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Verfolgungsverjährung

Verfasst: 30.10.2017, 00:29
von Mr.Schmiedel
Ich grüße Euch,

ich habe an die Spezialisten eine Frage bzgl. der Verfolgungsverjährung.
Bevor der Staatsanwalt Strafbefehl erhebt, muss er prüfen ob die Verfolgungsverjährung bereits eingetreten ist?
Der Strafbefehl wird bevor er für eine Hauptverhandlung zugelassen wird auch von einem Richter auf Verjährung hin geprüft?
Kommt es öfter vor, dass Banken versäumt eingetriebene Schulden durch Strafanzeige nach zig Jahren versuchen einzutreiben?

Im Voraus Vielen Dank an die Spezialisten.

Re: Verfolgungsverjährung

Verfasst: 30.10.2017, 10:17
von lexlegis
Schulden, die nicht über einen gesetzlichen Straftatbestand (zum Beispiel Betrug nach § 146 StGB) angehäuft wurden, können nicht über eine "Strafanzeige eingetrieben werden" (richtig: durch Privatbeteiligung nach § 67 StPO im Strafverfahren gefordert werden). Dies geht aus Art 1 des 4.ZPK EMRK hervor. Demnach ist die Strafverfolgung wegen bloß nicht bezahlter Schulden unzulässig, es sei denn man könnte gleichzeitig einen Betrug annehmen.

Die StA und das Gericht haben nach der Subsumtion auch auf Strafaufhebungsgründe (hier nach § 57 StGB) zu achten (§ 3 Abs 2 StPO). Tun sie das nicht, kann der Angeklagte (oder sein Verteidiger) ein Rechtsmittel einlegen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO).

Re: Verfolgungsverjährung

Verfasst: 31.10.2017, 01:34
von Mr.Schmiedel
Vielen Dank für die schnelle sehr informative Antwort.

Nehmen wir an es wird jemandem Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 3 vorgeworfen (Angeblicher Schaden zwischen 5000 und 9000 €).

Der zur Last gelegte Tatzeitpunkt wäre vor 11 Jahren gewesen.

Der Beschuldigte wäre nach diesem Zeitpunkt ins Ausland abgewandert und nie vernommen worden.

Da müsste doch eigentlich die Verfolgungsverjährung §57 StGB greifen.

Hat evtl. §58 StGB eine ausschlaggebende Bedeutung für Strafantrag und Einberufung einer Hauptverhandlung?

Dieser Paragraph wurde ja in der Vergangenheit geändert.

Re: Verfolgungsverjährung

Verfasst: 31.10.2017, 10:58
von lexlegis
Zunächst ist gemäß § 61 Satz 2 StGB ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Hierbei wird das Delikt nach § 153 StGB aus dem Jahre 2006 (vor 11 Jahren) mit dem aus dem Jahre 2017 verglichen. Die Beurteilung der Strafbarkeit erfolgt nach dem Delikt, das für den Täter günstiger ist (lex mitior). Sind die Auswirkungen gleich geblieben, so ist der Sachverhalt nach neuem Recht zu beurteilen.

Die Strafdrohung des § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB 2006 ist mit jener des § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB ident.

Sie beträgt bis zu 3 Jahre.

Gemäß § 57 Abs 3 dritter Fall StGB beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgung 5 Jahre.

§ 58 Abs 3 StGB zielt unter anderem darauf ab diese Frist zu hemmen, wenn bereits Verfolgungshandlungen gegen den Beschuldigten unternommen wurden.

Wenn dem Verdächtigen erst eine Ladung für eine Beschuldigtenvernehmung geschickt wurde, so reicht dies mE nicht aus den Hemmungsgrund nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB anzunehmen. Die Einberufung einer Anklage hingegen schon.

Der Schadenersatzanspruch des Beschädigten verjährt gemäß § 1489 Satz 2 dritter Fall ABGB nach 30 Jahren.

Re: Verfolgungsverjährung

Verfasst: 31.10.2017, 12:51
von Mr.Schmiedel
Vielen Dank für die schnelle Antwort.

Da dem Beschuldigten in 11 Jahren nichts im EU-Ausland von den Ermittlungsbehörden zugestellt wurde, und auch kein Zwang über Amtshilfe ausgeübt wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass die Verfolgungsverjährung greift.?

Da frage ich mich allerdings, warum man dennoch eine Hauptverhandlung einbestellt, wenn man genau weiß, dass Verjährung eingetreten ist.

Ist das nicht unfair gegenüber dem Steuerzahler, Welcher das mitfinanziert?

Ist es möglich, dass bei Fernbleiben des Beschuldigten ein Versäumnisurteil zu Ungunsten des Beklagten ergeht?

Es ist schon verwunderlich, dass große Finanzinstitute solch einen Einfluss auf die Justiz ausüben können.

Re: Verfolgungsverjährung

Verfasst: 31.10.2017, 17:16
von lexlegis
Ein Abwesenheitsurteil ist nur möglich, wenn der Angeklagte zum Anklagevorwurf bereits vernommen wurde (§ 427 Abs 1 StPO).