Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

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HeidiRugg
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Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von HeidiRugg » 17.08.2021, 10:48

Sehr geehrte Damen und Herren,

erlauben sie mir bitte eine allgemeine Frage zu den Auswirkungen der Covid-19-Gesetzgebung auf materiell-rechtliche Fristen in Zivilangelegenheiten. Normalerweise verjähren Geldforderungen aus einfachen Dienstleistungen in drei Jahren. Nun habe ich gelesen, dass die Covid-19-Gesetzgebung in Österreich (COVID-19-Justiz-Begleitgesetz) Hemmungen vorsieht, sodass die Verjährungsfrist nach hinten geschoben wird. Wenn ich nun mit einer Geldforderung aus einer Dienstleistung vom 01.08.2018 konfrontiert bin, besünde normalerweise keine Möglichkeit mehr, diese Forderung gerichtlich einzuklagen, da bereits nach § 1486 ABGB Verjährung eingetreten ist. Wie ist das aber nun auf der Grundlage der Covid-19-Gesetzgebung aus dem Jahr 2020? Gehe ich recht in der Annahme, dass sich die kurze Verjährungsfrist von 3 Jahren um 40 Tage verlängert? Würden sie mir hierzu bitte ihre Rechtsmeinung mitteilen.


Vielen Dank

Heidemarie



alles2
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von alles2 » 17.08.2021, 23:59

Habe heute mit dem Konsumentenschutz zweier Bundesländer darüber telefoniert. Niemand wusste etwas davon, dass sich durch ein COVID-19-Justiz-Begleitgesetz die allgemeine Verjährungsfrist bei Geldforderungen für erbrachte Leistungen verlängert hätte. Auch aus den folgenden Links ist dazu nichts zu entnehmen:

https://www.justiz.gv.at/trash/1-covid-19-justizbegleitgesetz~82b.de.html
https://www.justiz.gv.at/html/default/2c94848a6ff6ffb201715afa51fe361d.de.html

Bin mir gerade nicht sicher, wie Du auf die 40 Tage kommst. Kann mich nur erinnern, dass gerichtliche Fristen, die auf den 23. März 2020 bis 30. April 2020 fielen, mit dem 1. Mai 2020 neu zu laufen begannen.
Derweil nur stiller Mitleser, da ich gerade von Anwälten schikaniert wurde. Keine Anfragen mehr nach deren Namen und ob Ihr deren Kanzlei auf Google negativ bewerten sollt. Gerne melde ich mich per PN auf Eure Beiträge. Vorher bitte die Forensuche nutzen!

HeidiRugg
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von HeidiRugg » 18.08.2021, 07:31

Zur Auswirkung des 1. COVID-19-Begleitgesetzes für Justiz auf die Fortlaufhemmung der Verjährungsfrist bei materiell-rechtlichen Zivilangelegenheiten sind wenige Informationen auffindbar. Als das 1. Covid-19-Begleitgesetz für Justiz verabschiedet wurde, hat das Insitut für Europarecht der JKU Beispielfragen beantwortet und diese in der Sonderausgabe #4 vom 24.04.2020 veröffentlicht. Um zu erklären, wie ich auf die 40 Tage komme, verweise ich auf eine dieser Beispielfragen:

Frage:
Ab wann darf mich die zuständige Verwaltungsbehörde (oder das mit Beschwerde angerufene VwG) wegen eines Delikts, das ich am 16.04.2018 begangen habe, infolge Strafbarkeitsverjährung nicht mehr bestrafen?

Antwort:
Strafbarkeitsverjährung tritt gem § 31 Abs 2 VStG grds dann ein, wenn seit Abschluss der strafbaren Tätigkeit, seit dem Aufhören des strafbaren Verhaltens oder – bei Erfolgsdelikten – dem (späteren) Eintritt des zum Tatbestand gehörenden Erfolgs drei Jahre vergangen sind. In Bezug auf ein am 16.04.2018 vollendetes Verwaltungsdelikt würde Strafbarkeitsverjährung daher an sich mit Ablauf des 16.04.2021 eintreten. Gem § 2 Abs 1 COVID-19-VwBG wird jedoch die Zeit vom 22.03.2020 bis zum Ablauf des 30.04.2020 in Verjährungsfristen nicht eingerechnet. Dies hat zur Folge, dass sich der Ablauf der Frist für die Strafbarkeitsverjährung um diese 40 Tage nach hinten verschiebt und Verjährung erst mit Ablauf des 26.05.2021 eintritt. Soll der staatliche Strafanspruch nicht untergehen, muss die Behörde bis zu diesem Zeitpunkt ein Straferkenntnis erlassen (oder das mit Beschwerde angerufene VwG eine entsprechende Entscheidung treffen, wobei in diesem Fall auf die Verjährungsmöglichkeit nach § 43 VwGVG zusätzlich Bedacht zu nehmen ist).

