Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

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lukask4235
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Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von lukask4235 » 27.06.2023, 08:59

Liebe Community,

Mich würde eure Meinung interessieren.
Meiner Auffassung nach läuft die Entwicklung des Rechtssystems in Richtung maximaler Eindeutigkeit und Definiertheit so dass Ermessensspielräume minimiert/eliminiert werden. Das sehe ich als etwas erstrebenswertes. Ist das allerdings irgendwann der Fall wird der Mensch immer unwichtiger bei der Urteilsfindung, da es eine algorithmische Abarbeitung von Gesetzen wird.
Der Punkt ist dass es keine unterbewusst determinierten Entscheidungen geben sollte nur weil das Gesetz noch nicht genau genug ist. Es sollte idealerweise bei jedem Fall klar sein wie zu entscheiden ist.
Spricht da was dagegen und sehe ich das komplett falsch?

lg



alles2
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von alles2 » 27.06.2023, 09:44

Gefühlsmäßig und nach leidvollen Erfahrungen schon, damit den willkürlichen Einflüssen und persönlichen Befindlichkeiten in der richterlichen Entscheidungsfindung Einhalt geboten wird. Das könnte zudem den Vorteil haben, dass es keine langwierigen Instanzenzüge mehr bräuchte, weil bspw. der Rechtssache keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung mehr zukommen würde und das Recht eindeutig und einheitlich ausgelegt werden könnte. Erst kürzlich hatte ich einem Richter abfällig geschrieben, der sich so einige Fehltritte erlaubt hatte und sich dazu nicht bekannte:
Es dürfte in der Tat so sein, wie es in der letzten ORF2-Sendung „Am Schauplatz Gericht“ geheißen hat: Wenn man nicht will, findet man immer Argumente, warum etwas nicht geht. Daher wären mir irgendwie Roboter als Richter lieber (von mir aus in der Art von ChatGPT), damit hoffentlich die Anfälligkeit für Korruption oder menschliche Fehler eingedämmt werden könnte.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

Hank
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von Hank » 01.07.2023, 23:52

...Ermessensspielräume gibt es vor allem in der Verwaltung, die aber streng geregelt sind; im Arbeits- und Mietrecht z.B. gibt es hohe Rechtsunsicherheit durch viele unbestimmte Rechtsbegriffe und Interessens-abwägungen à la "aus wichtigen Gründen", ganz abgesehen davon ist Jus keine exakte Wissenschaft...

Waldkatzi
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von Waldkatzi » 02.07.2023, 10:28

lukask4235 hat geschrieben:
27.06.2023, 08:59
Meiner Auffassung nach läuft die Entwicklung des Rechtssystems in Richtung maximaler Eindeutigkeit und Definiertheit so dass Ermessensspielräume minimiert/eliminiert werden. Das sehe ich als etwas erstrebenswertes.
Ich nicht. Ich bin allerdings kein Jurist und habe nicht einmal einen Verhandlungssaal von innen gesehen. Aber staatspolitisch unterläuft diese Entwicklung das Konzept der Gewaltentrennung, weil man die Justiz zu einer reinen automatischen, hirnlosen Erfüllungsgehilfin der Legislative machen würde. Daher aus demokratiepolitischer Überlegung an dieser Stelle ein klares: NEIN!

julieb
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von julieb » 02.07.2023, 16:13

Ich finde, dass komplexe Sachverhalte und Hintergründe komplexe Entscheidungen bedingen. Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer dasselbe, das würde sich mit 'maximaler Eindeutigkeit' sicher nicht ändern.

lukask4235
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von lukask4235 » 02.07.2023, 21:11

