Ist das Prinzip der Gesetzgebung noch zeitgemäß?

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Kriwetz
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Ist das Prinzip der Gesetzgebung noch zeitgemäß?

Beitrag von Kriwetz » 24.02.2010, 01:41

Als zwar - wie alle anderen - durch die Gesetzgebung im Verhalten "gesteuerter" Mensch, aber als Nichtjurist, habe ich vielleicht den Vorteil, nicht so sehr auf die Paragraphen resp. die "Buchstaben des Gesetzes" fixiert zu sein.
Mit dieser etwas "offeneren" Sicht darauf lässt sich aber auch erkennen, dass "hinter" der gesamten Gesetzgebung, jedem einzelnen Paragraphen, ein Prinzip steht, welches nicht nur völlig realitätsfern ist, sondern auch den alleinigen Grund dafür darstellt, warum es nie zu einer eineindeutigen Beurteilung welches Paragraphen auch immer kommt, sondern immer nur zu den bekannten "Rechtsstreitigkeiten" bzw. - unsicherheiten, und das völlig unabhängig davon, welcher Bereich der Gesetzgebung gerade betrachtet wird.

Der Zugang zu diesem, seither dabei noch gar nicht beachteten Prinzip läßt sich vielleicht so eröffnen, dass jede beliebige "Formulierung" eines Gesetzestextes sich letztlich auf die Definition des "Menschen" an sich zurück führen lässt, diese Definition aber nicht nur nicht eineindeutig, somit nicht mehr interpretierbar im gesetzlichen Kontext auffindbar ist, sondern sogar der Beliebigkeit freigestellt bleibt!?

Mir ist bewusst, dass dieser neue und von den Paragraphen unabhängige Gedanke in diesem sehr spezialisierten Rahmen erst einmal etwas befremdlich erscheinen wird. Allerdings wird er dann sehr praxisrelevant, wenn die gegenwärtige und sicher für jeden offensichtlich bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung hinsichtlich ihrer wirklichen Ursache hinterfragt werden will.
Denn dann würden nicht mehr nur die einzelnen Paragraphen zu beleuchten sein, sondern zu allererst das Prinzip dahinter, nämlich, warum es jeweiligen "Gesetzgebern" dabei frei gestellt bleibt, das Wort "Mensch" im Kontext so zu definieren, wie es wem gerade passt!
Denn genau das ist der Fall, und keiner der Juristen scheint darin ein Manko an der Gesetzgebung an sich zu erkennen!

Ich habe versucht, diese eigentlich banale, aber zentrale Problematik an der gesamten Gesetzgebung am Beispiel des § 16 ABGB zu kommentieren und möchte diesen Kommentar hier noch einmal zitieren:

Zitat;

"Dieser Paragraph bzw. dessen Formulierung ist á priori als realitätsfern und damit aussagelos zu betrachten, weil seine Gültigkeit davon abhängt, wie das Wort "Mensch" zu definieren ist.

Die Substitution im Nebensatz durch das Wort "Person" ändert daran nichts, weil auch dessen Definition nicht so erfolgt, dass dieses dann eineindeutig und nicht mehr interpretierbar ist.

Und realitätsfern ist es deshalb, weil in der Entscheidungspraxis, die letztlich aufgrund der Formulierung gezwungen ist, dieses Definitionsmanko mit Hilfskonstruktionen zu kaschieren, die Definition, somit aber auch jedes Urteil nach Beliebigkeit - um nicht zu sagen: nach Laune eines Richters - für das jeweilige Urteil heran gezogen wird.

Es muss daher gesagt werden, dass dieser Paragraph eine völlig untaugliche Grundlage für Praxis-gerechte Entscheidungen darstellt.

Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang in erster Linie nicht die Frage, wie dieser Irrtum durch Korrektur der Formulierung beseitigt werden könnte, sondern, warum dieser bereits seit Generationen so tradiert, aber nach wie vor nicht hinsichtlich des Irrtums erkannt wurde.

MfG. Kriwetz"



Aus dieser Sicht ergbt sich aber auch die folgende Konklusio:
nicht die einzelnen Paragraphen der Gesetzgebung sind das eigentlich zu diskutierende "Problem", sondern das Prinzip, aus dem heraus sie so - widersprüchlich - formuliert werden.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass angesichts der gegenwärtigen bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklung auch längst die politischen Parteien von mir darüber informiert wurden, dass ud warum die alleinige Ursache dafür in genau der Fortführung dieses gesetzgeberischen Prinzips, wider besseres Wissen, erklärbar wird/würde.

