Pflegevereinbarung

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ER
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Pflegevereinbarung

Beitrag von ER » 14.11.2016, 17:49

Hallo Forum,

ich hätte da so eine Frage. Mein Bruder und ich haben jeweils ein Grundstück von unserem Vater bekommen, wo eine Pflege im Wechsel vereinbart wurde. Leider ist es nie dazugekommen und ich habe Vater alleine gepflegt. Steht meinem Bruder jetzt noch ein Pflichtteil von meinem Grundstück zu?
lg



juristischerratundtat
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Beitrag von juristischerratundtat » 14.11.2016, 18:10

Sehr geehrter Fragesteller,

Die Erbunwürdigkeit würde zum Ausschluss des Erbrechts führen, auch den Pflichteilsrechts.
Erbunwürdigkeit liegt etwa vor bei grober Verletzung der Pflichten zwischen Eltern und Kind, also wenn sie ihre wechselseitigen familienrechtlichen Pflichten vorsätzlich und schuldhaft gröblich vernachlässigen.

Dass eine Pflegevereinbarung nicht eingehalten wurde wird daher nicht ausreichen, man müsste sich schon anschauen warum das der Fall ist.

Jedenfalls zu beachten wird aber auch sein wer denn der gesetzliche Erbe ist und ob zwischen den beiden geschenkten Grundstücken eine große Wertdifferenz besteht, die Berücksichtigung von Schenkungen auf den Pflichtteil funktioniert ja in beide Richtungen.

Haben Sie noch Fragen?

MfG

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 14.11.2016, 18:43

Jodlbauer hat geschrieben:Sehr geehrter Fragesteller,

Die Erbunwürdigkeit würde zum Ausschluss des Erbrechts führen, auch den Pflichteilsrechts.


MfG
Ich denke nicht, dass auch automatisch der Pflichtteil von der Erbunwürdigkeit nach § 540 ABGB betroffen ist. Der Erblasser müsste gemäß § 770 ABGB testamentarisch erklären, dass er dem Noterben auch den Pflichtteil entziehen will.

Ab 01.01.2017 wird die Pflege im Erbrecht mehr berücksichtigt:

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? ... Suchworte=

MfG
lexlegis

ER
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Beitrag von ER » 14.11.2016, 20:14

Vorerst mal Danke.
Grundstücke haben die gleiche Größe.
Für die Pflege meines Vaters habe ich mir Urlaub genommen.
Mein Bruder hat "vergessen", dass er eine Pflegevereinbarung unterschrieb.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 14.11.2016, 20:20

Für welchen Zeitraum wurde diese Pflegevereinbarung unterzeichnet?

ER
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Beitrag von ER » 15.11.2016, 09:03

Vom Datum der Übergabe 1988 bis zum Tode. Verstorben 2015.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 15.11.2016, 14:59

Gibt es Testament? Wenn ja, wer ist dort als Erbe eingesetzt?

juristischerratundtat
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Beitrag von juristischerratundtat » 15.11.2016, 15:26

ad Erbunwürdigkeit und Pflichtteil: 2007 hat der OGH das zumindest noch so gesehen, vgl. 6Ob286/07p. Das referenziert zwar ältere Rsp, es ist aber anzunehmen, dass das noch gültig ist.

Das neue Erbrecht berücksichtigt die Pflege zwar mehr, das hilft in diesem Fall aber aus mehreren Gründen leider nicht weiter, vorrangig da Ihr Vater bereits 2015 verstorben ist.

Es wird darum gehen warum Ihr Bruder das "vergessen" hat. Wurde er etwa aufgefordert bei der Pflege mitzuhelfen? War er aufgrund familiärer oder beruflicher Verpflichtungen verhindert?

Wenn Sie das noch etwas ausführen können, kann ich Ihnen gerne eine ausführlichere Antwort schreiben.

ER
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Beitrag von ER » 15.11.2016, 17:04

Er hat behauptet, nie eine Pflegevereinbarung unterschrieben zu haben. Diese wurde aber notariell mit der Grundstücksübergabe gemacht.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 16.11.2016, 11:50

Laut OGH ist Erbunwürdigkeit auszuschließen, wenn (zumindest fiktiv) der Enterbungstatbestand des § 768 Z 2 ABGB nicht zum Tragen kommt, da § 540 zweiter Fall ABGB leg cit von einer „gröblichen Vernachlässigung“ spricht und daher allenfalls enger, keinesfalls jedoch weiter zu sehen ist als jener des § 768 Z 2 ABGB.

Denkbar wäre laut der Entscheidung eine weitgehende Identität dieser Tatbestände.

Demnach müsste für § 540 zweiter Fall ABGB (zumindest fiktiv) der Tatbestand des § 768 Z 2 ABGB erfüllt sein (OGH: GZ: 7Ob505/95 (vorletzter Absatz)).

Hat also keine echte Notstandssituation für den Erblasser, in welcher er von seinem Kind hilflos gelassen wurde, bestanden, ist auch Erbunwürdigkeit nach § 540 zweiter Fall ABGB auszuschließen.

Anzumerken ist jedoch, dass diese Entscheidung aus dem Jahr 1995 ist.

MfG

lexlegis.

ER
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Beitrag von ER » 17.11.2016, 14:11

Wenn ich das richtig verstehe, hätte man gar keine Pflegevereinbarung abschließen brauchen. Der, der alles macht, bleibt sowieso über.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 17.11.2016, 21:34

Eine rechtmäßige Enterbung hat durch den Erblasser nicht stattgefunden. Für Erbunwürdigkeit reicht das Nicht-Einhalten einer Pflegevereinbarung vermutlich nicht aus, außer der Erblasser hat sich wirklich in einem echten Notstand befunden. Zu eruieren wäre, ob das Nicht-Einhalten einer Pflegevereinbarung als gröbliche Vernachlässigung der familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Erblasser ausgelegt werden kann.

Eine Art „Lohn“ aus dem Erbe für die Pflege des Erblassers zu Lebzeiten, steht dem Pflegenden leider erst ab 2017 zu.

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