lukask4235 hat geschrieben: ↑11.07.2023, 19:04
Ich schätze es sehr, wenn du mir nochmal detailierter erklären willst warum das nicht geht.
Ich bin zwar nicht direkt angesprochen, aber für mich ist die, sagen wir, Rechtskunde ein Hobby, ein Zeitvertreib, mitunter erlebe ich natürlich auch Situationen selbst, wo ich mich (oder das Forum hier) frage, wie dies und das rechtlich zu sehen ist und ob und was man unternehmen könnte.
Die Gerichte urteilen und die Behörden entscheiden oft nicht so, wie ich es richtig und gerecht finden würde, oft hat sich in der Justiz eine Rechtsmeinung etabliert, die ich mit den Worten der Gesetzestexte und auch nicht mit der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers nicht für vereinbar halte. Das kann man den Medien entnehmen oder auch dem RIS, wo man zu allen möglichen Stichworten Gerichtsurteile finden kann. Die eigentlichen Entscheidungstexte finde ich dabei meist interessanter als die "Rechtssätze" - denn in selbigen meine ich ab und an zu erkennen, daß irgendwelche Wichtigtuer der Gesellschaft auf diesem Wege ihre eigene persönliche politische Meinung aufzwingen wollen, weil sie bestimmen, ob das eine ein Rechtssatz ist, der in zukünftigen ähnlichen Fällen wohl als Richtschnur dienen soll und das andere nur einfach so ein Urteil unter vielen anderen. Außerdem sind es gerade die Entscheidungstexte, die uns mitunter auch die Vorgeschichte dahinter erzählen.
Durch Einengung oder Abschaffung aller Ermessenspielräume läßt sich das Problem, daß anders geurteilt wird, als es der Gesetzgeber will, aber nicht beheben (und manchmal wäre das auch gar nicht gut), die Probleme, die sich für abertausende Einzelfälle ergäben, wiegen das weit mehr als auf. Damit das für Dich ein wenig greifbarer wird, schlage ich vor, Dir zu irgendeinem Thema, das Dich besonders persönlich interessiert, ein paar hundert Urteile aus dem RIS durchzulesen. Ich erhoffe mir davon, daß Du dann siehst, was alles z.b. in eine Strafbemessung einfließt und wie vielfältig das Leben nun einmal ist, eben viel zu vielfältig, um es durch starre Gesetze ohne behördliche und richterliche Spielräume in einer gerechten Art und Weise erfassen zu können.
Ich bin auch absolut nicht prinzipiell dagegen, daß sich die Justiz eine eigene Tradition erarbeitet hat, wo Grundsätze und generelle Richtlinien (audiatur et altera pars, nulla poena sine culpa, in dubio pro reo, pacta sunt servanda usw.) wohl beständiger sind als so manche Regierung und ein vielfaches länger gültig und wirksam bleiben als eine Legislaturperiode. Das hilft dem einzelnen Menschen ja auch, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden, obwohl er in seinem Leben vielleicht dutzende Regierungswechsel erlebt und mitunter auch einige Verfassungsänderungen. Ich habe auch nichts dagegen, wenn das Recht von Richtern zu einem gewissen Teil gestaltet wird, selbst von einem einzelnen Polizisten, der nach eigenem Ermessen einen Fahrer enweder nur ermahnt oder ihm gleich eine Anzeige statt eines Organmandats schickt. Errare humanum est, keine Frage kommt es dadurch zu Fehlern und Ungerechtigkeiten im Einzelfall, aber ich bleibe dabei: Eine Gesellschaft, in der alle Polizisten lauter gehässige Menschenfeinde und totale Idioten sind, die stur und ohne eigenes Nachdenken ihre Dienstanweisungen ausführen (bzw. dazu erzogen werden), wird nicht glücklich sein und die wird man auch durch Einengung der Ermessenspielräume nicht vor negativen Erlebnissen mit der Polizei retten können, sondern wird eher das Gegenteil erreichen. Jede Gesellschaft hat als eine der zentralsten Aufgaben, sich davor zu schützen, daß ungeeignete Menschen in entscheidende Positionen kommen und sie ist darauf angewiesen, daß die Menschen, aus der sie besteht, zumindest zu einem großen Teil ausreichend intelligent, gebildet gerecht und anständig sind. Das können sie aber nur werden, wenn man ihnen die Freiheit und auch den (Ermessens-)spielraum gibt, den sie für ihre persönliche Reifung und Entwicklung benötigen.