Wasseranschlussabgabe in NÖ nach über 20 Jahren verrechnen?

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IronSystem
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Wasseranschlussabgabe in NÖ nach über 20 Jahren verrechnen?

Beitrag von IronSystem » 17.01.2014, 11:01

Ich habe von meiner Großmutter ein Haus in NÖ geschenkt bekommen.
Das Haus wurde ca 1970 errichtet, der Wasseranschluss an die Gemeindewasserleitung erfolgte erst später, seit dem wurde aber nichts mehr am Haus verändert.

Anscheinend hat unsere Gemeinde, als die Gemeindewasserleitung verlegt wurde, keine Wasseranschlussabgaben verrechnet. (Alle in unserer Umgebung haben einen Bescheid erhalten)

Die Gemeinde hat meiner Großmutter einen Abgabenbescheid (Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe) geschickt.
Meine Großmutter hat angerufen und mich als Eigentümer angegeben. Nun habe ich einen Abgabenbescheid (Wasseranschlussabgabe) mit dem ca doppelten Betrag bekommen.
Auf Rückfrage bei der Gemeinde, warum ich einen anderslautenden Bescheid erhalten habe, gaben sie mir die Auskunft, dass der erste Bescheid überhaupt falsch war und der neue korrekt sei.
Dazu kommt noch, dass wir den ersten Bescheid 2013 und den zweiten erst 2014 erhalten haben, das Datum auf beiden Bescheiden aber gleich ist (16.12.2013).

Meine Fragen diesbezüglich lauten:
Darf der Wasseranschluss nach über 20 Jahren verrechnet werden?
Ob und wenn ja, wie kann ich mich gegen die Gemeinde zur Wehr setzen?
Wie stehen meine Chancen, wenn ich Berufung gegen den zweiten Bescheid erhebe, der mir erst 2014 zugestellt wurde?

Ich bedanke mich bereits im Voraus für jede hilfreiche Antwort!



lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 17.01.2014, 14:26

Hinsichtlich der Tatsache, dass Sie (scheinbar) einen verwaltungsrechtlichen Zahlungsbescheid erhalten haben, wird es sich wohl um öffentliches Recht handeln. Grundsätzlich steht auf sämtlichen Bescheiden eine Rechtsmittelbelehrung gegen die Entscheidung der Behörde. Um an die Sache exakt rangehen zu können wäre es vorteilhaft den Inhalt des Bescheids unter die Lupe nehmen zu können, damit klar wird auf welche Anspruchsgrundlagen sich die Gemeinde diesbezüglich stützt und ob diese schon verjährt sind.

IronSystem
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Beitrag von IronSystem » 17.01.2014, 17:27

Ich danke für die rasche Antwort.

Verjährt hier der Anspruch bezüglich des Wasseranschlusses innerhalb von 5 Jahren gemäß § 156 NÖ AO 1977?

Abgabenbescheid:

http://aron.runout.at/Bilder/1.PNG
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lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 17.01.2014, 18:13

Bevor Sie ein Gesetz für anwendbar erklären, müssen Sie immer zuerst herausfinden, ob dieses Gesetz auf die gegebene Sachlage tatsächlich anwendbar ist.

Fast immer steht am Anfang eines Gesetzes in § 1 der Anwendungsbereich für dasselbe.

Dem Bescheid nach stützt sich die Gemeinde bei ihren Forderungen auf § 6 NÖ GEMEINDEWASSERLEITUNGSGESETZ 1978. Nach Abs 1 des § 6 wird die Wasseranschlussabbgabe an die Gemeinde für den Wasseranschluss an die Gemeindewassserleitung entrichtet, dabei sind die in Abs 2 vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu verwenden.

Die Frage ist nun, ob die Wasseranschlussabgabe eine Abgabe im Sinne des § 1 Abs 1 NÖ Abgabenordnung 1977 ist.