Hank hat geschrieben:
01.07.2023, 23:52
...Ermessensspielräume gibt es vor allem in der Verwaltung, die aber streng geregelt sind; im Arbeits- und Mietrecht z.B. gibt es hohe Rechtsunsicherheit durch viele unbestimmte Rechtsbegriffe und Interessens-abwägungen à la "aus wichtigen Gründen", ganz abgesehen davon ist Jus keine exakte Wissenschaft...
Sie ist nicht exakt. Mein Punkt ist, dass sie sich aber dahin entwickelt und das etwas gutes ist.
Aus wichtigen Gründen ist definierbar.
Waldkatzi hat geschrieben:
02.07.2023, 10:28
lukask4235 hat geschrieben:
27.06.2023, 08:59
Meiner Auffassung nach läuft die Entwicklung des Rechtssystems in Richtung maximaler Eindeutigkeit und Definiertheit so dass Ermessensspielräume minimiert/eliminiert werden. Das sehe ich als etwas erstrebenswertes.
Ich nicht. Ich bin allerdings kein Jurist und habe nicht einmal einen Verhandlungssaal von innen gesehen. Aber staatspolitisch unterläuft diese Entwicklung das Konzept der Gewaltentrennung, weil man die Justiz zu einer reinen automatischen, hirnlosen Erfüllungsgehilfin der Legislative machen würde. Daher aus demokratiepolitischer Überlegung an dieser Stelle ein klares: NEIN!
Dann lieber ein System wie es jetzt ist, dass der Ausgang nicht klar ist und vom Richter abhängt. Also unterschiedliche Urteile bei gleichen Sachverhalten?
julieb hat geschrieben:
02.07.2023, 16:13
Ich finde, dass komplexe Sachverhalte und Hintergründe komplexe Entscheidungen bedingen. Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer dasselbe, das würde sich mit 'maximaler Eindeutigkeit' sicher nicht ändern.
Recht und Gerechtigkeit sollten das selbe sein. Und ich glaube dass das möglich ist.

Waldkatzi
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von Waldkatzi » 03.07.2023, 18:52

lukask4235 hat geschrieben:
02.07.2023, 21:11
Dann lieber ein System wie es jetzt ist, dass der Ausgang nicht klar ist und vom Richter abhängt. Also unterschiedliche Urteile bei gleichen Sachverhalten?
Ja, wie jeder vernünftige und gerechte Mensch habe ich selbstverständlich lieber leicht unterschiedliche Urteile bei gleichen Sachverhalten als lauter gleiche Urteile bei völlig unterschiedlichen Sachverhalten bzw. Hintergründen für selbige, nur weil zwei Dinge vom selben Paragraphen erfaßt werden.
lukask4235 hat geschrieben:
02.07.2023, 21:11
Recht und Gerechtigkeit sollten das selbe sein. Und ich glaube dass das möglich ist.
Nicht durch eine Gesetzgebung, die der Justiz keinen Spielraum läßt, weil man mit Gesetzen nicht alle Faktoren berücksichtigen kann. Menschen können es, leider tun es nicht alle oder nicht alle immer richtig, aber sie können es immerhin.

lukask4235
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von lukask4235 » 04.07.2023, 12:26

Waldkatzi hat geschrieben:
03.07.2023, 18:52
Ja, wie jeder vernünftige und gerechte Mensch habe ich selbstverständlich lieber leicht unterschiedliche Urteile bei gleichen Sachverhalten als lauter gleiche Urteile bei völlig unterschiedlichen Sachverhalten bzw. Hintergründen für selbige, nur weil zwei Dinge vom selben Paragraphen erfaßt werden.
Als vernünftiger und gerechter Mensch sehe ich aber dass das weder vernünftig noch gerecht wäre. Es wäre unfair und willkürlich. Wenn man sich wünscht dass beim selben Sachverhalt etwas anderes rauskommt, dann bedarf es ggf. einer Überarbeitung des Gesetzes.
Als Beispiel unsere vollkommen willkürliche und unberechtigte Drogengesetzgebung. Hier ist es natürlcih wünschenswert dass Urteile entgegen dem Gesetz entstünden. Sinnvoll wäre einfach eine Anpassung des Gesetzes selbst, so dass es logisch herleitbar und objektiv ist.
lukask4235 hat geschrieben:
02.07.2023, 21:11
Recht und Gerechtigkeit sollten das selbe sein. Und ich glaube dass das möglich ist.
Nicht durch eine Gesetzgebung, die der Justiz keinen Spielraum läßt, weil man mit Gesetzen nicht alle Faktoren berücksichtigen kann. Menschen können es, leider tun es nicht alle oder nicht alle immer richtig, aber sie können es immerhin.
[/quote]

Ich denke dass man dass sehr wohl kann. Man muss nicht jede erdenkliche Situation im Gesetz spezifizieren. Es reicht grobe Kategorien zu bestimmen, in die sich SItuationen einordnen lassen.
Bsp. Jemand ist schuldig im eigentlichen Sinne. aber da sein handeln zum Schutz eines anderen Menschen diente wird er unschuldig gesprochen. Das wäre klar definierbar.

alles2
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von alles2 » 04.07.2023, 12:39

