ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

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Zvonko
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ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von Zvonko » 01.12.2022, 09:07

Wie ist das eigentlich mit der ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung?

Angenommen: Wohnung in einem Altbau, geerbt 2003, wird vom Erben (Sohn) jetzt verkauft.

1. Falls der Verkauf wie ein "normaler" Verkauf (30 % ImmoESt, die Wohnung wurde vom Erben nicht als Wohnsitz verwendet) gilt, welche "Anschaffungskosten" werden dann vom Verkaufspreis abgezogen?

2. Oder gibt es für geerbte Immobilien eine spezielle Regelung? "Logisch" wäre es aus Betroffenensicht schon: Die Erbschaft wäre sonst ja im Endeffekt mit 30 % besteuert. Wenn der Erblasser die Wohnung vor seinem Tod verkauft (damals noch ohne ImmoESt) und den Verkaufserlös hinterlassen hätte, würde vom Erben keine Steuer zu zahlen sein.

Danke im Voraus für sachkundige Infos.



MG
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Re: ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von MG » 01.12.2022, 13:12

Beim unentgeltlichen Erwerb einer Immobilie ist (wenn kein Befreiungstatbestand gegeben ist, also der ERBE keinen Hauptwohnsitz in der Immobilie hatte) auf den letzten entgeltlichen Erwerb zurück zu gehen, also wann die Wohnung zuletzt "gekauft" wurde.

Wenn dieser letzte entgeltliche Erwerb VOR April 2002 lag, dann kann die vereinfachte Berechnung des "Altvermögens vorgenommen werden. Es fallen dann - im Ergebnis - 4,2% des jetzigen Verkaufserlöses als ImmoESt beim Verkäufer/Erben an.

Bei einem entgeltlichen Erwerb nach April 2002 wären es 30% vom "Gewinn", also der Differenz zwischen dem damaligen Kaufpreis + Ankaufsnebenkosten (Makler, Vertragserrichtung, GrESt, EintragGeb. usw,) sowie dem jetzigen Verkaufserlös.

https://www.vertragsbegleiter.at/immoest/

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Zvonko
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Re: ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von Zvonko » 01.12.2022, 16:07

Vielen herzlichen Dank für diese ausführliche und professionelle Antwort!

Diese Frage noch: Bei einem weit zurückliegenden letzten entgeltlichen Erwerb (z.B. 80er-Jahre) wird der damalige Kaufpreis wohl (wenn keine eigenen Unterlagen vorhanden) aus dem im GB archivierten Kaufvertrag feststellen lassen, oder? Anschaffungsnebenkosten (Steuer, Notar usw.) werden u.U. nicht feststellbar sein. Wird ein so weit zurückliegender Kaufpreis zumindest revalorisiert?

MG
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Re: ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von MG » 01.12.2022, 21:16

Beim Verkauf einer Liegenschaft, die in den 80ern angekauft wurde, werden Sie aller Voraussicht nach in jedem Fall mit der pauschalen Berechnung des "Altvermögens", also mit 4,2% Steuer vom jetzigen Verkaufserlös besser aussteigen.

Diese Berechnungsmöglichkeit wurde - wie im ersten Post schon ausgeführt - eben für alle Erwerbe, die vor April 2022 stattgefunden haben, eingeführt, weil sonst die Steuern exorbitant wären.

Wir hatten gerade vor ein paar Tagen so einen Fall in der Kanzlei. Verkauft wurde nun eine Eigentumswohnung um 480.000,-- €.
Diese Wohnung war Mitte der 80er um rund 21.000,-- € angeschafft woren.

Es wurde zwar damals einiges investiert, aber niemand hatte noch Rechnungen der Investitionen oder der damaligen Kosten vom Rechtsanwalt, Notar etc. Man hätte daher nur die 4,5% (damals war die Eintragungsgebühr 1%) GrESt und EintrGeb dazu rechnen können, dann kommt man auf 21.945,-- Ankaufskosten und bei jetzt 480.000,-- Verkaufspreis auf einen "Gewinn" von rund 458.000,-- €. Damit wäre die Steuer (30% davon) rund 137.000,-- €!!!

