 angedacht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, sehr klug sein, um klare und sichere Verhältnisse zu schaffen.

In
RA Mag. Michael Gruner
www.vertragsbegleiter.at

Alice3
Beiträge: 9
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Re: Verzicht auf Indexanpassung - konkludent oder nicht?

Beitrag von Alice3 » 16.06.2023, 10:55

Vielen herzlichen Dank für die aufschlussreichen Kommentare.

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