Fragwürdige Sachbeschädigung mit skurrilem Verlauf

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astan
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Fragwürdige Sachbeschädigung mit skurrilem Verlauf

Beitrag von astan » 14.10.2019, 08:57

Werte Juristen!

Ich trete mit der Bitte um eure fachliche Einschätzung der nachfolgenden Situation an euch heran.

Lasst mich doch versuchen den Case so neutral wie möglich zu formulieren:

Mein Sohn, 15, hat etwas angestellt. Er hat in der Schule einer Mitschüler das Handy weggenommen und solange den Code falsch eingegeben, bis es gesperrt war. Er hat das Gerät dem Mädchen anschliessend wieder ausgehändigt.

Der Direktor der Schule hat meine Frau kontaktiert, die Eltern des Mädchens hätten ihm den Vorfall gemeldet. Es hiess, das Gerät wäre zwei Monate alt und irreparabel. Er wäre eigentlich als Vertreter der Schule verpflichtet Anzeige zu erstatten, würde aber davon absehen, wenn wir den Schaden, der mit 650 Euro beziffert wurde , am Folgetag in bar der Geschädigten aushändigen würden.

Meine Frau ist dem nachgekommen, hat den geforderten Betrag dem Mädchen im Beisein des Direktors am Folgetag übergeben, der Direktor liess das Mädchen eine Quittung unterschreiben. Soweit, so gut.

Das Mädchen hat daraufhin zusammen mit ihren Eltern ein neues, höherwertiges Handy bestellt. Mein Sohn bat sie dann, ihm das defekte Handy zu geben, da er es ja praktisch bezahlt hatte.

Das war dann auch so, allerdings stellte sich dann heraus, dass das Handy auf Vorder- und Rückseite starke Beschädigungen aufwies, nicht 2 Monate, sondern bereits mindestens ein Jahr alt war und bestenfalls noch einen Marktwert von 200 Euro besass. Zu allem Überfluss war das Gerät auf keineswegs irreparabel, sondern nur mit Benutzername und Passwort online freizugeben wäre.

Ich habe daraufhin den Direktor damit konfrontiert, der dann auch die Mutter des Mädchens kontaktierte, die dann wiederum auf mich zukam. Ich bot an bei der Reaktivierung des Gerätes behilflich zu sein und einigte mich mit dem Vater, als Entschädigung für die Aufwände zusätzlich die Reparatur des Displays (ca. 100.- Euro) zu übernehmen und wir im Gegenzug den Betrag wieder zurückerstattet bekämen.

Allerdings hiess es, die zur Freischaltung erforderlichen Passwörter wären nicht mehr bekannt und es gäbe auch keinen Kaufnachweis für das Gerät, was ein alternativer Weg gewesen wäre die Reaktivierung des Gerätes beim Hersteller zu erwirken. Ich konnte das Gerät also nicht freischalten

Die anfängliche Kooperationsbereitschaft schwächte auch zunehmends ab, der Vater liess mir ausrichten , sie würden uns 400 Euro zurückerstatten, somit müsste mein Sohn doch 250 Euro für das Handy bezahlen. Wenn wir das nicht annehmen würden, würde die Mutter sogar soweit Anzeige gegen unseren Sohn zu erstatten, wenn wir den Rechtsweg einschlagen würden.

Jetzt würde ich gerne wissen wie sich die rechtliche Situation aus neutraler Expertensicht darstellt.