Möchte nur einwerfen, dass es neben den oft grob formulierten Gesetzestexten auch noch Rechtsprechungen (Judikative) gibt, die die Legislative ergänzen.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

lukask4235
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von lukask4235 » 04.07.2023, 14:37

alles2 hat geschrieben:
04.07.2023, 12:39
Möchte nur einwerfen, dass es neben den oft grob formulierten Gesetzestexten auch noch Rechtsprechungen (Judikative) gibt, die die Legislative ergänzen.
Da muss ich mich erst einlesen.
Aber die Rechtssprechung hat ja im Ramen der Gesetzestexte zu entscheiden. Werden Ausnahmen gemacht wäre es doch wünschenswert dass in so einem Fall das Gesetz zumindest für die Zukunft genauer definiert wird, im Gegensatz dazu auf einen netten Richter hoffen zu müssen.
Wenn das Gesetz nicht genau genug definiert ist und der Richter eine subjektive Entschediung trifft, dienen diese Fälle ja oft als Präzedenzfälle an denen sich andere orientieren. Ich nehme an dass diese dann irgendwann herangezogen werden das Gesetz zu präzisieren. Die Judikative ist nur notwendig weil das Gesetz noch nicht genau genug ist.
Ich habe keine Ahnung und freue mich wenn dus mir genauer erklärst.
Also ich denke dass es einen Unterschied in der Einschätzung der Machbarkeit eines exakten Gesetzes gibt. Vl. kann jemand Beispiele geben wo es nicht eindeutig ist, nicht eindeutig definierbar ist.
lg

alles2
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von alles2 » 05.07.2023, 02:09

Wenn Du wüsstest, was ich nicht alles für Beispiele bringen könnte. Aber alles der Reihe nach. Was es mit den Gesetzeskommentaren auf sich hat, dazu findet man hier eine halbwegs vernünftige Beschreibung:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzeskommentar

Ich nutze auch die wöchentlich angebotene, erste anwaltliche Auskunft über die RAK und die monatlich stattfindende, kostenlose Rechtsberatung im Rathaus/Magistrat, wenn es darum geht, wie ein Gesetz genau anzuwenden ist. Beim wöchentlichen Angebot hat es erst letzte Woche seitens einer Kanzlei geheißen, dass man mir aus dem Stand keine genauen Auskünfte geben könne, weil sich ein Anwalt auch erst genau hineinlesen müsste, was sich im Rahmen einer 15-minütigen (kurzen) Rechtsauskunft eben nicht ausginge. Und heute hieß es beim monatlichen Angebot seitens einer Konzipientin, die keinen Laptop oder ähnliches bei sich hatte, dass man nur für allgemeine Auskünfte da sei und sie sich wegen meiner Frage zu einem Gesetz erst die Kommentare durchlesen müsste (nach vorheriger Terminvereinbarung mit der Kanzlei).

Wie Rechtssätze und Entscheidungstexte zu einer Gesetzesnorm aussehen könnten, kann man hier erkennen:

https://forum.jusline.at/viewtopic.php?f=6&t=24098&p=51979#p51979

Ein Ursprung ist die RIS-Datenbank des Bundeskanzleramtes (nicht Bundeskriminalamt), wo man die Rechtssätze zu § 12 Abs.3 MRG findet (auszugsweise und nur als Beispiel):

https://www.ris.bka.gv.at/JustizEntscheidung.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_19930218_OGH0002_0080OB00570_9200000_000&IncludeSelf=False

