Testament erhalten. Wie Pflichtteil geltend machen? Was nun?

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Dschi
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Registriert: 01.07.2014, 08:43

Testament erhalten. Wie Pflichtteil geltend machen? Was nun?

Beitrag von Dschi » 01.07.2014, 08:52

Hallo zusammen :)

Ich bin völlig ratlos :(

Ich hätte folgendes Problem bzw. folgende Fragen zum Erbrecht (Pflichtteil):

1.) Meine Mutter ist im März 2014 verstorben und nun erhielt ich von der Gerichtskommissärin eine Abschrift des Testaments. Im Testament steht, dass mein Bruder als Alleinerbe eingesetzt ist. Ich soll nur den mir zustehenden Pflichtanteil erben. Folgender Passus ist im Testament zu lesen:

„Meine Tochter, XY, beschränke ich auf den ihr nach dem Gesetz gebührenden Pflichtteil, in welchen sie sich sämtliche Vorempfänge einrechnen lassen muss.“

Wo oder wer kann mir die Vorempfänge „einrechnen lassen“? Ich weiß nicht so recht, was meine Mutter damit gemeint hat. Welches Geld soll das sein, das ich angeblich „empfangen“ habe?

2.) Was mache ich jetzt, nachdem ich das Testament erhalten habe? Muss ich Kontakt mit der Gerichtskommissärin aufnehmen? Was genau schreibe ich ihr? Ich weiß ja nicht mal, was sonst noch an Vermögen vorhanden ist (Haus ist auf jeden Fall vorhanden – das hat mein Bruder bereits im Jahr 1991 überschrieben bekommen), aber gibt es Sparbücher, Lebensversicherung etc.? Falls ja, werden diese Dinge ja auch zum Nachlass gerechnet, oder?). Im Begleitschreiben der Gerichtskommissärin steht nicht wirklich was (nur dass sie mir das Testament übermittelt).

3.) Wer kann mir jetzt sagen wie viel mein Pflichtteil ausmacht und wie mache ich meinen Pflichtteil geltend? Wie sind üblicherweise die nächsten Schritte, nachdem man eine Kopie des Testaments erhalten hat?

Bitte um Hilfe :)

Vielen lieben Dank und liebe Grüße, Dschi



lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 01.07.2014, 11:43

Der gesetzliche Pflichtteil ist ein (schuldrechtlicher) Anspruch gegen die im Testament eingesetzten Erben des Erblassers (§ 783 ABGB /Noterbe = Pflichtteilserbe zum Verständnis).

Zunächst darf ich Sie beruhigen, da Ihnen der Pflichtteil testamentarisch zuerkannt wurde, haben Sie 30 Jahre Zeit diesen zu fordern. Es handelt sich um den bloßen Nichtgebrauch eines zugestandenen Rechts, das an sich hätte ausgeübt werden können (§ 1478 Satz 2 ABGB). Die Frist beginnt zu laufen nach der Übermittlung der Urkunden an den Gerichtskommissär und dessen Eintragung in ein Übernahmeprotokoll (§§ 151, 152 Abs 1 AußStrG).

Dass hier etwaige Zuwendungen zu Lebzeiten anzurechnen sind, ist ohnedies von Gesetzeswegen so vorgesehen (siehe §§ 784 ff ABGB, insbesondere §§ 787 Abs 2, 788, 789 ABGB).

Sie müssen Ihr Pflichtteilsrecht einklagen, von alleine wird sich da niemand darum kümmern, deswegen rate ich Ihnen sich in die Hände eines Rechtsanwaltes zu begeben. Sie haben ein Recht auf den gesetzlichen Pflichtteil, das Gericht muss Ihnen diesen bei der Einantwortung des Alleinerben nicht von Amts wegen (automatisch von sich aus) zusprechen; Sie müssen ihn einklagen.

Hubert Neubauer
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Beitrag von Hubert Neubauer » 01.07.2014, 14:23

Klagen müssen Sie nicht sofort. Nur für den Fall, dass keine gütliche Einigung gibt, müssen Sie klagen.

Ich würde jedenfalls rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Dschi
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Beitrag von Dschi » 01.07.2014, 21:25

Vielen Dank lexlegis und Hubert Neubauer für die Antworten :)

Was ich aber noch immer nicht verstehe:

Woher weiß bzw. erfahr ich jetzt aber, wie hoch (in Euro) mein Pflichtanteil ist? Das muss doch "irgendjemand" ausrechnen, oder? Macht das die Gerichtskommissärin oder das Gericht?

Anwalt will ich mir (zumindest einstweilen) keinen nehmen (Anwalt werd ich mir sowieso nur dann nehmen, wenns nicht anders geht - sprich wenn mein Bruder mir den Pflichtteil nicht auszahlen will), denn auf den Anwaltskosten bleib ich dann ja auch sitzen :(

Ich wüsste jetzt einfach nur mal gerne, wie hoch - in Euro - mein Pflichtanteil ist, damit ich weiß, ob es sich überhaupt auszahlt weitere Schritte zu unternehmen.

lexlegis
Beiträge: 1186
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Beitrag von lexlegis » 02.07.2014, 09:50

Zur Erklärung, damit keine Missverständnisse auftreten:

Hier liegt gewillkürte (testamentarische) Erbfolge vor.
Der Erblasser muss seine Kinder und den Ehegatten im Testament bedenken (§ 762 ABGB). Tut er dies nicht, haben das übergangene Kind und der übergangene Ehegatte ein Pflichtteilsrecht.

Der gesetzliche Pflichtteil beträgt die Hälfte dessen, was nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre (§ 765 ABGB).

Es kommt also zunächst darauf an, was Sie nach der gesetzlichen Erbfolge (§§ 731 ff ABGB) geerbt hätten. Bei 2 Kindern und einem Ehegatten bekommt der Ehegatte zunächst 1/3 der Erbmasse (§ 757 Abs 1 Satz 1 ABGB). Demnach bekommen die beiden Kinder je 1/3 damit es sich auf 3/3 ausgeht. Die Hälfte eines Drittels ist 1/6. Als gesetzlicher Pflichtteil gebührt Ihnen somit 1/6 der gesamten Erbmasse.

Gab es beim Erbanfall keinen Ehegatten (Scheidung) oder ist dieser VOR dem Erblasser verstorben (§ 536 ABGB), so erben gemäß § 732 ABGB die Kinder das gesamte Vermögen. Demnach stünde Ihnen (wenn nur Sie und Ihr Bruder vorhanden sind) nach der gesetzlichen Erbfolge gemäß § 732 ABGB die Hälfte der gesamten Erbmasse zu, wonach der Pflichtteil gemäß § 765 ABGB ein Viertel des Ganzen wäre.

Wie viel der Nachlass und demnach auch der Pflichtteil Wert ist muss berechnet (geschätzt) werden (§ 784 ABGB).

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