Da das NÖ GEMEINDEWASSERLEITUNGSGESETZ 1978 kein Bundesgesetz ist (daher auch keine allgemeine bundesrechtliche Regelung enthält) und die Abgaben nicht durch Organe des Bundes sondern der Gemeinde mittels Abgabenbescheid eingehoben werden ist es auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Auch § 78 AVG spricht nicht gegen eine Anwendbarkeit, denn in diesem ist ebenso von Bundesverwaltungsabgaben die Rede; der hier vorliegende Sachverhalt behandelt jedoch die Gemeindeverwaltungsabgaben, daher ist die NÖ Abgabenordnung 1977 anwendbar. Auch der bezüglich des Säumniszuschlages im Bescheid zitierte § 217a Bundesabgabenordnung weißt darauf hin, dass es sich hier eindeutig um eine Gemeindeabgabe handelt.

Nun da geklärt wurde, dass die NÖ Abgabenordnung 1977 Anwendung findet können wir uns die §§ näher ansehen.

Der von Ihnen zitierte § 156 Abs 1 NÖ Abgabenordnung 1977 bezüglich der Verjährungsfrist ist demnach anwendbar.

Zu beachten ist der Beginn der Verjährungszeit nach § 157 NÖ Abgabenordnung 1977. Da es sich um einen Abgabenbescheid und keine Ordnungsstrafe (§ 156 Abs 2 NÖ Abgabenordnung 1977) handelt, beginnt die Zeit der Verjährung gemäß § 157 lit a NÖ Abgabenordnung 1977 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Beachten Sie hierbei die mögliche Unterbrechung der Verjährungsfrist nach § 158 NÖ Abgabenordnung 1977. Danach wird sie durch jede erkennbare Amtshandlung der Gemeinde für die Abgabepflicht gegen den Abgabepflichtigen unterbrochen. So etwas, liegt, wie Sie sagen jedoch nicht vor, da sich bis zum jetzigen Zeitpunkt niemand von der Gemeinde erkennbar darum gekümmert hat.

Daher ist die Forderung der Gemeinde gemäß § 156 Abs 1 iVm § 157 lit a NÖ Abgabenordnung 1977 grundsätzlich verjährt.

§ 156 Abs 1 und § 158 Abs 3 NÖ Abgabenordnung 1977 wurden sehr widersprüchlich formuliert. Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass ungeachtet der in § 158 NÖ Abgabenordnung 1977 genannten Hemmungskriterien die Verjährung nach 15 Jahren ab der Entstehung des Abgabenanspruches in jedem Fall vorliegt.

Spielt aber keine Rolle, bei über 20 Jahren ist die Forderung also in jedem Fall verjährt.

IronSystem
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Beitrag von IronSystem » 17.01.2014, 19:03

Danke, das war sehr aufschlussreich.

Demzufolge besteht der Anspruch nicht zurecht, trotzdem hat eine erhobene Berufung keine aufschiebende Wirkung (laut Rechtsmittelbelehrung anhand des Abgabenbescheides) und daher müsste ich den Betrag einzahlen.

Wenn der Anspruch der Gemeinde jedoch verjährt ist, ist er nicht mehr einklagbar. Wenn ich nun bezahlen, könnte ich das Geld nicht mehr zurückfordern, wenn ich mich nicht irre.

Soll ich daher den Betrag einzahlen bzw. wie kann ich dann mein Geld zurückfordern?

Andere aus der Gemeinde (da ihnen der Bescheid am 16.12.2013 zugegangen ist) haben bereits ihren Betrag geleistet ohne von der Verjährung Kenntnis zu haben.

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 17.01.2014, 19:07

Ich würde ein Schreiben mit den von mir oben angeführten Konstatierungen an die Gemeinde senden und auf eine Antwort warten. Weigern die sich, diese Tatsachen anzuerkennen, müssen Sie sich in der nächsten Instanz beschweren. Dies geht bis zum Verwaltungsgerichtshof.

Die Frage ist zunächst, wann (in welchem Jahr) der Anspruch auf Abgabe entstanden ist. (Beginn der Verjährungszeit)

IronSystem
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Beitrag von IronSystem » 17.01.2014, 19:26

Ich habe noch eine letzte Frage:

Mir ist der zweite (laut Gemeinde korrekte) Bescheid erst im Jänner zugegangen und wurde von der Gemeinde höchstwahrscheinlich auch erst im Jänner abgeschickt.

Durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hat sich die Rechtslage seit 1. Jänner geändert.