So, nun ein ein anderer Fall, mit dem ich mich gerade herumschlage. Es geht um § 195 Abs.2 StPO. Das ist für jene von Bedeutung, die eine strafrechtliche Anzeige erstatten, dessen Verfahren von der Staatsanwaltschaft nicht mehr fortgeführt wird. Das Gesetz besagt auf das Wesentliche grob zusammengefasst, dass man danach drei Monate Zeit für einen Fortführungsantrag hat, wenn man von der Einstellung des Verfahrens nicht benachrichtigt wurde. Wurde man jedoch verständigt, hätte man zwei Wochen Zeit für einen Fortführungsantrag. Hat man die erweiterte Begründung bzw. Einstellungsbegründung beantragt, läuft die kurze Frist ab dessen Erhalt.
Nun gut, jetzt hat aber wer, der bei dem Gericht als unbequem gilt, für die Abfassung und Einbringung des Fortführungsantrages die unentgeltliche Verfahrenshilfe beantragt. Nach der einhelligen Meinung sämtlicher Anwälte und der Justiz-Ombudsstelle, in der alle 3 Wochen ein neuer Richteramtsanwärter sitzt, müsste dadurch die zweiwöchige Frist unterbrochen werden. Oder anders, es ist das gesetzliche Wesen eines Verfahrenshilfeantrages, dass eine Unterbrechungswirkung eintritt (§ 464 Abs.3 ZPO).
Obwohl über so einen Antrag durch ein Drei-Richter-Senat eigentlich recht schnell entschieden wird (meist innerhalb einer Woche), ist der Antrag "offiziell" aus unerklärlichen Gründen mehrere Monate herumgelegen und wurde folglich mit der wesentlichen Begründung abgewiesen:
Gemäß § 195 Abs 2 erster Satz StPO ist der Antrag auf Fortführung des Verfahrens binnen vierzehn Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§ 194 StPO) oder im Fall eines fristgerecht eingebrachten Verlangens gemäß § 194 Abs 2 StPO nach Zustellung der Einstellungsbegründung einzubringen. Ein Fortführungsantrag ist jedoch - unabhängig von einer Einstellungsverständigung oder der Zustellung einer Einstellungsbegründung - nur innerhalb von drei Monaten ab der Einstellung des Verfahrens zulässig. Ein außerhalb dieser absoluten Frist eingebrachter Antrag auf Fortführung ist verspätet und gemäß § 196 Abs 2 erster Satz StPO als unzulässig zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0127939).
Das heißt, durch die Rechtssatznummer RS0127939 soll es angeblich eine absolute Frist von 3 Monaten geben, die sonst kein Jurist eines Gerichts oder einer Kanzlei kennt, wenn man sie vorher mit der Frage konfrontiert, ob man bei einem Verfahrenshilfeantrag für einen Fortführungsantrag auf eine Frist achten muss. Ich darf erinnern, das Gesetz unterscheidet ganz klar, ob man über die Verfahrenseinstellung informiert wurde oder nicht. Falls nicht, dann wird die lange Frist schlagend. Und nur dann! Dabei wäre es Leichtes, auch im Gesetz diese angeblich absolute Frist zu benennen.

Die letzten Rückmeldungen von Anwälten sind eindeutig. Vor zwei Wochen meinte eine Kanzlei im Zuge der ersten anwaltlichen Auskunft, dass sich ihm die Frage stellt, ob die besagte RIS-Entscheidung überhaupt auf die betreffende Konstellation anwendbar ist. Auf jeden Fall hinterlässt das Landesgericht damit eine schiefe Optik und wir könnten uns an die Presse wenden.
Eine Woche drauf wurde durch eine andere Kanzlei nahegelegt, es der Generalprokuratur anzuzeigen. Bedauerlicherweise handelt es sich um keinen Einzelfall und im selben Gerichtsgebäude wurde einige Jahre zuvor eine ähnliche Masche abgezogen, indem diesmal Staatsanwaltschaft, den Verfahrenshilfeantrag nach einer Verfahrenshilfeeinstellung 3 Monate herumliegen ließ. Die Generalprokuratur befasste sich damals damit und schrieb:
Die Argumentation des Dreirichtersenats, wonach (zwischenzeitig) die dreimonatige Frist des § 195 Abs 2 erster Satz StPO bereits abgelaufen sei, weshalb wegen der Unzulässigkeit eines allfälligen Fortführungsantrags, die Beigebung eines Verfahrenshelfers nicht im Interesse der Rechtspflege sei, übersieht zwar die Unterbrechungswirkung; die dem Verfahrenshilfeantrag eines Fortführungswerbers im Hinblick auf die Fortführungsfrist (vgl den nunmehr ausdrücklichen Verweis von § 67 Abs 7 StPO idgF auch auf § 63 Abs 1 StPO) zuzuerkennen ist (eine Unterbrechungswirkung von § 67 Abs 7 StPO idgF befürwortend auch schon vor BGBl 2018/27 Nordmeyer, WK-StPO § 195 Rz 31 und Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 195 Rz 14). Das Landesgericht xxx stützte seine Entscheidung aber ersichtlich nur hilfsweise auf den bereits eingetretenen Fristablauf (arg: "darüber hinaus") und die verfehlte Rechtsansicht gereichte wiederum dem Beschuldigtem zum Nachteil.
An der bloßen (neuerlichen) Feststellung der Gesetzesverletzungen durch den Obersten Gerichtshof besteht kein rechtstheoretisches Interesse, sodass von der Ergreifung der Maßnahme gemäß § 23 Abs 1 StPO in Ansehnung dieses Beschlusses insgesamt abgesehen werden kann".
Also Fehlanzeige!
Letzten Monat legte eine Kanzlei bei der kostenlosen Rechtsberatung nahe, einen Individualantrag (für ein Gesetzes- oder Normprüfungsverfahren) beim VfGH einreichen. Daran wird noch gearbeitet!

