StPO - Anklagegrundsatz (Identität der Tat)

Diskutieren Sie über allgemeine rechtliche Themen.
Antworten
a684dd572b1887661782981659331eed_82
Beiträge: 18
Registriert: 30.10.2016, 17:52

StPO - Anklagegrundsatz (Identität der Tat)

Beitrag von a684dd572b1887661782981659331eed_82 » 06.12.2016, 14:57

Hallo,

ich habe eine Frage zum Anklagegrundsatz verwickelt in einen kleinen Fall.

Und zwar ist A wegen absichtlich schwerer Körperverletzung sowie wegen Diebstahls angeklagt. Die Diebstahlsanklage stützt sich darauf, dass A dem O in der Straßenbahn eine Geldbörse mit 149€ Inhalt gestohlen habe. In der Hauptverhandlung lässt sich nicht nachweisen, dass B die Körperverletzung tatsächlich begangen hat. Allerdings stellt sich heraus, dass er den O mit Gewalt gegen die Straßenbahnwand gedrückt und ihm auf diese Weise die Geldbörse weggenommen hat. B wird deshalb hinsichtlich der Geldbörse (ohne zusätzliche Anklage) wegen Raubes verurteilt.
Kann B das Urteil anfechten?

Ist es richtig zu sagen, dass es sich bezüglich des Diebstahls bzw. Raubs noch um dasselbe Geschehen handelt, und somit keine Anklageausdehnung erfolgen muss?
Gem § 262 müsste A jedoch rechtlich gehört werden. Da im Sachverhalt diesbezüglich nichts steht, könnte das Urteil mittels Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 8 StPO angefochten werden, oder?
Und bezüglich der Körperverletzung könnte man Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO erheben, da weder mit Schuld- oder Freispruch über diese entschieden wurde?



lexlegis
Beiträge: 1186
Registriert: 01.07.2013, 19:24

Beitrag von lexlegis » 06.12.2016, 22:23

A wird wegen des Verbrechens nach § 87 Abs 1 und wegen des Vergehens nach § 127 StGB angeklagt. Er wird wegen Raubes nach § 142 Abs 1 StGB verurteilt.

Dem SV nach wurde vom SchöffG gemäß § 262 StPO vorgegangen.

Das SchöffG hat A nicht wegen einer neuen Tat (§ 263 StGB), sondern wegen der Tat, die angeklagt war, nicht anklagekonform, sondern gemäß § 262 StPO nach freier Überzeugung anderweitig verurteilt (§ 262 letzter Satz StPO). Da das SchöffG auch für Raub zuständig ist, wurde alles richtig gemacht.

Ihre Ansicht, dass A nicht rechtlich gehört wurde (§ 281 Abs 1 Z 8 StPO), ist ebenso zulässig. Beziehen Sie sich einfach immer auf den SV.

Entweder Sie schreiben: Da im SV nichts anderes steht, wird davon ausgegangen, dass A nicht rechtlich gehört wurde.

Oder Sie schreiben: …. wird davon ausgegangen, dass sich das Gericht gesetzeskonform verhalten hat und die Parteien vor dem Urteil rechtlich gehört wurden

Da weder Schuld- noch Freispruch erfolgte ist das RM nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO in Betracht zu ziehen.

Eine Anfechtungsmöglichkeit für A wäre unter Umständen auch die Subsumtionsrüge nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO.

Es stellt sich nämlich die Frage, ob man den Sachverhalt im Jahr 2016 unter § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB subsumieren und das Verbrechen als minder schweren Raub deklarieren könnte. Nach ständiger Rechtsprechung beträgt die Obergrenze für Sachen geringen Wertes 100 Euro, allerdings bleibt offen, ob dies nicht irgendwann 2016 einmal geändert wurde und der Betrag von 149 Euro nun auch schon unter diese Grenze fällt.

Eine Definition für gewerbsmäßige Fälle kennt das StGB zwar seit 2016 (§ 70 Abs 2 StGB), für die §§ 141 Abs 1 und 142 Abs 2 StGB findet man aber keine Definition im StGB.

Ausgehend von einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate müsste diese Geringfügigkeitsgrenze aber ebenso angepasst worden sein.

Die anderen TBM des § 142 Abs 2 StGB sind jedenfalls problemlos erfüllt.

MfG
lexlegis

a684dd572b1887661782981659331eed_82
Beiträge: 18
Registriert: 30.10.2016, 17:52

Beitrag von a684dd572b1887661782981659331eed_82 » 07.12.2016, 13:51

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Bezüglich der Nichtigkeitsbeschwerde nach Paragraph 281 Abs 1 Z 10 kann ich Ihnen nicht ganz folgen. Bezüglich der Geringfügigkeit würde Paragraph 142 Abs 1 oder Abs 2 zur Anwendung kommen, jenachdem ob 149 € für geringfügig erachtet werden oder nicht. Aber dies wäre doch kein Subsumtionsfehler oder? Im SV ist ja nur von einem Raub die Rede und es wird kein Paragraph bzw. nicht der genaue Absatz angeführt. Bitte um kurze Erläuterung, falls ich falsch liege.

Mfg

a684dd572b1887661782981659331eed_82
Beiträge: 18
Registriert: 30.10.2016, 17:52

Beitrag von a684dd572b1887661782981659331eed_82 » 07.12.2016, 14:13

Und eine zusätzliche Frage hätte ich dann noch:

Wenn sich die Gewaltanwendung jedoch erst nach Rechtskraft des Urteils herausstellt und es sich um 215€ handelt, dann könnte der StA die Wiederaufnahme beantragen, da alle Voraussetzungen gem. Paragraph 356 iVm 352 vorliegen, oder ?

MfG

lexlegis
Beiträge: 1186
Registriert: 01.07.2013, 19:24

Beitrag von lexlegis » 07.12.2016, 15:16

Die Subsumtionsrüge stimmt schon.

OGH: 14Os98/15s

siehe "Subsumtionsrüge"

Für mich persönlich sind die in § 142 Abs 2 StGB gennanten TBM, die sich vom Grunddelikt nach § 142 Abs 1 unterscheiden, auch eher sogenannte Schuldmerkmale, weshalb eine Anfechtung des Urteils gemäß § 281 Abs 1 Z 5a StPO eher denkbar wäre.

Der OGH geht allerdings davon aus, dass, wenn der Sachverhalt eindeutig unter § 142 Ab 1 und Abs 2 StGB fällt, ein Subsumtionsfehler vorliegt, wenn man diesen nur unter § 142 Abs 1 StGB eingeordnet hat.

a684dd572b1887661782981659331eed_82
Beiträge: 18
Registriert: 30.10.2016, 17:52

Beitrag von a684dd572b1887661782981659331eed_82 » 08.12.2016, 15:38

Ok, vielen Dank für die Hilfe!

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 51 Gäste