Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden?

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cocoloco6
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Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden?

Beitrag von cocoloco6 » 02.05.2021, 16:35

Hallo liebe Community,

ich weiß wirklich nicht mehr wo mir der Kopf steht, auch weil sich die Sache ziemlich zieht und selbst die Gerichte sich nicht einig sein dürften. Bin mir nicht sicher ob ich hier richtig bin und wünsche mir daß jemand entsprechende Rechtssprechungen kennt. Wurde schon mit genug verschiedenen Ansichten konfrontiert. Brauche ich nicht mehr.

Es fing vor 9 Jahren an. Da forderte das Finanzamt durch Bescheide diverse Nachzahlungen. Ich nutzte das Rechtsmittel und weil sich das Amt in unmittelbarer Nähe des Postamtes befand, dachte ich mir, gebe ich es gleich beim Empfänger ab. Es handelte sich um den letzten Tag innerhalb der Frist, der auf einen Freitag fiel. Leider hatte das Amt bereits um 12 Uhr geschlossen, weshalb ich es von draußen in deren Postkasten einwarf. Nachdem dieser erst am nächsten Montag vom Finanzamt ausgeleert wurde, wurde es erst an dem Tag von denen abgestempelt.

Daß es verspätet sein soll, habe ich erst vor einem halben Jahr kurz und schmerzlos vom Bundesfinanzgericht erfahren. Eine gesetzliche Grundlage für die Entscheidung ist nicht zu entnehmen. Hätte mir das Zustellgesetz oder ähnliches erwartet. Mein Unverständnis darüber ist endenwollend weshalb ich beim Verwaltungsgerichtshof um eine Verfahrenshilfe bat. Dem wurde stattgegeben und der Anwalt ließ offen daß es für die Entscheidung des BFG keine Rechtssprechung gibt.

Ich rief den Richter an und fragte ihn auf was er sich da stützte. Er meinte ich sei obdachlos und für mich hätte es daher keine Auswirkung. Ich rieb mir die Augen weil ich es vor knapp einem Jahrzehnt noch nicht war. Für mich klingt das so als ob es da Absprachen mit dem Finanzamt gab. Denn kurz nach dem richterlichen Spruch rief das Amt an und teilte mir mit daß man aufgrund der Umstände sich nicht großartig damit beschäftigen werden könne.

Meine Frage wäre nun, ob es wirklich keine Rechtssprechung dafür gibt daß ein Rechtsmittel als verspätet gilt, wenn es innerhalb der Frist in den Briefkasten des Amtes gelangte ohne es wegen einem fehlenden Stempel nachweisen zu können?
Warum könnte der Verwaltungsgerichtshof den Erfolg des Verfahrens in Aussicht stellen? Könnte es vielleicht auch andere Gründe geben?

Vielen lieben Dank schon mal,
Christin



schanzenpeter
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Re: Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden

Beitrag von schanzenpeter » 02.05.2021, 17:08

Meines laienhaften Wissens, wird der Abgabebriefkastenn beim Finanzamt zu Diensbeginn geleert und der Eingangsstempel vom vorigen Werktag anngebracht. Am Montag also das Datum vom Freitag angebracht. Sollte jedoch das Datum vom Montag als Eingang angegeben sein, ist die Post erst nach der Entleerung am Montag und somit verspätet eigeworfenn worden.
Wellches Datum wurde als Eingang Vermerkt?

MG
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Re: Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden

Beitrag von MG » 02.05.2021, 19:21

User "schanzenpeter" hat das richtig dargelegt.

Aus einer Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates Wien:

Der Zeitpunkt des Einlangens eines Schriftstückes wird bei der persönlichen Abgabe und beim
Einwurf in den Einwurfkasten der Behörde durch den Eingangsstempel dieser Behörde
dokumentiert.

Sowohl beim Post- als auch beim Eingangsstempel ist der Beweis der
Unrichtigkeit des angegebenen Aufgabetages zulässig.

Nach den Ausführungen des Finanzamtes erfolgt die Entleerung des Einwurfkastens einmal
täglich vor Dienstbeginn, wobei die im Einwurfkasten befindlichen Schriftstücke das
Eingangsdatum des vorhergehenden Werktages erhalten
.

Es wird somit im Sinne einer bürgernahen Verwaltung vermutet, dass ein während der
Nachtstunden eingeworfenes Schriftstück noch bis 24.00 Uhr des Vortages eingelangt ist.

