Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

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Julian85
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Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

Beitrag von Julian85 » 01.08.2023, 10:42

Hallo zusammen, ich bin leider nicht sehr firm in den spezifischen Modalitäten des österreichischen Immobilien- und Bauträgerrechts und bräuchte eine Einschätzung zu folgendem Sachverhalt:

- Bauprojekt mit rund 25 Eigentumswohnungen in der Vermarktungsphase seit Mitte/Ende 2022
- Wir haben Anfang 2023 zugeschlagen, d.h. Finanzierung geklärt und Kaufanbot gemacht
- Gegenzeichnung Kaufanbot durch Verkäufer ist dann im März erfolgt
- Das Projekt scheint sich aufgrund der Marktlage immer weiter zu verzögern, sprich ein Baubeginn ist nicht in Sicht, anscheinend wurden bisher nicht genug Einheiten verkauft
- Somit kam es bislang nicht zu einem Abschluss des notariellen Kaufvertrags, trotz mehrfacher Nachfrage
- Die Finanzierung bleibt daher ein Risiko (die Bank kann die indizierten Zinskonditionen nicht ewig halten) und auch die bereitgestellten Eigenmittel liegen ungenutzt herum

Angesichts dieser Sachlage würden wir gerne vom Kauf zurücktreten. Ist dies problemlos möglich oder kann sich der Verkäufer beliebig Zeit lassen mit der formellen Vertragserrichtung?

Im Kaufanbot steht folgender Passus - ich bin mir nicht sicher, ob er auf die vorliegende Frage anzuwenden ist oder ob es um die Zeitspanne zwischen Anbotslegung und Gegenzeichnung geht:
Gültigkeit: Mit diesem Anbot bleiben die Anbotleger der Anbotnehmerin acht Wochen ab Unterfertigung im Wort.
Danke im Voraus für eure Einschätzung!



alles2
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Registriert: 09.08.2015, 11:35

Re: Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

Beitrag von alles2 » 01.08.2023, 12:33

Ist halt wieder so ein Klassiker, weil:

https://forum.jusline.at/viewtopic.php?f=2&t=16624#p39559

und

https://forum.jusline.at/viewtopic.php?f=2&t=15030#p35622

Wie schwierig es ist, von seinem Rücktrittsrecht wegen Verzug nach § 918 ABGB Gebrauch zu machen, lässt sich auch dort ableiten (Punkt 4 und 5):

https://noe.arbeiterkammer.at/beratung/konsumentenschutz/wohnen/eigentum/ruecktritt_immobiliengeschaeft.html

Der Passus hilft Dir nicht weiter, weil es nur bedeutet, dass der Verkäufer 8 Wochen nach der Unterschrift Zeit hat, das Angebot anzunehmen oder nicht. Der Rücktritt wegen Verzug wäre mit einem fixen Termin leichter durchzusetzen, wenn es einen vereinbarten Fertigstellungstermin oder einen vermutlichen Baubeginn geben würde. Dann könnte man eine Nachfrist zur Einhaltung eines Termins setzen. Ansonsten dem Bauträger reinen Wein einschenken, wonach man provisionsfrei von dem Vertrag zurücktreten werde, sollte dieser die Karten nicht auf den Tisch legen oder sich vor konkreten Informationen drücken. Je nach Verlauf könnte man über die weitere Herangehensweise nachdenken, wobei der Konsumentenschutz der AK intervenierend eingreifen kann.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

Julian85
Beiträge: 3
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Re: Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

Beitrag von Julian85 » 01.08.2023, 14:01

Danke für die schnelle Antwort! Die beiden Foreneinträge hatte ich auch gefunden, ich war aber nicht sicher, ob es sich um eine deckungsgleiche Fragestellung handelt.

