Wenn Du wüsstest, was ich nicht alles für Beispiele bringen könnte. Aber alles der Reihe nach. Was es mit den Gesetzeskommentaren auf sich hat, dazu findet man hier eine halbwegs vernünftige Beschreibung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzeskommentar
Ich nutze auch die wöchentlich angebotene, erste anwaltliche Auskunft über die RAK und die monatlich stattfindende, kostenlose Rechtsberatung im Rathaus/Magistrat, wenn es darum geht, wie ein Gesetz genau anzuwenden ist. Beim wöchentlichen Angebot hat es erst letzte Woche seitens einer Kanzlei geheißen, dass man mir aus dem Stand keine genauen Auskünfte geben könne, weil sich ein Anwalt auch erst genau hineinlesen müsste, was sich im Rahmen einer 15-minütigen (kurzen) Rechtsauskunft eben nicht ausginge. Und heute hieß es beim monatlichen Angebot seitens einer Konzipientin, die keinen Laptop oder ähnliches bei sich hatte, dass man nur für allgemeine Auskünfte da sei und sie sich wegen meiner Frage zu einem Gesetz erst die Kommentare durchlesen müsste (nach vorheriger Terminvereinbarung mit der Kanzlei).
Wie Rechtssätze und Entscheidungstexte zu einer Gesetzesnorm aussehen könnten, kann man hier erkennen:
https://forum.jusline.at/viewtopic.php?f=6&t=24098&p=51979#p51979
Ein Ursprung ist die RIS-Datenbank des Bundeskanzleramtes (nicht Bundeskriminalamt), wo man die Rechtssätze zu § 12 Abs.3 MRG findet (auszugsweise und nur als Beispiel):
https://www.ris.bka.gv.at/JustizEntscheidung.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_19930218_OGH0002_0080OB00570_9200000_000&IncludeSelf=False
So, nun ein ein anderer Fall, mit dem ich mich gerade herumschlage. Es geht um § 195 Abs.2 StPO. Das ist für jene von Bedeutung, die eine strafrechtliche Anzeige erstatten, dessen Verfahren von der Staatsanwaltschaft nicht mehr fortgeführt wird. Das Gesetz besagt auf das Wesentliche grob zusammengefasst, dass man danach drei Monate Zeit für einen Fortführungsantrag hat, wenn man von der Einstellung des Verfahrens nicht benachrichtigt wurde. Wurde man jedoch verständigt, hätte man zwei Wochen Zeit für einen Fortführungsantrag. Hat man die erweiterte Begründung bzw. Einstellungsbegründung beantragt, läuft die kurze Frist ab dessen Erhalt.
Nun gut, jetzt hat aber wer, der bei dem Gericht als unbequem gilt, für die Abfassung und Einbringung des Fortführungsantrages die unentgeltliche Verfahrenshilfe beantragt. Nach der einhelligen Meinung sämtlicher Anwälte und der Justiz-Ombudsstelle, in der alle 3 Wochen ein neuer Richteramtsanwärter sitzt, müsste dadurch die zweiwöchige Frist unterbrochen werden. Oder anders, es ist das gesetzliche Wesen eines Verfahrenshilfeantrages, dass eine Unterbrechungswirkung eintritt (§ 464 Abs.3 ZPO).
Obwohl über so einen Antrag durch ein Drei-Richter-Senat eigentlich recht schnell entschieden wird (meist innerhalb einer Woche), ist der Antrag "offiziell" aus unerklärlichen Gründen mehrere Monate herumgelegen und wurde folglich mit der wesentlichen Begründung abgewiesen:
Gemäß § 195 Abs 2 erster Satz StPO ist der Antrag auf Fortführung des Verfahrens binnen vierzehn Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§ 194 StPO) oder im Fall eines fristgerecht eingebrachten Verlangens gemäß § 194 Abs 2 StPO nach Zustellung der Einstellungsbegründung einzubringen. Ein Fortführungsantrag ist jedoch - unabhängig von einer Einstellungsverständigung oder der Zustellung einer Einstellungsbegründung - nur innerhalb von drei Monaten ab der Einstellung des Verfahrens zulässig. Ein außerhalb dieser absoluten Frist eingebrachter Antrag auf Fortführung ist verspätet und gemäß § 196 Abs 2 erster Satz StPO als unzulässig zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0127939).
