Auskunft über Urkundenfälschung

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Sebastian M?ller
Beiträge: 2
Registriert: 27.02.2017, 21:49

Auskunft über Urkundenfälschung

Beitrag von Sebastian M?ller » 27.02.2017, 21:54

Hi Leute,
mein Name ist Sebastian Müller und ich bin Lehrer an einer Polytechnischen Schule in einer kleinen Gemeinde. In der letzten Zeit ist es immer häufiger vorgekommen, dass unsere 15-17 jährigen Schüler und Schülerinnen gefälschte Ausweise anfertigen, um so Zutritt zu verschiedenen abendlichen Veranstaltungen zu erlangen. Oft fallen diese gefälschten Ausweise am Einlass auf, da wir jedoch, wie Eingangs erwähnt, in einem kleinen Ort leben, werden solche Vorfälle meist nicht der Polizei, sondern legindlich uns, der Schule, und den Eltern gemeldet, weshalb sich die Betroffenen über die strafrechtlichen Konsequenzen meist gar nicht bewusst sind.

Da viele Schüler allerdings nach Abschluss ihrer Schulausbildung an der Polytechnischen Schule zur weiteren Ausbildung in die nächst größere Stadt pendeln oder teilweise sogar dort hinziehen werden, haben wir im Schulgemeinschaftsausschuss beschlossen, eine "Aufklärungsaktion" bezüglich Fälschungen von Ausweisen zu starten, um unsere Schüler über die strafrechtlichen Konsequenzen dieses vermeintlichen Kavelliersdelikt aufzuklären.

Da ich über keinerlei juristische Ausbildung verfüge, den Schüler allerdings dennoch keine falschen Informationen unterbreiten möchte, würde ich freundlich um Auskunft über die strafrechtlichen Konsequenzen folgender Sachverhalte bitten:
Bei einer "klassischen" Fälschungen eines Schülerausweis liegt klar das Delikt der Urkundenfälschung vor, wie sieht es allerdings in den folgenden zwei Fällen aus?

-Fälschung einer Passkopie.
Eine gefälschte Passkopie ist auch nur mit geringen Computerkenntnisse einfach zu bewerkstelligen, fällt das jedoch unter Urkundenfälschung?

-Ausweis mit falschen Angaben von Privatanbietern
Viele Anbieter (z.B. https://www.isic.at ) stellen für wenig Geld verschieden Ausweise aus, ohne die Richtigkeit der Angaben ausreichend zu überprüfen. Erneut die selbe Frage, handelt es sich um Urkundenfälschung oder legindlich um das Delikt der z.B. Täuschung?


Ich möchte mich bereits im Voraus für eure Hilfe bedanken!

LG Sebastian Müller



Das_Pseudonym
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Registriert: 29.02.2016, 20:39

Beitrag von Das_Pseudonym » 27.02.2017, 23:46

Mein Tipp quäle die suche: http://ris.bka.gv.at/

lexlegis
Beiträge: 1186
Registriert: 01.07.2013, 19:24

Beitrag von lexlegis » 28.02.2017, 00:39

Um das Delikt der Urkundenfälschung ausreichend erläutern zu können, sollte zunächst geklärt werden, was eine Urkunde ist.

Nach der Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 7 StGB ist eine Urkunde eine Schrift, die errichtet worden ist, um ein Recht oder ein Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen.

Nun nehmen wir Alltagsbeispiele:

Eintrittskarte zu Konzert: begründet das Eintritts- Teilnahmerecht am Konzert = Urkunde

Fahrkarte in der Straßenbahn: Begründet das Recht die Leistung aus dem Beförderungsvertrag in Anspruch nehmen zu dürfen = Urkunde

Reisepass: Begründet das Ein- und Ausreiserecht = Urkunde (besonders geschützt nach § 224 StGB).

Testament: Erbrecht = Urkunde (besonders geschützt nach § 224 StGB)

Reisepasskopie:

Wurde die Reisepasskopie errichtet um ein Recht oder ein Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, könnte sie den Urkundencharakter besitzen. Daher wäre die Kopie unter Umständen ein taugliches Tatobjekt und die Veränderung des Geburtsdatums tatbestandsmäßig nach § 223 Abs 1 zweiter Fall StGB.

Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die falsche oder verfälschte Urkunde als Tatobjekt einen "scheinbaren Echtheitscharakter" haben muss, also nicht offensichtlich eine Kopie oder Fälschung sein darf.

Die offensichtliche Kopie eines Reisepasses erfüllt nicht den Urkundencharakter des StGB. Dass Organisationen solche Kopien von sich aus als Beweis eines Rechtes (Altersverifikation) gelten lassen, gibt der Kopie trotzdem keinen durch die allgemeine Rechtsordnung zugedachten und signifikanten Urkundencharakter. Die elektronische Änderung der Daten einer Reisepasskopie ist also nicht tatbildlich im Sinne des § 223 Abs 1 zweiter Fall StGB. Wird mit dieser Kopie ein anderer getäuscht und dadurch an seinen Rechten absichtlich geschädigt, kommt § 108 Abs 1 StGB in Betracht.

Inhaltlich falsche Ausweise von Privatanbietern sind unter Umständen sogenannte Lugurkunden:

Lugurkunden sind echte Urkunden (von einem hierzu berechtigten Aussteller) mit falschem Inhalt. Diese sind dann nicht Tatobjekt des § 223 StGB.

Bei einer Urkundenfälschung täuscht der Täter über den Aussteller.

Ist der Aussteller berechtigt, aber der inhalt der Urkunde unwahr, liegt keine Urkundenfälschung, sondern eine straflose Lugurkunde vor.

Ohne Täuschung über die Identität des Ausstellers ist die Herstellung einer daher echten, bloß inhaltlich unrichtigen Urkunde (sogenannten Lugurkunde) für sich allein nur unter dem Aspekt der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB strafbar, wozu jedoch die vorgesehen Verwendung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren erforderlich ist. 

Zur Veranschaulichung:

1. A möchte nicht arbeiten und fälscht zu Hause mit seinem Computer eine Krankenstandsbestätigung. Er druckt diese aus und will sie seinem Chef vorlegen.

Hier liegt Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 erster Fall StGB vor. A hat eine falsche Urkunde (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB) mit dem Vorsatz, dass diese im Rechtsverkehr gebraucht werde, hergestellt. Er täuscht über die Berechtigung des Ausstellers. A ist kein Arzt.

2. Gleicher Sachverhalt, wie bei 1. doch diesmal nimmt A eine alte (echte) Krankenstandsbestätigung und verfälscht das darauf abgeildete Datum.

Hier liegt ein Vergehen nach § 223 Abs 1 zweiter Fall StGB vor. A hat eine echte Urkunde verfälscht.

3. Gleicher Sachverhalt wie bei 1. doch diesmal bittet A seinen Freund B, der Allgemeinmediziner ist um eine Krankenstandsbestätigung. B stellt ihm diese, obwohl er weiß, dass A nur vorspielt krank zu sein, auch aus. A legt diese am nächsten Tag seinem Chef vor.

Hier wurde kein Tatbestand nach § 223 Abs 2 StGB erfüllt. Es handelt sich um eine echte Urkunde, deren Inhalt unrichtig ist. Dieser unrichtige Inhalt wurde aber von einem berechtigten Aussteller verfasst, daher liegt eine Lugurkunde vor.  

MG
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Beitrag von MG » 28.02.2017, 11:43

@lexlegis: Wie immer an der Grenze zur Dissertation, Respekt!

Nur zur Klarstellung: Der übliche Weg der Ausweisfälschung beim Schülerausweis ist das Verwenden eines "radierbaren Kulis". Die Ausweisformulare kann man ja in der Trafik kaufen, ausfüllen und dann der Direktion zur Unterschrift vorlegen. Danach wird dann das Geburtsdatum "adaptiert".

Den Ausweis verwendet man dann zum Nachweis seines (unrichtigen) Alters. MM nach klare Urkundenfälschung.

Verändert man hingegen z.B. die Kopie eines Ausweises, damit man dann auf der Reisepasskopie älter ist, etc., dann liegt mM nach keine Urkundenfälschung vor, weil diese Kopie gar keine Urkundenqualität hat (s. lexlegis).

