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Unterbringung einer fremden Minderjährigen

Verfasst: 30.12.2013, 15:00
von Sven Strassgschwandtner
Sachverhalt: Eine Minderjährige übernachtet nach einem Streit mit der Mutter bei einer Freundin, ohne Absprache mit der Mutter.

Frage: Machen sich hier die Mutter oder die Mutter der Freundin in igend einer Form strafbar? Ich habe so etwas gehört, konnte aber noch keinen § ausfindig machen (ABGB, Jugendgesetz, etc.), in dem da was stehen könnte.

Bitte bei Antwort auch den Hinweis auf die entsprechende Rechtsvorschrift.

Danke!!! :?:

Verfasst: 30.12.2013, 16:06
von lexlegis
Vorbemerkung:

Bitte seien Sie beim Rechtsbegriff „strafbar“ sehr restriktiv, denn wirklich strafbar ist nur ein Verhalten, das in die Strafgesetze des Strafrechts oder des Verwaltungsstrafrechts fällt. Das ABGB, welches rein zivilrechtlicher Natur ist, sieht keine Sanktionen (Geld- oder Freiheitsstrafe), sondern viel mehr gewisse Ansprüche, Rechte und Pflichten (gegenüber Personen) vor, insbesondere in den Bereichen Familienrecht (hier: § 162 Abs 1 iVm § 183 Abs 1 ABGB), Erbrecht, Vertragsrecht, Schadenersatzrecht, Personenrecht und Sachenrecht.

Subsumtion des Sachverhalts unter einen gesetzlichen Tatbestand:

Tatbestandsmäßigkeit:

In Betracht käme der strafrechtliche Tatbestand der Kindesentziehung nach § 195 Abs 1 StGB.

Hier wäre der letzte Deliktsfall in Betracht zu ziehen (…oder ihr dazu Hilfe leistet). Es handelt sich um ein Dauerdelikt, daher ist die Aufrechterhaltung des verpönten Zustandes (der Entziehung des Kindes) strafbar. Eine Beteiligung (§ 12 dritter Fall StGB) ist somit jederzeit möglich, auch durch Unterlassen (§ 2 StGB); wenn die Eltern der Freundin nichts dagegen unternehmen machen sie sich strafbar. Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes muss der maßgebende Kontakt zwischen dem Minderjährigen und dem Erziehungsberechtigten entscheidend unterbrochen werden. Der bloße Ungehorsam des Kindes, bei einer Freundin gegen den Willen der Mutter für eine Nacht zu schlafen erfüllt dieses Kriterium noch nicht. Allerdings haben die Eltern der Freundin, auf Verlangen der Mutter des Kindes, dieses sofort freizugeben, ansonsten ist der Tatbestand erfüllt.

Darüber hinaus spielt das Alter des Kindes eine Rolle. Mindejährig ist wer, das 18 LJ noch nicht vollendet hat (§ 21 Abs 2 ABGB und § 74 Abs 1 Z 3 StGB). Hat das Kind allerdings das 16 LJ vollendet, kann es nicht Tatobjekt des § 195 Abs 1 StGB sein, denn dieser spricht explizit von Personen unter 16 Jahren.

Strafbarkeit:

Beachten Sie außerdem noch die Strafausschließungsgründe des § 195 Abs 4 und Abs 5 StGB.

Strafprozessrechtliche Aspekte:

Die Tat ist ein Ermächtigungsdelikt (§ 195 Abs 3 StGB). Danach muss die Mutter des Kindes als Erziehungsberechtigte der StA die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen. Die Anzeige bei der Polizei ist bei einem Ermächtigungsdelikt noch keine Ermächtigung zur Strafverfolgung; diese ist gesondert einzuholen (§ 92 StPO).

Verfasst: 01.01.2014, 20:17
von Manannan
Abhängig vom Sachverhalt könnte auch entschuldigender Notstand iSv § 10 Abs 1 StGB vorliegen. Diesfalls wäre Straffreiheit gegeben.

Verfasst: 07.01.2014, 15:42
von Sven Strassgschwandtner
Vielen Dank für die Hilfe! Ich weiß, der Rechtsbegriff "strafbar" in Verbindung mit dem ABGB war natürlich quatsch. Aber ich habe auch im STGB nicht auf Anhieb den § gefunden, der mir nun genannt wurde!

Nachmals danke!