Auch wenn mir klar ist, dass diese Sichtweise in diesem Rahmen keinen besonderen Anklang finden kann, war es mir dennoch ein Bedürfnis, sie auch hier als Denkanstoss eingebracht zu haben, weil die reale und in jeder Hinsicht für jeden kritische Entwicklung durch weitere Gesetze auf diesem Prinzip nicht nur nicht gestoppt werden kann, sondern damit nur noch beschleunigt wird, weil dieses Prinzip gleichzeitig auch die alleinige Ursache dafür darstellt. :(
Genaueres darüber geht aus meinem Profil hervor bzw. auf meinem diesbezüglichen Blog: http://www.gertkriwetz.wordpress.com/ .

MfG. Gert Kriwetz



Hank
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Beitrag von Hank » 30.08.2010, 22:26

Servus Herr Kriwetz!

Sie sind ein würdiger Diskutant - dass auf Ihr damaliges Posting im Feber niemand reagieren wollte - maulfaul und schreibfaul die ganze Partie...

Jedenfalls - das Österreichische Privatrecht ist eben sehr zersplittert, keine Sau kann sich da wirklich auskennen, viele Definitionen muss man sich mühsam zusammenklauben.

Viele wichtige Rechtsinstitute wie z.B. der Eigentumsvorbehalt sind gesetzlich gar nicht geregelt und werden aus Analogien hergeleitet.

Nebulose Rechtsbegriffe gibt es sowieso viele, "Ehre" zum Beispiel, oder wer oder was ist die "Allgemeinheit"?

Die kodifizierte Gesetzeswirklichkeit ist aber immer auch Abbild der politischen Willensbildung eines Volkes - in Österreich ist eben alles "sehr kompliziert" und misswillig, ständig dieses Quengel-"Jein", so sind wir halt.

Das ABGB hätte ja ursprünglich ein Volksgesetzbuch für den Hausgebrauch sein sollen, aber die heutige Rechtswirklichkeit wird von Rechtsquellen wie den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Statuten, Verträgen usw. völlig überwuchert.

Es gab es auch in Österreich einige Ansätze das positive Recht teilweise zu überwinden, Armin Ehrenzweig oder Eugen Ehrlich wären hier als fortschrittliche Gestalten der Jahrhundertwende zu nennen.

Die Rechtstatsachenforschung ist leider eine unterentwickelte Disziplin in einer recht selbstzufriedenen Rechtswissenschaft geblieben.

Vom Rechtsstaat zum Ethischen Staat? Wir scheitern fast schon am Sozialstaat.

Gruezi
Hank Harrington

Kriwetz
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Beitrag von Kriwetz » 12.10.2010, 18:47

In der vergangenen Woche wurde anlässlich der Abschiebung einer Kosovarischen Familie ein Runder Tisch im ORF abgehalten, an dem u.a. der Menschenrechtsexperte Prof. Nowak und der Verfassungsrechtsexperte Prof. Öhlinger teilgenommen haben.
http://tvthek.orf.at/programs/70010-Run ... or-Gnade-/
Weil dabei – auf den speziellen Fall bezogen – zwar viele Schuldzuweisungen getätigt wurden, aber nicht wirklich was heraus gekommen ist, damit sehr wohl aber das im Threadartikel Gesagte eindrucksvoll in der Praxis bestätigt wurde, möchte ich diesen noch um meine Antwort darauf ergänzen (s. Zitat unten).
Diese erging an Prof. Nowak sowie an eine ORF Redaktion.

Grüße G. K.

P.s.: der sehr geschätzte Hanki Hinterseer scheint schon mit den Vorbereitungen auf diverse Weihnachtskonzerte beschäftigt zu sein… neue MoonBoots kaufen und so… :lol:



Zitat; Schreiben an Prof. Nowak vom 12. 10.

„Sehr geehrter Herr Professor Nowak!

Sie haben im Rahmen dieser Diskussion einige Feststellungen getroffen, die ich nun aufgreifen möchte, um auch Sie auf zwischenzeitlich längst vorliegende neue Erkenntnisse aufmerksam zu machen.

