Nachsichtsverfahren

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mausal
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Nachsichtsverfahren

Beitrag von mausal » 26.02.2011, 14:59

Einen schönen guten Nachmittag,
ich befasse mich soeben mit dem Thema Gewerbeordnung und ganz konkret mit dem Nachsichtsverfahren.
Ich befürchte, dass ich völlig auf der Leitung stehe, aber könnte mir jemand von Ihnen einen kleinen Denkanstoß in die Richtung geben, welche spezielle Problematik sich dabei ergibt?
Vielen Dank im Voraus!!!!



Hank
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Beitrag von Hank » 28.02.2011, 00:45

Sind Sie jetzt die Kirchenmaus oder die Schulmaus oder die Unimaus...?

Das Nachsichtsverfahren - wie das Wort schon andeutet - ist bei der Gewerbeanmeldung oft einmal für den Antragsteller hilfreich, wenn er gewisse Voraussetzungen nicht erfüllen kann, d.h. wenn gewisse Gewerbeausschließungsgründe wie Konkurse oder Vorstrafen vorliegen.

Oder wenn man gewisse Befähigungsnachweise nicht erbringen kann, kann die Behörde eine individuelle Prüfung zulassen und einem die fehlenden Bescheinigungen nachsehen.


Eine Nachsicht von den sogenannten Ausschlussgründen ist dann z.B. zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

Prof. Hank 8) 8) 8) 8)

mausal
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Beitrag von mausal » 28.02.2011, 20:00

Ich bin die Fernstudiumsmaus, daher verirre ich mich auch immer wieder hierher... ;)
Danke für die Definition, Hank! :)
Mir ist aber leider trotzdem da die Problematik nicht klar... :oops: ich bräuchte ganz dringend da einen Denkanstoß... :(
Außerdem - gibt es denn überhaupt noch ein Nachsichtsverfahren bei den Befähigungsnachweisen? Ich dachte, das wäre nicht mehr existent?

Hank
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Beitrag von Hank » 01.03.2011, 01:35

Die Problematik ist immer eine Abwägungsproblematik - einerseits hat man freie Berufswahl und die Gemeinden wollen ja, dass sich viele Betriebe ansiedeln, weil dann gibt's Arbeitsplätze und Kommunalsteuer (3 % von der Bruttolohnsumme) bzw. die Gemeinde steht beim Finanzausgleich mit dem Bund besser da je mehr Betriebe Umsatz machen und die jeweiligen BürgerInnen profitieren vom Wirtschaftsstandort mit einem möglichst breiten Angebot.

Andererseits kannst du nicht der Wirtschaft zuliebe einem jeden Dahergelaufenen eine Gewerbeberechtigung erteilen, weil du brauchst erstens einen Gewerbemix, also nicht nur Kebab-Buden und Rosenverkäufer und zweitens sollen die Betriebe möglichst Kontinuität haben und nicht auf- und schon wieder zusperren.

Das Nachsichtsverfahren soll halt möglichst auch Einzelfallgerechtigkeit ermöglichen, wenn also jemand Vorbestraft ist oder schon einen Konkurs gebaut hat, soll eben geprüft werden, ob der Mann oder die Frau nicht doch als verlässlich einzustufen ist, man will ja niemandem unnötig das Leben schwer machen...

Was die Befähigungsnachweise angeht geht es ums Gleiche - abwägen, ob jemand trotz fehlender Diplome und Zettel geeignet ist, ein Gewerbe verlässlich auszuüben. Kann sein, dass man das nicht als Nachsichtsverfahren bezeichnet, sondern als Freie Ermessensprüfung, aber jedenfalls hat die Behörde da einen Spielraum, weil es wie gesagt um den Sinn der Sache geht, nämlich einen starken Wirtschaftsstandort.

Da muss die Behörde pragmatisch sein - soviel Bürokratie wie nötig, sowenig Bürokratie wie möglich. Klar, dass trotz aller Nachsichtsverfahren manche Bewerber abgelehnt werden und sich dann beschweren und zu einem Fall für die Verwaltungssenate werden.

Es ist letztlich eine Belastung für die Beamten, die die Fälle bearbeiten müssen - schnell soll es gehen, Fehler darfst keinen machen, großzügig sollst auch sein und dann kommen entweder die Wirtschaftskämmerer oder die Gemeindepolitiker und machen in die eine oder andere Richtung der Behörde Druck.

So sehe ich die Problematik, sehr geehrte Fernkursmaus.

lg Hank 8) 8) 8) 8)

Andreas Hofer4
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Beitrag von Andreas Hofer4 » 01.03.2011, 09:53

Um eine Gewerbeberechtigung zu erlangen dürfen u.a. keine Ausschlussgründe vorliegen (bestimmte Vorstrafen, Konkursabweisung, div. Finanzvergehen) - liegen solche Ausschlussgründe vor, kann ich kein Gewerbe anmelden. Es besteht aber die Möglichkeit, um Nachsicht vom jeweiligen Ausschlussgrund anzusuchen - § 26 GewO - hier ist geregelt, wann die Behörde dem Ansuchen stattzugeben hat.

Ein völlig anderer Fall liegt vor, wenn es um den Befähigungsnachweis bei reglementierten Gewerben geht (z.B. Handwerke). Für jedes reglementierte Gewerbe ist in einer eigenen Verorndung festgelegt, wann die Befähigung formell vorliegt (z.B. Meisterprüfung od. Befähigungsprüfung). Wenn ich jetzt keinen formellen Befähigungsnachweis gem. einer solchen VO erbringen kann, aber überzeugt bin, auf Grund meines individuellen beruflichen Lebenslaufes und Ausbildung die selben Kenntnisse u. Fähgikeiten zu haben, wie sie für den "formellen" Befähigungsnachweis vorgesehen sind, kann ich nach § 19 GewO um die "Feststellung der individuellen Befähigung" ansuchen. Die Gewerbebehörde hat hier an Hand der beigebrachten Beweismittel (Ausbildungsnachweise, Arbeitszeugnisse, Gutachten) die Befähigung zu beurteilen. Der "individuelle Befähigungsnachweis" ist kein leichterer Zugang zu einem Gewerbe (deshalb auch keine "Nachsicht") sondern nur ein anderer.
TIPP: einige Infos darüber gibt's unter www.wko.at

LG!

mausal
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Beitrag von mausal » 14.03.2011, 18:07

Spät, aber doch wollte ich mich ganz herzlich bei euch beiden für eure Antworten bedanken - hat mir wirklich sehr weitergeholfen!!! :)

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