Bei Einwurf in den Briefkasten der Behörde am letzten Tag der Frist ist diese noch gewahrt,
auch wenn der Einwurfbehälter erst am Folgetag geleert wird, wenn erwiesen ist, dass das
Schriftstück bis 24.00 Uhr des letzten Tages der Frist eingeworfen wurde.

Sofern Schriftstücke, die erst morgens vor Dienstbeginn in den Hausbriefkasten der
Finanzbehörde gelangen, den Eingangsstempel des Vortages erhalten, so ist die Frist dennoch
versäumt, weil entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt eine Sendung tatsächlich bei der
Behörde eingetroffen ist.

Die Beweisregel, dass der Eingangsstempel den Beweis dafür
erbringt, dass ein Schriftstück am fraglichen Tag zugegangen ist, ist entkräftet, falls der
Briefeinwurf nach Fristablauf feststeht (Wanke, Der Einwurfkasten, ÖStZ 1993, 42).


Zusammengefasst: Wenn man die Eingabe in der Nacht vom letzten Tag der Frist zum ersten Tag nach der Frist die Eingabe in den Behördenpostkasten einwirft, dann erhält das Schriftstück, wenn die Behörde den Postkasten einmal am Tag vor Dienstbeginn leert, das Datum des letzten Arbeitstages. Man geht also zum Wohle der Rechtssuchenden davon aus, dass sie (auch wenn zB ein Wochenende dazwischen lag) rechtzeitig dran waren, auch wenn man als Behörde nicht wirklich feststellen kann, ob zB das Schriftsstück (rechtzeitig) am Freitag, oder verspätet am Samstag, am Sonntag oder vielleicht erst am Montag um 4 Uhr früh eingeworfen wurde.

Wenn es allerdings klar ist, dass das Schriftstück zB tatsächlich erst am Montag eingeworfen wurde, etwa weil im Schriftstück darauf Bezug genommen wird, dann wäre die Eingabe verspätet.

Im Falle des Threaderstellers wäre es daher wichtig zu wissen, welchen Eingangsstempel das Schriftstsück bekommen hatte.
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cocoloco6
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Re: Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden

Beitrag von cocoloco6 » 02.05.2021, 19:49

Vielen vielen Dank. Das habe ich alles gar nicht gewußt. Offengestanden habe ich den fett hervorgehobenen Teil noch nicht verstanden und muss mir das in Ruhe ansehen. Möchte mir die Entscheidung vom BFG und Stellungnahme der Verfahrenshilfe nochmal durchlesen. Kann mich nicht erinnern daß es in diese Richtung ging wie von euch beschrieben. ich denke ich muss zur Finanz und mir das Original zeigen lassen. Wer weiß ob vielleicht zu meinem Nachteil getrickst wurde.

Laut Gericht wurde das Rechtsmittel am 20. des Monats abgestempelt obwohl ich es Freitag davor, den 17., abgegeben hatte. Damals hatte ich sogar beim Finanzamt angerufen und gefragt ob das in Ordnung sei. Es handelte sich nicht um eine 050-Nummer sondern es war das Finanzamt der nächsten Stadt. Die Ämter gehören aber zusammen. Ich erwischte am Freitag zu Mittag oder Nachmittag noch jemanden. Im Nachhinein betrachtet verwunderlich. Damals glaubte ich daß das Finanzamt bis 15 oder halb vier auf hat. Deshalb war ich damals überrascht als die Tür schon zu war. An den kurzen Freitag dachte ich nicht.

Was glaubt ihr was ich nun tun sollte?
Hat die Verfahrenshilfe nun recht oder täuscht er sich?

MG
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Re: Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden

Beitrag von MG » 02.05.2021, 20:11

Zu klären wäre allenfalls auch, wie die Regelungen betreffend Leerung des Einlaufkastens beim FA damals geregelt war.

Sollte das FA damals einfach falsch gestempelt haben, wird es wahrscheinlich kaum möglich sein, das zu beweisen.

Noch ein paar interessante Entscheidungen zu der Thematik:

https://www.ris.bka.gv.at/JudikaturEntscheidung.wxe?Abfrage=Vwgh&Dokumentnummer=JWR_1993020118_19930929X01
RA Mag. Michael Gruner
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schanzenpeter
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Re: Rechtsmittel fristgerecht direkt im Briefkasten des Finanzamtes eingeworfen. Kann das als verspätet beurteilt werden

Beitrag von schanzenpeter » 03.05.2021, 11:11

Wenn der Entleerer am Montag womöglich einen Fehler gemacht hat, wären dann an diesem Tag mehrere Fristversäumnisse zu beklagen gewesen. Kann man das noch eruiren?

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