Bei der Berechnung von Altvermögen (also 4,2% von 480.000) sind es hingegen "nur" € 20.160,--.

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Re: ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von Zvonko » 02.12.2022, 09:47

Jetzt verstehe ich es erst, glaube ich, richtig: Es handelt sich in diesem Fall um eine pauschale Berechnung mit 4,2 % vom reinen Verkaufspreis, ohne Abzüge. (Ich nehme an, dass in diesem Fall auch die AfA-Beträge, die man ggf. im Rahmen einer Vermietung abgesetzt hat, nicht zum Verkaufspreis zu addieren sind.)

Nochmals vielen Dank! So kompetente Antworten bekommt man auch hier nicht so oft.

MG
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Re: ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von MG » 02.12.2022, 12:32

Im Falle der Vermietung von Altvermögen insbes. wenn AfA angesetzt wurde, sollten Sie im Verkaufsfall unbedingt steuerliche Beratung in Anspruch nehmen.

Das Thema wird dann einfach zu komplex und kann vom Vertragserrichter, der ja viele der wesentlichen Informationen nicht hat, uU nicht richtig beurteilt werden.

Wie kompliziert das ist, liest man sehr gut in der nachfolgenden Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes:

https://findok.bmf.gv.at/findok?execution=e1s1#:~:text=F%C3%BCr%20die%20AfA%2DBemessungsgrundlage%20k%C3%B6nnen,von%20mindestens%2010%20Jahren%20liegt.

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Re: ImmoESt beim Verkauf einer geerbten Eigentumswohnung

Beitrag von Zvonko » 02.12.2022, 15:48

Danke danke danke!

Aufgrund dieser IJnfos hier habe ich jetzt auch die folgende Erläuterung gefunden, die verständlich macht, woher die 4,2 % kommen:

"'Alt-Grundstücke,
Unter diesem Begriff sind Grundstücke zu verstehen, die vor dem 31. März 2002 angeschafft wurden und damit am 31. März 2012 grundsätzlich nicht steuerverfangen waren (das heißt, die grundsätzlich zehnjährige Spekulationsfrist gemäß Rechtslage vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 war bereits abgelaufen). Für diese gilt folgende pauschale Anschaffungskostenermittlung:
• Im Normalfall werden die Anschaffungskosten pauschal mit 86 Prozent des Veräußerungserlöses angesetzt. Der zu versteuernde Veräußerungsgewinn beträgt daher nur 14 Prozent des Veräußerungserlöses. Dieser ist mit dem besonderen Steuersatz in Höhe von 30 Prozent zu versteuern. Effektiv heißt das, dass die Steuerbelastung 4,2 Prozent (14 Prozent mal 30 Prozent) vom Veräußerungserlös beträgt."

[https://www.oesterreich.gv.at/themen/steuern_und_finanzen/immobilienertragsteuer/1/Seite.2420006.html]

Und zur meiner Zusatzfrage, ob bei der pauschalen Berechnungsmethode die abgesetzten AfA zu berücksichtigen wären, steht dort:

"Bei dieser pauschalen Berechnungsmethode dürfen abgesehen von den pauschalen Anschaffungskosten keine weiteren Abzüge vorgenommen werden.
Sollten für das veräußerte Grundstück innerhalb der letzten 15 Jahre Herstellungskosten nicht durch eine Normal-AfA, sondern nach § 28 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG beschleunigt abgesetzt worden sein (...), ist die Hälfte der Absetzungen pauschal den Einkünften (wieder) zuzurechnen."


In meinem wahrscheinlich noch ausreichend einfachen Fall z.B. sind einige Jahre AfA in Höhe von 1,5 % des Gebäudewertes abgesetzt worden, was wohl der "Normal-AfA" entspricht. In diesem Fall wären also die Abschreibungen nicht zum Verkauferlös zuzurechnen.

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