U.a. haben Sie sinngemäß gesagt: ...das entsprechende Gesetz ist schlecht.
Oder auch: ...man versteckt sich dabei hinter einem Gesetz, das man selber gemacht hat...

Das sind für sich alleine sehr richtige, weil ja offensichtliche Feststellungen der Faktenlage, welche allerdings nicht nur auf den Fall dieser Abschiebung alleine bezogen so getätigt werden können.

Worauf ich nun möglichst kurz zusammengefasst hinaus möchte, ist folgendes:
Wie Sie und Ihr Kollege Prof. Öhlinger im Vergleich zur Praxis sicher auch feststellen werden, genügt diese bloße Kritik nicht, um an dieser Praxis was zu ändern oder solche und andere "Fälle" zu verhindern.
Salopp könnte ich sagen: die Theorie hinkt der Praxis offensichtlich ganz erheblich hinterher.

Das ist nun aber nicht deswegen so, weil dem was "Unabänderliches" im Wege stünde, sondern weil die Argumentation nicht stimmt!
Und diese stimmt deswegen nicht, weil ein falscher - bisher nur nicht so erkannter - Ursachenbezug dafür heran gezogen wird, der aber zu kurz greift.
Konkret gesagt: die Feststellung "dieses Gesetz ist schlecht" oder "die Gesetzgeber verstecken sich hinter dem selbst gemachten Gesetz" ist wohl eine richtige Feststellung, bezeichnet aber nicht die Ursache des Problems, sondern stellt nicht mehr dar als eine bloße Schuldzuweisung!

Die Ursache nicht nur für diesen "Fall", die aber erst vor einigen Jahren auch so erkannt wurde, ist nämlich einige Ebenen tiefer angesiedelt, und zwar im Prinzip der Gesetzgebung überhaupt.
Weil die Begründung dafür, warum das auch tatsächlich so ist, sich erst aus einer ganzheitlichen Betrachtung von Zusammenhängen erschließt, die seither nur nicht so betrachtet wurden und diese hier in der Kürze nicht so konzentriert darstellbar sind, dass sie sofort einsichtig sein würden, darf ich Sie auf den entsprechenden Blog verweisen, den ich darüber publiziert und der allgemeinen Diskussion zur Verfügung gestellt habe:
http://www.gertkriwetz.wordpress.com/

Dem ORF, aber auch allen politischen Parteien sind diese Erkenntnisse seit zehn Jahren längst und vielfach zur Mitkenntnis gebracht worden, dort also auch längst bekannt.
Ich gehe davon aus, dass dies alles für Sie neu ist, kann allerdings jenen Institutionen (wie eben auch dem ORF), den Vorwurf der Heuchelei nicht ersparen, die angesichts der desaströsen gesellschaftlichen Entwicklung eindringlich seit zehn Jahren bereits darauf hingewiesen wurden.
Das nämlich deswegen, weil zwar die "Fälle" aller Art rapide zunehmen und eskalieren, aber weiterhin an allen möglichen runden, eckigen, langen und kurzen Tischen zwar die Empörung darüber stundenlang ausgebreitet, nie aber auf die Ursache Bezug genommen wird.
Auf diese Weise haben sich dann zwar wieder welche "Redakteure", "Politiker" u.ä. "wichtig" machen können, die betroffenen Menschen - die so genannten "Fälle" - haben allerdings noch nie etwas davon gehabt!
Ganz im Gegenteil...

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gert Kriwetz e. h.“

(Zitat Ende)

Hank
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Beitrag von Hank » 12.10.2010, 21:39

An runden Tischen im Kreis reden und dann alles auf die lange Bank schieben - das ist Österreich. Jeder ist wichtig, keiner will aber dann verantwortlich sein. Wir haben zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer in Ö-Reich.

Sie Herr Kriwetz reden von zehn Jahren, in Wirklichkeit war es in den 50er und 60ern sicher ärger, da haben die beiden Parteien angefangen sich die Republik nach dem Proporz-Prinzip aufzuteilen und aus allem haben sie ein Verfassungsgesetz gemacht, die man mit den heutigen Mehrheitsverhältnissen nicht mehr abderschafft.