Da das 1. COVID-19-Begleitgesetz für Justiz erst mit 31.12.2021 außer Kraft tritt, müsste diese Verlängerung der Verjährungsfrist nach wie vor gelten.

alles2
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von alles2 » 18.08.2021, 09:19

Es ist anzunehmen, dass es so ist, und auch aus dem ersten Link zu entnehmen:
Sowohl Verjährungsfristen, als auch Fristen für die Anrufung des Gerichts sind von 22. März 2020 bis 30. April 2020 gehemmt. Sie werden also um diesen Zeitraum verlängert. Neben Verjährungsfristen betrifft dies beispielsweise die Fristen zur Einbringung einer Besitzstörungsklage, einer Kündigungs- oder Entlassungsanfechtungsklage, einer Klage gegen den Bescheid eines Sozialversicherungsträgers (zB Pflegegeld, Invaliditäts- oder Berufungsunfähigkeitspension, Ausgleichszulage etc.) oder auch zur Anrufung des Gerichts in einer Mietrechtssache nach Vorliegen der Entscheidung der Schlichtungsstelle.
Zumindest ich bin mir nicht sicher, ob das auch wirklich für sämtliche Verjährungsfristen, im Besonderen für diese materiellrechtliche Frage, gilt. Hatte leider noch keine derartige Auseinandersetzung in einer Sache und kann daher von der Handhabung in der Praxis nicht berichten. Herumgesprochen hat sich das leider auch nicht wirklich.

Meine diesbezügliche Ansprechperson vom Justizministerium - Leiter der Sektion I Abteilung 2 für Sach-, Schuld- und Wohnrecht (Zivilrechtssektion) - Dr. Johannes Stabentheiner (01/5215230-2292 ansonsten -2265) ist aktuell auf Urlaub, weshalb ich ihn erst am Montag erreichen kann.
Wie bist Du denn eigentlich über dieses Thema gestolpert, wenn darüber ohnehin kaum was zu lesen ist, bzw. liegt einem Zahlungspflichtigen eine Entscheidung oder Stellungnahme vor?
Zuletzt geändert von alles2 am 03.09.2021, 11:50, insgesamt 1-mal geändert.
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HeidiRugg
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von HeidiRugg » 20.08.2021, 12:45

Wäre toll, wenn die sachkundige Auskunftsperson Licht ins Dunkel bringen könnte. Wie es im Leben manchmal so ist, biegt plötzlich eine Person aus der Vergangenheit um die Ecke und stellt nach Jahren noch eine Geldforderung. Normalerweise bereits verjährt. Da derartige Angelegenheiten womöglich auch in einer Mahnklage enden, möchte ich das Ganze nicht auf die leichte Schulter nehmen. Daher wäre ich froh über etwas mehr Klarheit, ob denn Dank dem COVID-19-Begleitgesetz für Justiz die kurze Verjährungsfrist tatsächlich um 40 Tag verlängert wird. Freue mich auf die Auskunft nächste Woche.

alles2
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von alles2 » 20.08.2021, 15:21

Eigentlich gebietet es der Anstand, berechtigte Forderungen zu begleichen. Und zwar unabhängig davon, ob sich diese nur in Bezug auf ein gerichtliches Zivilverfahren erübrigt hat. Es steht mir jedoch nicht zu, dies zu beurteilen.

Was mich eigentlich interessiert hätte ist, wie Du darauf gekommen bist, dass diese kurze Verjährungsfrist um rund 40 Tage ausgedehnt werden könnte. Also ich wäre an Deiner Stelle wohl nie auf diese Idee gekommen. Hast Du schon vorher von diesem Gesetz gehört oder hat Dich wer anderer darauf hingewiesen? Oder bist Du durch Zufall darauf gekommen, indem im Internet nach sowas wie "Verjährungsfrist verlängern" gesucht wurde?

Ich kannte das Gesetz zwar, allerdings hatte ich es nur für bereits laufende Verfahren in Verbindung gebracht. Im Gesetz selbst wird das Wort Verjährung nicht verwendet, sondern ist nur die Rede von verfahrensrechtliche Fristen. Als ich auf Deine Anfrage hin § 8 Abs.1 1. COVID-19-JuBG genauer in Augenschein nahm, wonach das Bundesministerin für Justiz zur Verlängerung von Fristunterbrechungen ermächtigt wäre, stattete ich deren Homepage einen Besuch ab. Dort wiederum wird "Verjährungsfrist" ins Spiel gebracht. Auch die in dem Paragraphen aufgelisteten Fälle dürften auf Deine Angelegenheit zutreffend sein.

