Lärmbelästigung durch Betriebsraum im Wohnhaus

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Lärmbelästigung durch Betriebsraum im Wohnhaus

Beitrag von den » 13.11.2023, 19:39

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wohne in einer Eigentumswohnung in einem Wohnhaus (Neubau ca. 25 Jahre alt) und zwei Stockwerke unter mir befindet sich ein Betriebsraum, der laut Baupolizei als Geschäft gewidmet ist (davor wars ein Supermarkt).
Nun haben die Eigentümer dieses Betriebsraumes diesen einfach umbauen lassen zu einem Turnsaal und die neuen Mieter (ein Verein) bieten dort diverse Kurse an (Tanzkurze, Fußball, Kampfsport, Musikunterricht etc. ). Sie können sich vorstellen, dass alle Nachbarn des Wohnhauses nun schwer unter diesem Lärm leiden, da der Raum über keine Trittschalldämmung verfügt. Zwischen mir und dem Raum ist sogar noch eine Wohnung und der Lärm ist trotzdem enorm (teilweise Spitzen von über 50dB mit meinem Handy gemessen, wenn sie unten Fußball spielen).
Ein Gespräch mit den Mietern hat nichts gebracht und sie wollen auch keine Trittschalldämmung einbauen. Die Polizei verweist uns nur auf die Baupolizei da “der Raum wie ein Turnsaal aussieht”. Die Baupolizei hat ein Verfahren eingeleitet, da die Eigentümer des Raumes diesen offensichtlich ohne Umwidmung umgebaut haben und auch bis jetzt keine Genehmigung für eine Umwidmung bei der Baupolizei eingereicht haben. Die Baupolizei sagt uns allerdings, dass dieses Verfahren bei ihnen noch Jahre dauern kann (wir haben im Jänner 2023 die Anzeige bei der Baupolizei erstattet) und uns wurde geraten zivilrechtlich zu klagen.
Meine Frage an Sie:
* Können wir in unserer Situation z.B. mit einer Unterlassungsklage den Lärm beenden oder haben wir da geringe Chancen? (oder kann man irgendwie anders Klagen)
* Wie viel würde das gesamte Verfahren ungefähr kosten (da sich eventuell mehrere Nachbarn bei der Klage zusammentun wollen)

mfg
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MG
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Re: Lärmbelästigung durch Betriebsraum im Wohnhaus

Beitrag von MG » 14.11.2023, 11:41

Nach einer vorausgehenden guten Dokumentation (allenfalls auch unter Beiziehung eines Sachverständigen, der die Lärmbeeinträchtigung fachkundig aufzeichnet und klassifiziert) räume ich einer Unterlassungsklage durchaus Chancen ein.

Das Kostenrisiko ist nur sehr schwer abschätzbar.

Man hat es als Kläger ein wenig in der Hand, weil man den Streitgegenstand ja bewerten muss und dabei durch eine relativ niedrige Bewertung die Kosten dämpfen kann.

Große Unbekannt bei solchen Verfahren sind allerdings die Sachverständigenkosten. Es ist davon auszugehen, dass das Gericht - auch wenn es vorab schon Messungen und Protokolle eines SV gibt - selbst einen SV bestellt. Sachverständigenkosten in solchen Fällen können sich in Bereichen von 5.000,-- -10.000,-- € bewegen, in manchen Fällen auch darüber, je nachdem welcher Aufwand erforderlich ist.

Für die reinen Anwaltskosten würde ich pro Seite rund 4.000,-- bis 5 000,-- kalkulieren (ausgehend von einer Bewertung des Streitgegenstandes mit €20.000,--).

Als Gesamtrisiko bewegt man sich daher hier in einem Bereich von 15.000,-- bis 20.000,-- €. Umso mehr Miteigentümer da mitziehen, umso besser.
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Re: Lärmbelästigung durch Betriebsraum im Wohnhaus

Beitrag von den » 14.11.2023, 22:05

Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort. Ich hätte noch ein paar Folgefragen:

1) Warum dürfen die Mieter in dem Raum machen was sie wollen, obwohl der Raum eindeutig von den Baupolizei als Geschäftslokal genehmigt ist bzw. warum müssen wir uns erst mit einer aufwendigen Unterlassungsklage inkl. Sachverständigen dagegen wehren? Kann der Richter den Mietern nicht untersagen den Raum als Turnsaal zu nutzen, weil dieser eben nicht dafür gewidmet ist?

2) Wie lange würde der Prozess mit der Unterlassungsklage dauern, bis die Lärmbeeinträchtigung gestoppt wird? Würden Sie uns eine Unterlassungsklage enpfehlen, oder sollen wir auf das Verfahren der Baupolizei zur Widmung des Raumes abwarten?

3) Wie würde die Messung durch einen Sachverständigen ablaufen? Die Mieter haben zwar einen Stundenplan, jedoch halten sie sich nicht daran und so ist die Lärmbelästigung nicht immer gleich laut und gleich lang (an manchen Tagen ist es nur ein Stunde, an anderen mehrere Stunden)? Die Frage ist auch wie viele Stunden Lärm pro Tag unzumutbar sind, damit wir den Prozess gewinnen können?
Wir dokumentieren Datum, Uhrzeit und Art des Lärmes in einer Liste schon seit fast einem Jahr. Nützen unsere Notizen dem Verfahren oder braucht es sowieso nur die Messungen eines Sachverständigen? Würde es etwas nützen unsere Notizen mit einer Messung des Lärmes mit unserem Handy zu erweitern?

Verzeihung für die vielen Fragen, aber wir sind schon richtig am verzweifeln.

mfg
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MG
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Re: Lärmbelästigung durch Betriebsraum im Wohnhaus

Beitrag von MG » 15.11.2023, 14:27

Ad1: OB die Mieter das tun dürfen, ist ja gerade die Frage, um die es geht. Die baurechtliche Widmung ist da nur ein Teilbereich.

Ad 2: Im Idealfall verbindet man die Klage mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Ob dem jedoch stattgegeben wird (vor allem dann, wenn der Zustand doch schon einige Zeit andauert...) ist eher unsicher.
Zur Dauer des Verfahrens kann man kaum Prognosen abgeben. Das hängt von zu vielen Faktoren ab.

Ad3: Bei Messungen ohne Wissen der Mieter werden Mikrofone und Sensoren angebracht und elektronische Aufzeichnungen gemacht. Bei Wissen der Mieter gibt es bestimmte Apparate, mit denen zB ein bestimmter Ton in der Halle erzeugt wird und man in den angrenzenden Wohnungen misst, wie "laut" dieser dort zu hören ist, welche Frequenzen durchkommen usw. Und dann gibt es noch so Art "Klopfgeräte", die zB auf den Boden, Wände, Decken etc. "schlagen" und man misst wieder in den angrenzenden Objekten, ob und wie stark diese Geräusche durchkommen.

Danach muss dann der SV dann ausführen, ob sich alles im Rahmen des Zulässigen befindet, oder ob Normen verletzt werden.

Die Frage, ob das überhaupt zulässig ist bzw. wenn ja, innerhalb welcher Tageszeiten usw. ist dann eine Frage, die das Gericht zu entscheiden hat.

Alles in allem ziemlich mühsam, aber wenn Sie gar nichts tun, haben Sie keinerlei Chance, dass sich etwas ändert...
RA Mag. Michael Gruner
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