Im Kaufanbot ist in unserem Fall kein spätester Übergabetermin o.ä. spezifiziert. Vermutlich ein Fehler unsererseits, ich weiß.
"Die Übergabe/Übernahme des Kaufgegenstandes wird im noch zu erstellenden Kaufvertrag festgesetzt."
Soweit ich im Netz schlau geworden bin, gehört die Terminfrage nicht zu den essentialia negotii eines Immobilienkaufvertrages und das gegengezeichnete Kaufanbot ist somit auch ohne diese Festlegung gültig, korrekt?

Daraus abgeleitet nun die Frage: Kann sich der Bauträger quasi beliebig lange Zeit lassen? Wonach bemisst sich der Eintritt eines Verzugs gemäß §918, wenn im Vertrag selber kein Termin genannt wird? Es wurde natürlich mündlich über einen voraussichtlichen Baubeginn gesprochen und in den Prospekten standen ebenfalls Indikationen. Können diese Begleitumstände des Vertragsabschlusses zur Auslegung herangezogen werden?

Einvernehmliche Auflösung wäre natürlich ideal, aber ich möchte vorab schauen, wo ich bei einem Konflikt stehe.

alles2
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Re: Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

Beitrag von alles2 » 01.08.2023, 15:02

Das mit den fixen Terminen ist kein absolutes Muss, würde jedoch die Sache um ein Vielfaches leichter machen. Daher habe ich erläutert, wie man weiter vorgehen könnte (angemessene Nachfristsetzung, Konfrontation des Verkäufers mit dem Rücktritt und Herbeiführung einer einvernehmlichen Beendigung). Da geht es um das Kreieren wichtiger Gründe, um notfalls auch vor Gericht einen Rücktritt erwirken zu können. Dies könnte gegeben sei, wenn sich der Vertragspartner als unfähig erweist, dem Auftrag nachzukommen und sich an Vertragsbedingungen zu halten oder dessen treuwidriges Verhalten belegbar und das Vertrauen in ihn berechtigterweise erschüttert ist. Stellt man jedoch nicht den Kontakt mit ihm her und kann so nicht festgestellt werden, ob er überhaupt ernsthaft gewillt ist, das Bauprojekt zu einem Abschluss zu bringen, wird man noch weniger etwas gegen ihn in der Hand haben.

Eine Vertragsanfechtung kann auch bei einem wesentlichen Irrtum geboten sein (Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB). Das könnte der Fall sein, wenn Ihr (bspw. durch das Inserat) in dem Glauben gelassen worden seid, dass die Wohnung heuer bezugsfertig sein wird, was (zur Untermauerung) z.B. die Auflösung eines Mietvertrages zur Folge hatte. Aber da möchte ich mich nicht zu weit rauslehnen und verweise stattdessen auf folgenden Beitrag (wenn wir schon beim Lateinischen sind):

https://forum.jusline.at/viewtopic.php?f=2&t=23939&p=51753#p51753

Wie gesagt, zuerst gehört einmal kommuniziert, dass man das Ganze aus berechtigten Gründen auflösen möchte. Da wäre es nicht schlecht zu erfahren, ob es bereits einen fixen Kaufpreis für die Wohnung gibt und was hinsichtlich einer Pönale vereinbart wurde. Gibt es kein gegenseitiges Einvernehmen und macht der Wohnungsabgeber Schadensersatz oder eine Strafzahlung geltend, der der Käufer nicht nachkommen möchte, würde es seinerseits auf ein Feststellungsbegehren nach § 228 ZPO hinauslaufen. Das Gericht würde festzustellen haben, ob der Vertrag als aufgelöst gilt bzw. ein Rechtsverhältnis weiterhin besteht. Ein Feststellungsinteresse ist dabei Voraussetzung. Bei unberechtigten Rücktrittsabsichten hätte man schlechte Karten. Daher der Hinweis, den Vertragspartner vorher unter Nachfristsetzung von der beabsichtigten und begründeten Auflösung verständigen, was in der Klagstellung aufgenommen werden würde. Das Gericht könnte zudem eine Pönale (Vertrags- bzw. Konventionalstrafe) nach § 1336 ABGB mäßigen. Bin mir da jedoch nicht sicher, ob das erst im Rahmen einer Leistungsklage nach § 406 ZPO erfolgen kann, wenn auf Vertragszuhaltung geklagt werden würde (nach einer positiven Feststellungsklage).
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