Daher würde für mich die Verlängerung in Deinem Fall nicht wirklich Sinn machen. Wenn jemand sowieso nicht auf den letzten Drücker vorhatte, irgendwas zw. 21.3.2020 und 30.4.2020 in die Wege zu leiten, warum sollte dieser aktuell in den Genuss einer Verlängerung der allgemeinen Verjährungsfrist kommen!?! Schließlich hätte er es dann etwa 40 Tage unmittelbar nach der Unterbrechung vornehmen können. Aber gut, die wirklich zutreffenden Hintergründe kennen wir nicht und zumindest ich würde mich am Montag darum kümmern, falls mir sonst niemand zuvorkommt.
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HeidiRugg
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von HeidiRugg » 21.08.2021, 07:26

Ich habe mich auf der Website der WKO über zivilrechtliche Haftungs- und Verjährungsfristen erkundigt und dort wurde am Beginn des Textes darauf hingewiesen, dass aufgrund der aktuellen COVID-19-Gesetzgebung zu einzelnen Punkten zeitlich befristete Sonderbestimmungen gelten können. Um mögliche Sonderbestimmungen abzuklären, habe ich mich mit der COVID-19-Gesetzgebung beschäftigt. Beachtenswert ist die Bestimmung über die Fortlaufhemmung von Verjährungsfristen zwischen dem 22.03.2020 und 30.04.2020. In dieser Zeit ist die Verjährungsfrist quasi gestoppt und läuft danach wieder weiter. Dabei wird die ausgesetzte Zeit hinten angehängt (wie in der Nachspielzeit beim Fußball). Beispiele, wie Gerichte in derartigen Fällen urteilen, habe ich leider nicht gefunden.

alles2
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von alles2 » 21.08.2021, 09:32

Das ist durchaus nachvollziehbar. Es ist ja nicht neu, dass man ein Gesetz oder eine Verordnung so oder so auslegen könnte. Das zog sich gerade zu den Anfangszeiten der Pandemie, nicht zuletzt während der Amtszeit von Rudi Anschober, durch. Daher wollte auch ich mich nicht festlegen und hatte mich vorerst schlaumachen wollen. Gerade zur Urlaubszeit kein leichtes Unterfangen. Diese Sache interessiert mich mittlerweile selbst, weil ich auf einer Suche nach einer plausiblen Begründung bin, wieso man selbst nach so langer Zeit in den Genuss einer Ausdehnung kommen sollte. Aber schauen wir mal! Bei Bedarf kann man die Sektion elektronisch via team.z@bmj.gv.at erreichen. Es würde dann an die jeweilige Abteilung weitergeleitet werden.
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HeidiRugg
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von HeidiRugg » 01.09.2021, 17:44

Hat die Kontaktaufnahme zur fachkundigen Auskunftsperson im Justizministerium geklappt und gibt es gar was Neues zu unserem Thema zu berichten? Bin gespannt.

alles2
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von alles2 » 03.09.2021, 12:04

Hatte es Anfang letzter Woche mehrmals versucht. Daher habe ich neben der Telefonnummer auch die Email-Adresse hinterlegt. Aber nun gibt es neue Erkenntnisse, nachdem es auch gestern nicht hatte sein sollen:

Der bereits genannte Staatsanwalt der Zivilrechtssektion rief mich am Vormittag an und meinte, dass die Frage bei Herrn Dr. Dokalik der Abteilung 7 oder Frau Dr. Kloiber der Abteilung 8 besser aufgehoben wäre. Und tatsächlich, Letztere erklärt sich auch für die Online-Fassung verantwortlich. Sie gestand sich ein, es selbst nicht mit Gewissheit sagen zu können, ob die Hemmung gelten würde. Eine Rechtsprechung soll es dazu nicht geben bzw. sei ihr nicht bekannt und ein entsprechender Verjährungseinwand wäre immer vom Gericht zu klären. Selbst dort könne es passieren, dass die Richter es unterschiedlich auslegen. Ihrer Meinung nach würde die Hemmung in Deinem Fall greifen und verwies mehrmals auf § 2 des Bundesgesetzes. Auf der Homepages des Justizministeriums sei nur die Version zu lesen, wie die Juristin es ausgelegt hat. Sie merkte auch an, nicht sicher zu sein, ob die Anwendung des Paragraphen nur bis Ende des letzten Jahres oder noch heuer gilt.

Wie gesagt, ihre Tendenz ist JA, aber fix scheint noch nix zu sein. Ich hoffe damit einen Beitrag dazu geleistet haben zu können, dass der Zwiespalt nicht von ungefähr kommt, zumal dieser bis zum BMJ reichen dürfte. Falls jemand von dem potentiellen Recht Gebrauch machen möchte, kann man es bei Gericht einwenden und man würde sehen, wie der Richter entscheidet.
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HeidiRugg
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von HeidiRugg » 09.09.2021, 16:56

Der Beitrag war sehr hilfreich und ich bedanke mich recht herzlich.

vanlisur
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Re: Hemmung von materiell-rechtlichen Fristen durch Covid-Gesetzgebung

Beitrag von vanlisur » 14.03.2022, 13:16

Es ist nichts Neues, dass ein Gesetz oder eine Verordnung auf die eine oder andere Weise ausgelegt werden kann. Das war in den Anfängen der Pandemie der Fall, nicht zuletzt während der Amtszeit von Rudi Anschober. Deshalb wollte ich mich auch nicht festlegen und vorerst mehr erfahren. Keine leichte Aufgabe, besonders in der Ferienzeit. ich

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