Hat dies Auswirkungen auf mein Problem?

lexlegis
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Beitrag von lexlegis » 17.01.2014, 19:37

Ich bin mir sicher, dass Ihnen diese Frage einer der Kollegen dieses Forums beantworten kann, ich habe leider keine Zeit mehr, da ich verabredet bin.

Ich wünsch Ihnen noch einen schönen Abend!

Hubert Neubauer
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Beitrag von Hubert Neubauer » 18.01.2014, 08:05

Sie muessen entweder Vorstellung oder Beschwerde gegen den Bescheid erheben!

Manannan
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Beitrag von Manannan » 19.01.2014, 20:15

Gem § 8 Abs 5 F-VG können die Länder die Gemeinden zur Einhebung von Abgaben - hier Interessentenbeiträgen, nach bestimmten Vorgaben ermächtigen, wie zB hier mit dem NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978.
§ 5 Abs 4 leg cit enthält zB die Ermächtigung zur Erlassung einer Gemeinde-Wasserabgabenordnung.

Wesentlich für Ihre Anfrage ist die Entstehung des Abgabenanspruches. Die Regelung findet sich in § 15 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz iVm der geltenden Abgabenordnung Ihrer Gemeinde.

Entscheidend für den Abgabenanspruch sind demnach

Abs 1: Bescheid der Anschlussbewilligung (Erstbewilligung)
Abs 2: Anspruch auf Ergänzungsabgabe mit Einlangen der Veränderungsanzeige! (demnach muss eine solche bei der Gde eingelangt sein!)
Abs 6: Abgabenschuldner ist grundsätzlich der Liegenschaftseigentümer.

Wenn der Bescheid mit 2013 datiert ist und Sie den erst 2014 erhalten haben so haben Sie daraus keinen unmittelbaren Rechtsnachteil. Die Berufungsfrist beträgt ab Zustellung ein Monat(es gilt die BAO!). Sollten Sie diese versäumt haben, so ist der Bescheid in Rechtskraft erwachsen und vollstreckbar.
Einzige Möglichkeit wäre eine Wiederaufnahme oder eine Wiedereinsetzung nach der BAO.

Manannan
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Beitrag von Manannan » 19.01.2014, 20:27

@lexlegis

Welche NÖ Abgabenordnung??

Siehe § 1 BAO!!!

Hubert Neubauer
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Beitrag von Hubert Neubauer » 20.01.2014, 10:52

Ich hoffe die Änderungen für Rechtsmittel sind berücksichtigt.

Berufung gibt es gar nicht mehr --> Beschwerde

Ob die Sache wirklich verjährt ist, ist nicht so einfach zu beantworten, grundsätzlich verjähren öffentlich rechtliche Ansprüche nie, es sei denn, das Gesetz sieht dies ausdrücklich vor!

IronSystem
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Beitrag von IronSystem » 20.01.2014, 11:34

Ich bin heute am Vormittag zum Gemeindeamt gefahren, um diese Angelegenheit zu klären (inklusive schriftlicher Berufung).

Die Mitarbeiterin des Bürgerservice (diese hatte auch den Abgabenbescheid bearbeitet) konnte meine Fragen nicht beantworten bzw. sagte, der Betrag sei von mir zu bezahlen und dass ich morgen wieder kommen müsse, wenn der Bürgermeister im Haus sei.

Da ich jedoch extra eine Stunde aus Wien angefahren war und nicht gleich wieder zu fahren gedenkte, wurde ich zum Bauamt geschickt.

Der Mitarbeiter beharrte ebenfalls darauf, dass ich mich an den Bürgermeister wenden sollte.

Überdies schien er nicht überrascht als ich ihn mit der Verjährung der Wasseranschlussabgabe konfrontierte und meinte letztes Jahr habe ein Techniker eine Überprüfung der Anschlüsse in der Gemeinde durchgeführt und in diesem Zusammenhang wurde festgestellt, wer einen Anschluss hat und wer nicht.

Die Gemeinde wusste somit, dass der Wasseranschluss schon fast 20 Jahre zurückliegt und dass die Erhebung von einigen Bewohnern versäumt wurde.
Sie haben jedoch keine Unterlagen mehr diesbezüglich.

