schanzenpeter hat geschrieben: ↑20.12.2019, 13:51
Habe vom neuen Erbrecht schon einiges gelesen, aber dass ein Testament automatisch ungültig wird, wenn eine Beziehung zu ende geht, gehört doch in allen Medien groß veröffentlicht, denn so was wichtiges wissen viele, so wie ich nicht. Außerdem, wer verständigt schon die Öffentlichkeit oder den Notar, dass eine Beziehung zu ende ist. Wer überprüft das? Werdenn die Nachbarn befragt? Bitte um Aufklärung, was ich falsch verstehe. Danke.
Ja, das wurde mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 in § 726 eingefügt.
"Mit
Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder
der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Erblassers werden
davor errichtete letztwillige Anordnungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen,
aufgehoben, es sei denn der Erblasser hat ausdrücklich das Gegenteil angeordnet."
Naja, wenn bei der Einantwortung bekannt ist, dass da eine Lebensgemeinschaft bestand, aber Zweifel daran aufkommen, ob diese nicht bereits vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde, so ist es Sache des erbenden Lebensgefährten zu beweisen oder glaubhaft zu machen, dass die Lebensgemeinschaft noch bestand.
Verfahrensrechtlich spricht nichts dagegen, dazu auch Zeugenbeweise zu beantragen (also auch Nachbarn zu befragen).
Maria2012 hat geschrieben: ↑20.12.2019, 15:22
@mastercrash:
Vielen Dank für Beantwortung der Fragen 2 und 3.
Eventuell hätten Sie noch Informationen für Frage 1 bitte und danke?
Frage 4: Im Speziellen, ob man wo nachsehen kann ob es einen ähnlichen Fall schon gibt/gab und wie da entschieden wurde bezüglich der Gültigkeit?
Frage 5: Wie und wo finde ich einen RA der spezialisiert ist auf genau diesen Fall (Gültigkeit v Testamenten)? Bevorzugt OÖ, aber gern auch österreichweit.
Frage 4: Juristen gehen wie folgt vor:
1. Gibt es höchstrichterliche Rechtsprechung dazu (je nachdem wonach man sucht von OGH, VfGH, VwGH, BVWG)? Hat ein entsprechendes Gericht zu einer Sache entschieden, so sind hier untere Gerichte zwar nicht an diese Entscheidung gebunden (anders als in den USA haben wir hier kein Richterrecht), doch halten sich auch untere Gerichte daran, da ihr Urteil wenn es im Widerspruch zur höchstrichterliche Rechtsprechung stünde ja im weiteren Instanzenzug zwangsläufig aufgehoben würde und niemand arbeitet gerne für den Papierkorb.
Sämtliche Urteile von Höchstgerichten werden im RIS veröffentlicht: https://www.ris.bka.gv.at
2. Gibt es Urteile gewöhnlicher (unterer) Gerichte zu so einem Fall (Landesgerichte, Oberlandesgerichte, untere Verwaltungsgerichte, ...)? In diesem Fall ist es ein Anhaltspunkt, dass sich die Rechtsprechung so entwickeln könnte, aber da noch kein Höchstgericht entschieden hat, ist es eben nur ein Anhaltspunkt.
3. Gibt es Fachkommentare dazu? Besonders Universitätsprofessoren, Richter, angesehene Anwälte schreiben recht schnell zu Gesetzesnovellen fundierte Kommentare zur Interpretation. Auch Richter wissen diese Kommentare zu schätzen, wenn sie in Bezug auf ein neues Gesetz urteilen müssen. Nicht wenige Kommentare werden von den früheren Uni-Professoren der Richter verfasst.