Das heißt, durch die Rechtssatznummer RS0127939 soll es angeblich eine absolute Frist von 3 Monaten geben, die sonst kein Jurist eines Gerichts oder einer Kanzlei kennt, wenn man sie vorher mit der Frage konfrontiert, ob man bei einem Verfahrenshilfeantrag für einen Fortführungsantrag auf eine Frist achten muss. Ich darf erinnern, das Gesetz unterscheidet ganz klar, ob man über die Verfahrenseinstellung informiert wurde oder nicht. Falls nicht, dann wird die lange Frist schlagend. Und nur dann! Dabei wäre es Leichtes, auch im Gesetz diese angeblich absolute Frist zu benennen.
Die letzten Rückmeldungen von Anwälten sind eindeutig. Vor zwei Wochen meinte eine Kanzlei im Zuge der ersten anwaltlichen Auskunft, dass sich ihm die Frage stellt, ob die besagte RIS-Entscheidung überhaupt auf die betreffende Konstellation anwendbar ist. Auf jeden Fall hinterlässt das Landesgericht damit eine schiefe Optik und wir könnten uns an die Presse wenden.
Eine Woche drauf wurde durch eine andere Kanzlei nahegelegt, es der Generalprokuratur anzuzeigen. Bedauerlicherweise handelt es sich um keinen Einzelfall und im selben Gerichtsgebäude wurde einige Jahre zuvor eine ähnliche Masche abgezogen, indem diesmal Staatsanwaltschaft, den Verfahrenshilfeantrag nach einer Verfahrenshilfeeinstellung 3 Monate herumliegen ließ. Die Generalprokuratur befasste sich damals damit und schrieb:
Die Argumentation des Dreirichtersenats, wonach (zwischenzeitig) die dreimonatige Frist des § 195 Abs 2 erster Satz StPO bereits abgelaufen sei, weshalb wegen der Unzulässigkeit eines allfälligen Fortführungsantrags, die Beigebung eines Verfahrenshelfers nicht im Interesse der Rechtspflege sei, übersieht zwar die Unterbrechungswirkung; die dem Verfahrenshilfeantrag eines Fortführungswerbers im Hinblick auf die Fortführungsfrist (vgl den nunmehr ausdrücklichen Verweis von § 67 Abs 7 StPO idgF auch auf § 63 Abs 1 StPO) zuzuerkennen ist (eine Unterbrechungswirkung von § 67 Abs 7 StPO idgF befürwortend auch schon vor BGBl 2018/27 Nordmeyer, WK-StPO § 195 Rz 31 und Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 195 Rz 14). Das Landesgericht xxx stützte seine Entscheidung aber ersichtlich nur hilfsweise auf den bereits eingetretenen Fristablauf (arg: "darüber hinaus") und die verfehlte Rechtsansicht gereichte wiederum dem Beschuldigtem zum Nachteil.
An der bloßen (neuerlichen) Feststellung der Gesetzesverletzungen durch den Obersten Gerichtshof besteht kein rechtstheoretisches Interesse, sodass von der Ergreifung der Maßnahme gemäß § 23 Abs 1 StPO in Ansehnung dieses Beschlusses insgesamt abgesehen werden kann".
Also Fehlanzeige!
Letzten Monat legte eine Kanzlei bei der kostenlosen Rechtsberatung nahe, einen Individualantrag (für ein Gesetzes- oder Normprüfungsverfahren) beim VfGH einreichen. Daran wird noch gearbeitet!
Selbst die Justiz-Ombudsstelle ist gegen die wohl missbräuchliche Anwendung des Gesetzes machtlos und hält uns kleine Bürger für bescheuert: