StGb §206 Abs.1 - Frage nach Anklage

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tiggerle
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StGb §206 Abs.1 - Frage nach Anklage

Beitrag von tiggerle » 25.10.2011, 20:34

Hallo,

ich habe mich schon etwas informiert, bin mir aber nicht sicher, ob dies das richtige Forum dafür ist. Ein besseres habe ich bislang noch nicht gefunden. Hintergrund meiner Frage ist folgende: Mitte/Ende der 1990er hat ein Missbrauch nach §206 Abs.1 statt gefunden, und ich glaube der Täter war damals schon volljährig.

Jetzt stellt sich für mich die Frage, wenn das heute zur Anzeige gebracht wird, würde nach heute geltender Fassung angeklagt oder nach damals geltender Fassung? In diesem Zusammenhang vielleicht auch relevant: Falls der Täter damals doch noch nicht ganz volljährig war (Altersunterschied trotzdem mindestens 10 Jahre...), hat sich das Jugendstrafrecht seit damals in hier relevanter Hinsicht auch geändert?

Meine zweite Frage wäre, wie ich die damals gültige Fassung finde im ris, das habe ich nämlich nicht geschafft. Ich habe nur diese hier gefunden, die Fassung 1998-2001 im ris, aber nicht die davor gültige.

Und wo finde ich die Kommentare zu den Gesetzen? Es bestehen nämlich Erinnerungslücken und es wäre auch relevant, wie "eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung" damals zu verstehen war, so es schon in dieser Formuleirung auftaucht.

Vielen lieben Dank für jegliche Hilfe im voraus, denn es macht mich ganz schön fertig ...



Hank
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Beitrag von Hank » 28.10.2011, 21:58

In diesem Fall wird wohl Verjährung anzunehmen sein, da maximal zehn Jahre Haft als Rechtsfolge für Beischlaf mit Unmündigen vorgesehen sind, wobei bei Ihnen mit Verlaub wohl eher Unzucht zwischen Unmündigen anzunehmen ist, was wiederum auf die sexuelle Befreiung der 1960er Jahre zurückzuführen sind dürfte - wissen'S eh wie streng die Sitten davor im allgemeinen so waren...

Die anzunehmende Verjährung hat jedenfalls u.a. den Sinn, Ungerechtigkeiten wegen der unvermeidbaren Gedächtnislücken nach so langer Zeit vermeiden zu helfen - Sie sagen ja selber "Mitte/Ende der 90er Jahre hat ein Missbrauch stattgefunden", das betrifft den Zeitraum von immerhin fünf Jahren, Sie können sich also nicht einmal mehr genau an den Zeitpunkt des Delikts erinnern...

Grundsätzlich kann aber niemand wegen eines Delikts verurteilt werden, der zum Zeitpunkt der Tat noch nicht strafbar war, was für Missbrauch selbstverständlich nicht zutrifft.

Jus ist ein Fach wo es mit Kommentaren von der Rechtsprechung (OGH) und der Wissenschaft niemals aufhört - je wichtiger der Fall, desto mehr muss man nachblättern, die Hauptarbeit von Anwälten und Richtern.

Der Massstab für sexuelle Übergriffe ist jedenfalls nach allgemeiner Auffassung in den letzten zehn, fünfzehn Jahren wesentlich strenger geworden. Immerhin war es bei Ihnen noch die Zeit ohne Internet und Mobiltelefon, heute spricht sich alles, egal was, sofort herum, Gleichbehandlung ist längst ein gesellschaftliches Thema nicht nur für Emanzen und Progressive.

Die Frage wird in Ihrem Fall sein, wie massiv der Übergriff damals tatsächlich war, welche Folgen der damalige Übergriff für Ihr heutiges Leben hat, wem damals als Erziehungsberechtigter ein Vorwurf zu machen gewesen wäre, wie sich der Täter weiterentwickelt hat, ob er einschlägige Neigungen hat oder seitdem einen soliden Lebenswandel aufzuweisen hat.

Es gibt mM auch ein Recht auf Jugendsünden und ein Recht auf eine peinliche Vergangenheit, aus denen jeder Beteiligte hoffentlich seine Lehren gezogen hat.

lg Hank 8) 8) 8)

tiggerle
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Beitrag von tiggerle » 04.11.2011, 21:19

Zur Klarstellung: Opfer damals im Volksschulalter, Täter 10-12 Jahre älter. Bei der ganzen Sache geht es jetzt mal primär nicht um die Anklage, sondern darum, ob das juristisch noch möglich wäre - was immerhin sich auch darauf auswirkt, wie verschwiegen es weiterhin behandelt wird.

Bei der Sache gibt es zwei unklare Punkte für mich, nochmals näher ausgeführt: Damals war die Volljährigkeit vor 2001 bei 19 Jahren - gehe ich recht in der Annahme, dass damals das Jugendrecht also bis 19 gegolten hat und würde das, wenn Täter 18 Jahre alt war, zu einer Anklage nach Jugendrecht führen oder richtet sich das nach heute geletendem Ansatz, dass heute das Jugendrecht nur bis 18 gilt?

Weiters sieht die Verjährungsfrist bei Missbrauch heute ganz anders aus und daraus ergibt sich die Frage, wird nach heutiger Verjährungsfrist oder damaliger bemessen?

Verlängerung der Verjährungsfrist: die Zeit bis zur Erreichung des 28. Lebensjahres des Opfers wird bei einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, in die Verjährung nicht mit eingerechnet, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig (d.h. unter 18) war.

Hank
Beiträge: 1527
Registriert: 26.08.2010, 15:39

Beitrag von Hank » 06.11.2011, 01:37

Wesentlich ist was Sie möchten, wie es Ihnen persönlich geht, was Ihnen gut tut. Rechtsschritte können oft Erleichterung und Entlastung bringen.

Über die Rechtslage braucht man sich als Opfer im Strafprozess keine Gedanken zu machen, das wird von Amts wegen erledigt.

Neue Gesetze gelten jedenfalls nie rückwirkend, außer sie sind gleich günstig für den Täter. Die Verjährung wird bei gewissen schweren Delikten an Minderjährigen tatsächlich bis zum 28. Lebensjahr gehemmt, aber der Täter war damals minderjährig, d.h. die heutige Rechtslage wäre für ihn ungünstiger, deswegen wird mM nach damaliger Rechtslage geurteilt.

Wenn es Ihnen ein wirkliches Anliegen ist, schicken Sie eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft oder machen Sie eine Anzeige bei der Polizei, beides ist kostenlos - die Staatsanwaltschaft wird den Fall dann prüfen, Sie vorladen, Anklage erheben oder den Fall zurücklegen. Dann haben Sie auch eine rechtliche Expertise schwarz auf weiß.

Sie sollten sich halt nicht durch die ganzen Medienberichte über sexuelle Übergriffe zu taktischen Erwägungen (Rache, Sensationslust usw.) verleiten lassen - wenn Sie der Meinung sind, das war damals eine Straftat, dann zeigen Sie es an und sonst ist es besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Wenn Sie wegen des damaligen Vorfalls in der Öffentlichkeit schwach angeredet werden, können Sie Anzeige wegen Ehrenbeleidigung oder üble Nachrede erstatten und Schadenersatz wegen erlittener Kränkung verlangen.

lg Hank


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