Aber noch ist es in Österreich nicht so weit, dass sich das Recht an die Politik anzupassen habe, wie viele Politiker ganz selbstverständlich meinen und die Bevölkerung auch, die glaubt ja, die Politik kann alles möglich machen.

Und was glauben Sie was der ORF für ein rot-schwarzer Verein ist?

In meiner diesjährigen Weihnachtsshow à la turca werde übrigens ich als türkischer Weihnachtsmann "Noel Baba" auftreten und Fell-FlipFlops und rote Unterwäsche verteilen und dazu singe ich "I'm from Austria"

Herzlichst Hanki Hinternseher 8) 8) 8)

Kriwetz
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Beitrag von Kriwetz » 12.10.2010, 23:43

Zitat
Sie Herr Kriwetz reden von zehn Jahren, in Wirklichkeit war es in den 50er und 60ern sicher ärger, da haben die beiden Parteien angefangen sich die Republik nach dem Proporz-Prinzip aufzuteilen und aus allem haben sie ein Verfassungsgesetz gemacht, die man mit den heutigen Mehrheitsverhältnissen nicht mehr abderschafft.


Ja, lieber Hanki :-), das stimmt schon. Bis auf die Tatsache, dass diesen Leuten damals die Argumente gefehlt haben, das alles anders lösen zu können als es dann „passiert“ ist.
Daher versuche ich auch immer, den sachlichen Aspekt der Diskussion auf das JETZT zu konzentrieren und nicht auf „die Vergangenheit“ z. B. ablenken zu lassen.

Es würden sich ja die lustigsten Ablenkungsmanöver auf allen Ebenen aufzeigen lassen, nur, um sich nicht dem HIER und JETZT und den aktuellen eigenen und lokalen „Problemen“ widmen zu müssen.
Ein Paradebeispiel dafür – unter vielen möglichen - wäre ja der so genannte „Feminismus“, der, von den USA ausgehend ( no na :lol:) die „Rechtfertigung“ dafür, „die Männer“ HIER und JETZT und bereits von Kindheit an deswegen als Gewalttäter pauschal zu diskreditieren, mit dem Scheinargument an den Schamhaaren herbei zieht, dass sich welche in Hinterkuschien : -) ja so verhalten würden… findet aber alles bereits in den Gesetzen HIER so seinen Niederschlag.
Die Folgen davon noch gar nicht betrachtend…

Es gäbe aber noch viel an Lustigem in diesem Kuriositätenkabinett „aufzuklären“.

Zum Grundsätzlichen stell´ ich noch was auf Ihren Thread.

LG G. K.

P.s.: Zu Ihrer Weihnachtsshow bitte aber dann auch die entsprechenden DessertBoots zu tragen… :lol:

Hank
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Beitrag von Hank » 15.10.2010, 23:06

Des Menschen Thron wankt! Subjekt am Siedepunkt! Aufschrei der Kreatur! Und wenn die Tragödie dann groß genug wird, wird man darüber lachen, so wird es laut Nietzsche schon noch kommen!

Wahrscheinlich sowas wie damals 1938, als Orson Wells' Hörstück "The War of the Lords" in den USA eine Massenpanik auslöste, nur halt viel heftiger mit den Möglichkeiten von heute.

Bis dahin beschränken wir uns aber darauf, der Mittelmäßigkeit Genüge zu tun, und das nicht zu knapp, was uns allen sicher nicht schwerfallen dürfte, oder?

In der Schweiz erhielten die Frauen erst 1971 das Wahlrecht bei Bundesratswahlen, müssen sich das einmal vorstellen, das nur nebenbei zum Thema "Feminismus".

Wie sagte schon Dr. Hamish Watson, der Assistent von Sherlock Holmes, dem berühmtesten Detektiven in der Geschichte: "Es geht im Leben darum, sich für die Sternstunden bereit zu halten - be prepared!"

Bei der Weihnachts-Show werde ich übrigens mein brandneues Permanent-MakeUp präsentierten!

Herzlichst Hanki Hinternseher 8) 8) 8) 8)

Kriwetz
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Beitrag von Kriwetz » 16.10.2010, 10:12

: -) Eben. Wozu also noch ins Kino gehen? Das Live- bzw. life-Drehbuch übertrifft Spielberg bei weitem… lol

LG G. K.

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