ClanceGeta
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Re: Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

Beitrag von ClanceGeta » 15.11.2023, 09:23

Hier einige wichtige Überlegungen zum Rücktritt von einem Immobilienkaufvertrag in Österreich aufgrund der beschriebenen Situation:

- Wenn nur ein erstes Kaufangebot, aber noch kein formeller notarieller Kaufvertrag unterzeichnet wurde, können Sie das Angebot möglicherweise zurückziehen und ohne Vertragsstrafe aussteigen. Überprüfen Sie jedoch die spezifischen Bedingungen im Angebot.

- Der Verkäufer kann den endgültigen Vertragsabschluss wahrscheinlich nicht erzwingen, wenn mit den Bauarbeiten nicht termingerecht begonnen wurde. Es kann Klauseln über Verzögerungen geben, die es dem Käufer ermöglichen, aus dem Geschäft auszusteigen.

- Lesen Sie die Bedingungen des Erstkaufangebots und die österreichischen Verbraucherschutzgesetze hinsichtlich einer etwaigen Bedenkzeit nach der Unterzeichnung, in der Sie innerhalb einer bestimmten Frist zurücktreten können.

- Ein Anwalt sollte das ursprüngliche Kaufangebot prüfen und beraten, ob ein Rücktritt ohne finanzielle Strafen möglich ist. Das ursprüngliche Dokument würde dies steuern.

- Wenn das Angebot keine Bedenkzeit hat und einen bedingungslosen Widerruf verhindert, müssen Sie möglicherweise mit dem Verkäufer verhandeln und den Ablauf der Finanzierung, Verzögerungen usw. nachweisen.

- Wenn die Verzögerungen anhalten, kann der Vertrag irgendwann als frustriert gelten und ein Ausstieg möglich sein. Lassen Sie sich jedoch rechtlich beraten, um ein ordnungsgemäßes Verfahren sicherzustellen.

Der Schlüssel liegt darin, das ursprüngliche Kaufangebotsdokument zu prüfen und Ihre spezifischen Rechte und Zeitrahmen zu verstehen. Bevor Sie Maßnahmen ergreifen, ist es dringend ratsam, einen österreichischen Immobilienanwalt zu konsultieren. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie weitere Immobilienberatung benötigen!

MG
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Re: Rücktritt Kaufanbot nach Gegenzeichnung (Projektverzug)

Beitrag von MG » 17.11.2023, 13:10

alles2 wird zwar mit mir schimpfen (und er hat ja recht...), weil ich auf einen "Beitrag" eines Bots oder sonst irgendeiner Form künstlicher Unintelligenz antworte, aber es ist mir wirklich ein Anliegen, eine bestimmte haarsträubend falsche Aussage im Beitrag von "GlanceGeta" richtig zu stellen, weil es da ohnedies weit verbreitete unrichtige Rechtsansichten dazu gibt:

Ein angenommenes Angebot (auch ohne beglaubigte Unterschriften) ist in Österreich (anders in D!!) auch hinsichtlich einer Immobilie ein gültiger, rechtverbindlicher Kaufvertrag.

Ja sogar eine bloß mündliche Vereinbarung über "Ware und Preis", also zB Wohnung und Kaufpreis, ist bindend.

Rücktrittsmöglichkeiten sind nur sehr, sehr eingeschränkt möglich. Wenn man ungerechtfertigt vom Vertrag zurück tritt, kann die andere Partei Schadensersatz verlangen, oder auch den Abschluss des Vertrages erzwingen ("Zuhaltung des Vertrages").

Alle übrigen Aspekte des konkreten Falles hat "alles2" schon sehr ausführlich bearbeitet.
RA Mag. Michael Gruner
www.vertragsbegleiter.at

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