Selbst die Justiz-Ombudsstelle ist gegen die wohl missbräuchliche Anwendung des Gesetzes machtlos und hält uns kleine Bürger für bescheuert:
Dateianhänge
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Zuletzt geändert von alles2 am 06.07.2023, 01:24, insgesamt 1-mal geändert.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

lukask4235
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von lukask4235 » 05.07.2023, 18:13

Danke!
Schon arg wie machtlos man da ist.
Das unterstreicht gut meinen Punkt.

Hank
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von Hank » 08.07.2023, 00:01

…bevor Recht angewendet werden kann, muss aber zuallererst der Sachverhalt, also der Lebenszusammenhang richtig ermittelt werden, was bekanntlich die Hauptaufgabe der untersten Gerichtsinstanzen ist, auch mithilfe von Sachverständigen…

Waldkatzi
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von Waldkatzi » 08.07.2023, 22:40

Wenn ein Gericht einen Akt irrtümlich zu den erledigten Akten gelegt hat, hat es gegen die vorgesehene normale Vorgangsweise verstoßen. In einer normalen gerechten Welt ergibt sich daraus die selbstverständliche moralische Pflicht, zu reparieren, was verschlampt wurde, plus Entschuldigung und ggf. Entschädigung. Ich sehe nicht, was das mit einem Ermessensspielraum zu tun haben soll und möchte daher die Sache auf die ursprüngliche Fragestellung zurückbringen, z.b. § 125 StGB:

"Wer eine fremde Sache zerstört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

Soll jetzt jeder im Sinne dieses Paragraphen schuldig befundene Mensch automatisch immer drei Monate in den Knast, egal, warum er das Ding zerstört hat, egal was es war und egal, was ihn dazu gebracht hat? Oder soll der Paragraph um eine Enzyklopädie erweitert werden, in der für jede denkbare Sache, die zerstört werden kann, ein eigenes Strafmaß definiert wird? Vielleicht noch getrennt nach Erst- und Wiederholungstätern? Ist das wirklich Euer Ernst?

Daß meine Bedenken bezüglich der Aushöhlung der Gewaltentrennung zwischen legislativer und judikativer Gewalt völlig unbeeindruckt zur Seite gewischt und nicht einmal im Ansatz diskutiert werden, finde ich übrigens ziemlich befremdlich.

alles2
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Re: Sollten Ermessenspielräume eliminiert werden?

Beitrag von alles2 » 09.07.2023, 13:11

Weiß jetzt nicht, wie Du auf 3 Monate kommst. Es gehört schon viel dazu, dass man in dem Ausmaß überhaupt wegen Sachbeschädigung verurteilt wird und es spielen viele Faktoren mit, die im Ermessen des Richters liegen. Vorsätzlichkeit muss gegeben sein, die freie Beweiswürdigung des Richters ist nicht außer Acht zu lassen, die Diversion nach § 198 Abs.1 StPO käme außer Frage, der Zustand der geistigen Verwirrtheit wird ausgeschlossen etc. Und kann es noch ganz am Richter liegen, welche Erschwerungs- und Milderungsgründe er anwendet. Man erkennt, es kann ziemlich viele Umstände geben, ob das Gericht überhaupt eine Verurteilung zulässt, wenn nicht schon die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung entsprechend § 191 oder 192 jeweils Abs.1 StPO absieht.

Auf meinen ersten Beitrag im Thread hat auch niemand reagiert und trotzdem habe ich nicht geplärrt oder eine Wertung im Sinne von "befremdlich" dazu abgegeben. Wenn niemand darauf reagiert, dann ist es eben so hinzunehmen. Das muss ich auch, falls andere meine Botschaft nicht verstehen. Für Dich fasse ich daher kurz die Problematik zusammen. Das Gesetz besagt, dass ein Verfahren nur dann nicht nach 3 Monaten ab Einstellung fortzuführen wäre, wenn man darüber nicht verständigt wurde. Doch in der Praxis kann sich ein Gericht wegen einer Rechtsprechung darauf berufen, dass es auch dann gilt, wenn das Opfer von der Verfahrenseinstellung benachrichtigt wurde. Ist übrigens das einzige Gericht, welches es im Bedarfsfall (es ging u.a. gegen einen Akademiker) so handhabt, während es sonst von keinem anderen Gericht so angewendet wurde.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

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