Besten Dank im Voraus für eure Kommentare

Herzliche Grüsse

A.Stancic



mastercrash
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Registriert: 15.10.2019, 23:42

Re: Fragwürdige Sachbeschädigung mit skurrilem Verlauf

Beitrag von mastercrash » 16.10.2019, 01:22

Wo ist in diesem Forum das Kopfklatsch-Smilie, wenn man es braucht... Also wenn es den Professoren an der Uni mal an Kreativität für einen Übungsschein aus Bürgerlichem Recht mangelt möchte ich auf dieses Forum verweisen. Den Fall könnte man 1:1 in einer Uni-Übungsklausur übernehmen.
astan hat geschrieben:
14.10.2019, 08:57
Mein Sohn, 15, hat etwas angestellt. Er hat in der Schule einer Mitschüler das Handy weggenommen und solange den Code falsch eingegeben, bis es gesperrt war. Er hat das Gerät dem Mädchen anschliessend wieder ausgehändigt.
Meiner Meinung nach kann bereits hier ein Verschulden uU angezweifelt werden.
Man muss doch nicht davon ausgehen, dass nur deshalb, weil man die PIN mehrmals falsch eingibt ein Handy dauerhaft unbrauchbar wird. Das liegt jedenfalls weit außerhalb meiner Lebenserfahrung und ist wahrscheinlich jedem schon mal selbst passiert, dass das Handy dann einige Minuten oder auch eine Stunde gesperrt war, weil man im Halbschlaf mal wenig erfolgreich auf eine SMS antworten wollte.
Vorsatz bezieht sich hier nicht auf das kurzzeitige Wegnehmen, denn das war ja zweifelsohne vorsätzlich, sondern müsste sich eben auf die dauerhafte Unbrauchbarmachung des Handys beziehen. Wenn Ihr Sohn wusste, dass bei diesem Handy-Modell es möglich ist, dass es sich durch das mehrfache falsche eintippen des PIN dauerhaft sperrt, und sich zumindest damit abgefunden hat, dann wäre es Vorsatz. Das vorsätzliche Wegnehmen wäre zivilrechtlich eine Besitzstörung (mit der Möglichkeit der Unterlassungsklage) aber wenn ich in meiner Schulzeit jede Kleinigkeit angeklagt hätte, hätte ich wohl ein ganzes Bezirksgericht nur für mich alleine gebraucht.
Fahrlässig wäre es, wenn man die im Verkehr übliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und die Folge von dieser Fahrlässigkeit es im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung ist, dass ein Handy dadurch dauerhaft unbrauchbar wird.
Ich habe bis dato noch kein Handy gesehen, das sich länger als eine Stunde gesperrt hat aber kenne eigenlich nur iOS und Android auf Samsung.
Daher trennen sich jetzt zivilrechtlich die Wege, je nachdem ob man es im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung für nicht abwegig hält, dass wegen der mehrfach falschen PIN Eingabe ein Handy dauerhaft unbrauchbar wird oder nicht:


Fall 1: Nein es ist nicht üblich und ein Verschulden liegt nicht vor bzw das Verschulden liegt am Geschädigten, weil der ja offenbar Zugangsdaten (Allerdings hiess es, die zur Freischaltung erforderlichen Passwörter wären nicht mehr bekannt") fahrlässig verschludert hat:

Ich sähe hier gute Chancen, Argumentation: Kein Verschulden des Schädigers, es ist nicht im Bereich allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein Gerät nur wegen der mehrfachen Falscheingabe dauerhaft unbrauchbar wird und dies geschah auch nur deshalb, weil die Geschädigte in fahrlässiger Weise die Zugangsdaten nicht sorgfältig verwahrt hat.

Rechtsfolge: Sämtliche geleistete Ersatzansprüche wurden irrtümlicherweise geleistet, in der Annahme es bestehe ein Schadenersatzanspruch der de facto nicht besteht. Rückgabe der Zahlungen an Sie und des Handys an die ursprüngliche Eigentümerin.

Fall 2: Man nimmt ein Verschulden Ihres Sohnes an und sagt: Es ist zumindest fahrlässig die PIN mehrfach falsch einzugeben und da kann man schon erwarten, dass sich das Ding dauerhaft sperrt.

