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Pflichtanteil bei Erbe

Verfasst: 07.02.2014, 12:35
von Tom3
Hallo!

Folgendes Beispiel:

Der unverheiratete Erblasser E hat zwei erwachsene Kinder: K1 und K2. Zu K1 hat er ein gutes Verhältnis, weshalb er diesem so viel wie möglich hinterlassen möchte. Zu K2 hat er kein gutes Verhältnis (seit zehn Jahren kein Kontakt mehr wegen Streit, und auch eine etwaige Pflege wird K2 keinesfalls übernehmen), weshalb er diesem so wenig wie möglich hinterlassen möchte. Auf wie viel kann E den Pflichtanteil für K2 reduzieren?

Kann ein fehlender Kontakt zu K2 nach dessen 20. Lebensjahr eine Senkung des Pflichtanteils rechtfertigen? Kann die verweigerte Pflege eine Senkung des Pflichtanteils rechtfertigen?

Wie viel müsste K2 bei einer Erbmasse von 100.000 Euro in diesem Fall bekommen?

Vielen Dank im Voraus

Tom

Verfasst: 07.02.2014, 13:45
von lexlegis
Der Erblasser sollte zunächst ein Testament aufsetzen in dem er das gesamte Erbvermögen K1 vermacht. Der Erblasser muss in der letzten Anordnung seine Kinder bedenken (§ 762 ABGB). Der Pflichtteil des übergangenen Erbens (K2) beträgt gemäß § 765 ABGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ex lege fällt den Kindern, wenn kein Ehegatte vorhanden ist, gemäß § 732 ABGB das ganze Erbvermögen zu. Das bedeutet die beiden Nachkömmlinge des Erblassers würden je die Hälfte bekommen. Da es ein Testament gibt und keine gesetzliche Erbfolge und der Erblasser K2 nicht im Testament bedacht hat, bekommt dieses nur den Pflichtteil, somit ein Viertel des gesamten Erbvermögens.

Kurz: Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil wäre hier die Hälfte des Erbvermögens (da nur 2 Kinder). Der Pflichtteil von K2 beträgt somit ein Viertel des Erbvermögens.

Gemäß § 773a ABGB kann selbst dieser ausgemessene Pflichtteil noch einmal um die Hälfte gemindert werden, wenn K2 und der Erblasser zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis standen. Wie der Wortlaut schon sagt muss es so sein, dass zu keiner Zeit (nicht bloß einen gewissen Zeitraum über) ein Naheverhältnis bestanden hat. Meiner Meinung nach reicht für eine Pflichtteilsminderung ein Fehlen eines Kontaktes zum Erblasser ab dem 20. Lebensjahr des Kindes nicht aus, wenn zuvor eine emotionale und auch innige Vater-Kind-Beziehung bestanden hat.


Über ein Naheverhältnis zwischen Vater und Kind, wie es in der Familie gewöhnlich üblich ist:

GZ: 1Ob155/04g