Für Punkt 2 und 3 gibt es neben der Möglichkeit in Fachbibliotheken nach Büchern und Fachzeitschriften zu einem Thema zu suchen auch professionelle juristische Datenbanken, die alles indizieren (und teilweise komplett scannen und erfassen) was sie in die Finger bekommen, zB die Manz Rechtsdatenbank: https://rdb.manz.at
Der Zugang zu solchen Datenbanken kostet aber jenseits der € 2000,- jährlich bei 12 Monaten Vertragslaufzeit. Eine Vorschau zu den Ergebnissen bekommt man aber auch schon so ohne Login. zB JusGuide 2019/30/17875 (OGH)
4. Gesetzesmaterialien
Auf der Seite des Parlaments https://www.parlament.gv.at findet man zu Gesetzesnovellen die "Erläuternden Bemerkungen". Diese beantworten die Frage, was sich die Politiker und Fachgremien dabei gedacht haben respektive vorhatten und helfen ungemein bei der Interpretation des Gesetzestextes.
5. Das Gesetz selbst interpretieren, mit Wortinterpretation, teleologischer Interpretation, systematischer Interpretation, historischer Interpretation, ...
Nun zu den Ergebnissen diesen Fall betreffend:
1. und 2.: Ohne jetzt jeden Stein umzudrehen habe ich in aller Kürze keine Rechtsprechung zu einem analogen Fall gefunden. (Also Testament vor Beginn der Lebensgemeinschaft erlassen, dann Lebensgemeinschaft angefangen, dann Lebensgemeinschaft aufgelöst und dann Erbfall).
Was ich gefunden habe war das Urteil OGH 29.4.2019, 2 Ob 192/18a. Es betrifft nicht direkt so einen Fall, doch die Argumentation kann durchaus ähnlich gesehen werden: "Im Verfahren über das Erbrecht brachte die Erstantragstellerin vor, ihre Beziehung zum Erblasser sei auch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft sehr gut gewesen. Es habe ein enger Kontakt bestanden. Der Erblasser habe nach Auflösung der Lebensgemeinschaft mehrfach und ausdrücklich (mündlich) erklärt, sein Testament unverändert aufrecht erhalten zu wollen. Es sei daher uneingeschränkt wirksam." Wurde aber vom OGH abgeschmettert
3. Müsste ich noch schauen, kann aber von Zuhause aus zB nicht auf die Manz RDB zugreifen. Müsste dazu ins Büro weil die nur die IP Adresse freischalten von der das Produkt gekauft wird.
4. Das Parlament schreibt:
Testamente zu Gunsten des früheren Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten sollen nach diesem Entwurf als aufgehoben gelten, wenn die Ehe, eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft aufgelöst wurde; Diese neu eingefügte Bestimmung, sieht die Vermutung eines stillschweigenden Widerrufs jener letztwilligen Verfügungen vor, die vor der – zu Lebzeiten des Verstorbenes erfolgten – Auflösung der Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft zugunsten des früheren Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten errichtet wurden. ...
Üblicherweise spiegelt diese Vorschrift wohl den mutmaßlichen Willen eines Verstorbenes wider: Ein früherer Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte wird gerade nicht wollen, dass der andere Teil von ihm erbt.
5. Das Gesetz:
Mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Erblassers werden davor errichtete letztwillige Anordnungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn der Erblasser hat ausdrücklich das Gegenteil angeordnet.
Im Ergebnis würde ich aktuell davon ausgehen, auch wenn es in diesem Fall wahrscheinlich nicht dem Willen des Erblassers entsprach (was aber eben das Parlament klar angenommen hat, siehe oben), dass das Testament mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft auch aufgelöst wurde. Die Interpretation des Gesetzes würde nur diesen Schluss zulassen.
Jetzt könnte man natürlich bei Gericht argumentieren, dass dies in diesem Fall vermutlich eben nicht dem Willen des Erblassers entsprochen hätte, aber die entsprechende Norm nur wegen dieses mutmaßlichen Willens novelliert wurde der hier nicht zutrifft. Solche Argumentationen contra Gesetzestext und pro "Erläuternde Bemerkungen" haben aber leider nicht sehr oft Erfolg. Siehe auch besagtes Urteil OGH 29.4.2019, 2 Ob 192/18a.