Sebastian M?ller
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Beitrag von Sebastian M?ller » 28.02.2017, 19:10

Vielen Dank für eure Hilfe!

Nur, dass ich das richtig verstehe; Die Verwendung von Ausweiskarten, ausgestellt von berechtigten Privatanbietern mit Falschinformation (Lugurkunde) ist, so lange man mir ihr auf der BH keinen z.B. Reisepass zu beantragen (oder ähnliche gerichtliche/behördliche Verfahren) versucht, sondern sie "nur" dem Türsteher zeigt nicht illegal.

Selbiges gilt für die Passkopie mit abgeändertem Geburtsdatum; solange man sie "nur" dem Türsteher vorlegt, stellt das keinen Strafbestand dar, da ja weder der Türsteher noch der Veranstalter an seinen Rechten geschädigt wird, oder?

Demnach würden beide Fälle keine strafrechtlichen Konsequenzen mit sich ziehen.

LG Sebastian Müller

Manannan
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Beitrag von Manannan » 01.03.2017, 11:56

Erfolgt die Verfälschung bzw die Herstellung einer falschen Urkunde vorsätzlich um damit den Türsteher zu täuschen (erweiterter Vorsatz), dann liegt eine strafbare Handlung im Sinne des § 223 Abs 1 StGB vor.

Wir diese Urkunde vom Betreffenden zwar nicht hergestellt, aber im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache (hier Täuschung des Türstehers) gebraucht, dann handelt es sich um eine strafbare Handlung im Sinne von § 223 Abs 2 StGB.


Kurz: Wenn Sie sie dem Türsteher zeigen täuschen Sie damit ein Recht (zB Eintritt als Erwachsener) bzw eine Tatsache (dass Sie nicht mehr unter das Jugendschutzgesetz fallen) vor. Die Handlung ist daher strafbar!

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 01.03.2017, 12:46

Für den Fragesteller:

§ 223 Abs 1 StGB ist ein Tätigkeitsdelikt.

Es genügt die bloße Herstellung einer falschen Urkunde oder das Verfälschen einer echten Urkunde mit dem Vorsatz, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes gebraucht wird.

Der tatsächliche Gebrauch (§ 223 Abs 2) muss für eine Strafbarkeit nach § 223 Abs 1 StGB nicht stattfinden. Wird die Urkunde tatsächlich gebraucht (§ 223 Abs 2 StGB) ist § 223 Abs 1 hierzu materiell subsidiär.

@ Manannan:

Problematisch ist aber, dass die Reisepasskopie keinen von der Rechtsordung zugedachten signifikanten Urkundencharakter entfaltet und ein Ausweis, von einem berechtigten Aussteller mit falschem Inhalt eine Lugurkunde und nicht Tatobjekt des § 223 StGB ist.

Man könnte natürlich damit argumentieren, dass das Beauftragen des Ausstellers, die Ukrunde mit falschen Inhalt zu erstellen, eine Bestimmungstäterschaft nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 1 StGB darstellt. Allerdings hat der OGH klargestellt, dass es sich um keine falsche Urkunde handelt, wenn nur der Inhalt unwahr ist und nicht über die Identität des Ausstellers (siehe Beispiel oben) getäuscht wird.

Sollte also ein Schüler für die Erstellung der Urkunde zu Beginn bewusst falsche Daten hergeben und diese echte Urkunde nach Ausstellung nicht nachträglich verfälschen, handelt es sich um eine echte Urkunde mit falschem Inhalt (Lugurkunde) und nicht um eine falsche oder verfälschte Urkunde. Voraussetzung hierfür ist, dass der Aussteller berechtigt ist (12 Os 175/96 )

14 Os 156/94
Entscheidungstext OGH 31.01.1995 14 Os 156/94
Beisatz: Ohne Täuschung über die Identität des Ausstellers ist die Herstellung einer daher echten, bloß inhaltlich unrichtigen Urkunde (sogenannten Lugurkunde) für sich allein nur unter dem Aspekt der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB strafbar, wozu jedoch die vorgesehen Verwendung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren erforderlich ist. (T4)

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