Verschulden gegeben - Rechtswidrigkeit gegeben - Rechtswidrigkeitszusammenhang (conditio sine qua non) gegeben.
Erstattung des tatsächlich entstandenen Schadens.
astan hat geschrieben:
14.10.2019, 08:57
allerdings stellte sich dann heraus, dass das Handy auf Vorder- und Rückseite starke Beschädigungen aufwies, nicht 2 Monate, sondern bereits mindestens ein Jahr alt war und bestenfalls noch einen Marktwert von 200 Euro besass.
Damit bestand bzw besteht ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens und damit auf den Marktwert des Geräts. Dieser ist ggf durch einen Sachverständigen (zB neutralen Handyshop oder Techniker) bewerten zu lassen.
Rückerstattung des zu viel gezahlten Betrages und das Handy bleibt bei deinem Sohn.

Mischung aus Fall 1 und 2:
Fahrlässigkeit des Sohnes die PIN mehrfach falsch einzugeben und genauso fahrlässig Benutzerdaten die für eine Reaktivierung des Handys erforderlich sind zu verschludern = Mitverschulden des Geschädigten. Grundsätzliche Teilung der Schadenshöhe. Hat das Handy tatsächlich nur einen Marktwert von 200€, dann muss Ihr Sohn 100€ erstatten bzw kann den zu viel bezahlten Betrag zurückfordern. Halte ich durchaus auch für eine mögliche Variante.
astan hat geschrieben:
14.10.2019, 08:57
Wenn wir das nicht annehmen würden, würde die Mutter sogar soweit Anzeige gegen unseren Sohn zu erstatten, wenn wir den Rechtsweg einschlagen würden.
Strafanzeige oder was möchten sie machen? Dazu wäre zu sagen, dass es keine fahrlässige Sachbeschädigung im StGB gibt, nur eine vorsätzliche. Hier würde der selbe Vorsatz und nur der Vorsatz aus dem ABGB gelten, ich wiederhole mich:

Vorsatz bezieht sich hier nicht auf das kurzzeitige Wegnehmen, denn das war ja zweifelsohne vorsätzlich, sondern müsste sich eben auf die dauerhafte Unbrauchbarmachung des Handys beziehen. Wenn Ihr Sohn wusste, dass bei diesem Handy-Modell es möglich ist, dass es sich durch das mehrfache falsche eintippen des PIN dauerhaft sperrt, und sich zumindest damit abgefunden hat, dann wäre es Vorsatz (mindestens der hier besagte dolus eventualis erforderlich). Wäre hier sehr schwer zu beweisen, weil Ihrem Sohn nachzuweisen wäre, dass er es zumindet für durchaus möglich und dann in Kauf genommen hat, dass das Handy nie mehr benutzt werden kann. Kann ich mir nicht vorstellen, nur wegen der PIN falsch eingeben.

Der Staatsanwalt stellt so einen Fall noch vor dem Frühstück ein, wenn es nicht wirklich offenkundige Absicht Ihres Sohnes war, das Handy dauerhaft unbrauchbar zu machen (§ 125 4. Fall StGB)

Ich würde hier einen möglichen Betrug zu Ihrem Nachteil sehen. Der Schaden wurde mit € 650,- beziffert, obwohl das Handy offensichtlich einen viel geringeren Wert hat.
Sie könnten daher Strafanzeige erstatten wegen Betruges nach § 146 StGB. Es wurde der Irrtum errgt, das Handy hätte einen erheblich höheren Marktwert, als dies tatsächlich war, um Sie zu einer unrechtmäßig hohen Schadenersatzzahlung zu verleiten (die Sie dann ja auch geleistet haben) und das hat Sie am Vermögen geschädigt.
Hier sähe ich weit bessere Chancen, dass der Fall nicht eingestampft würde sondern zB in einer Diversion (zB Täter-Opfer-Ausgleich wobei die Familie der ursprünglich Geschädigten die Täter wären) oder auch in einer strafrechtlichen Verurteilung enden würde.

So viel zu meiner Einschätzung :D Ich hoffe ich konnte Ihnen einen kurzen Überblick verschaffen.
Ich weise darauf hin, dass auf die von mir in diesem Forum gegebenen kostenlosen Auskünfte keine Gewährleistung auf Richtigkeit besteht und keine professionelle Rechtsberatung ersetzen kann.

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