Die Zahlung wurde nur von jenen verlangt, die sich erst Jahre später angesiedelt haben.

Die Gemeinde weiß nicht, da sie keine Unterlagen mehr dazu haben, von wem sie die Zahlung bereits verlangt haben und von wem nicht und haben deswegen allen Mitbewohnern einen Abgabe vorgeschrieben (diese beläuft sich teilweise in der Gemeinde bis € 9.000, es ist hier also nicht von geringfügigen Beträgen die Rede).

Der Mitarbeiter sagte mir die Gelegenheit sei erledigt, wenn ich beweisen könnte, dass der Wasseranschluss unseres Hauses schon länger als 15 Jahre zurückliegt.

Jedoch nehme ich logischerweise an, dass es ihre Aufgabe ist die Unterlagen diesbezüglich aufzubewahren und dies eigenständig zu überprüfen anstatt jedem einen Bescheid + Rechnung zu schicken und zu warten ob man zahlt oder sich wehrt.

Kann man gegen die Gemeinde strafrechtlich vorgehen?

Manannan
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Beitrag von Manannan » 20.01.2014, 21:48

@ Hubert Neubauer

Nicht ganz richtig.
Es kommt darauf an, ob ein zweigliedrige Instanzenzug innerhalb der Gemeinde besteht. Wenn ja, dann Berufung, wenn nicht, dann Beschwerde.

Die neue Regelung mit den Landesverwaltungsgerichten ist mE befremdend. Man hat es den Ländern überlassen, im Gemeindeorganisationsrecht festzulegen, ob weiterhin ein zweigliedriger Instanzenzug bestehen bleiben soll oder nicht. Tirol hat diesen abgeschafft, Oberösterreich eine Übergangsfrist von drei Jahren eingeräumt.
In Salzburg hat man das ganz schlau gelöst: man überlässt es den Gemeinden! So etwas nenne ich durchschlagende Verwaltungsreform! Ein Wirrwarr, wo sich keiner mehr auskennt und der am Ende mehr Aufwand verursacht als man vorher hatte. Der Rechtsschutz in zweiter Instanz wird weiterhin politischem Kalkül überlassen, wo Rechtsbeugungen zu Gunsten des Parteifreundes nicht unüblich sind. Armes Österreich!

But it´s just my opinion...

Hubert Neubauer
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Beitrag von Hubert Neubauer » 21.01.2014, 09:41

Manannan hat geschrieben:@ Hubert Neubauer

Nicht ganz richtig.
Es kommt darauf an, ob ein zweigliedrige Instanzenzug innerhalb der Gemeinde besteht. Wenn ja, dann Berufung, wenn nicht, dann Beschwerde.

Die neue Regelung mit den Landesverwaltungsgerichten ist mE befremdend. Man hat es den Ländern überlassen, im Gemeindeorganisationsrecht festzulegen, ob weiterhin ein zweigliedriger Instanzenzug bestehen bleiben soll oder nicht. Tirol hat diesen abgeschafft, Oberösterreich eine Übergangsfrist von drei Jahren eingeräumt.
In Salzburg hat man das ganz schlau gelöst: man überlässt es den Gemeinden! So etwas nenne ich durchschlagende Verwaltungsreform! Ein Wirrwarr, wo sich keiner mehr auskennt und der am Ende mehr Aufwand verursacht als man vorher hatte. Der Rechtsschutz in zweiter Instanz wird weiterhin politischem Kalkül überlassen, wo Rechtsbeugungen zu Gunsten des Parteifreundes nicht unüblich sind. Armes Österreich!

But it´s just my opinion...
Ja es ist katastrophal, in Salzburg muss nunmehr bei jeder Gemeindeentscheidung nachgefragt werden ob die Gemeinde optiert hat oder nicht. Eine mutige Entscheidung (wie die Tiroler) den dreigliedrigen Instanzenzug abzuschaffen, wurde nicht geschafft.

Regelungen wie mit bereits abgelaufenen Fristen umzugehen ist, wurden ebenso nicht normiert (ob diese bei den VerwGerichten neu zu laufen beginnen oder nicht)

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