Pflichtteilsverzicht bei Übergabe: §785 Abs 3 !!!! SUPERGAU

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etoile
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Pflichtteilsverzicht bei Übergabe: §785 Abs 3 !!!! SUPERGAU

Beitrag von etoile » 28.10.2011, 17:54

Mein Fall gibt "grünes Licht" für jeden der seine Geschwister um ihrem Pflichtteil bringen will. Ist doch ein toller Paragraph dieser §785 Abs 3:

Und so wird es gemacht: Hier die reale Anleitung: Sachverhalt:

Wir sind 5 Geschwister: ich, meine drei Schwestern und unser Bruder.
Unser Vater schenkte zu Lebzeiten unserem Bruder sein gesamtes Liegenschaftsvermögen, nämlich eine Landwirtschaft. Der beschenkte Bruder unterzeichnete gleichzeitig bei der Schenkung einen Pflichtteilsverzicht. Lt. §785 Abs. 3 sind Schenkungen an Nicht-Pflichtteilsberechtigte ( unser Bruder wurde eben durch die Abgabe des Pflichtteilsverzichtes ein Nicht(mehr)-Pflichtteilsberechtigter ), wenn der Schenkende erst nach Ablauf von 2 Jahren nach der Schenkung verstirbt, nicht mehr anrechenbar. Unser Vater verstarb nach Ablauf von 2 Jahren nach der Schenkung an unseren Bruder. Es wird so gehandhabt, als hätte unser Vater die Landwirtschaft einem Fremden geschenkt. Dies ist die eine Sache. Es kommt noch hinzu, dass unser Vater gleichzeitig auch noch, und dies schon vor der Übergabe, unseren Bruder als Universalerben eingesetzt hatte. Abgesehen davon, dass im Nachlass ja ohnehin nichts mehr war, zumal Vater sein größtes Vermögen ja schon an den Bruder geschenkt hatte, hätte unser Bruder, wäre noch Vermögen vorhanden gewesen, auch noch dieses bekommen.
Wir Geschwister gehen völlig leer aus. Der Prozess dauerte 6 Jahre und ging bis in die oberste Instanz. Und so kann sich Brüderchen ins Fäustchen lachen und etwa € 1 Mio sein eigen nennen. Denn die Landwirtschaft hat er zerstückelt und die Grundstücke verkauft. Ehrliche Arbeit ist da nicht mehr nötig um sein Leben in vollen Zügen geniessen zu können.
Da spricht man immer vom " Ausgleichsgedanken" zum Schutze der anderen Pflichtteilsberechtigten. §785 Abs 3 ist ein super "Hintertürl". Man muss es nur wissen, wie man es machen muss.

Ich bin entsetzt über die österreichische Rechtssprechung und mein Vetrauen in die Gerichte und deren Sinnhaftigkeit ist völlig zerstört. Ich hoffe, dass viele diesen Eintrag lesen , aufmerksam und vorsichtig sind, wenn jemand in der Familie von einem oder beiden Elternteilen größere Werte übergeben bekommt und auch noch einen Pflichtteilsverzicht unterzeichnet.
Pflichtteilsverzichte der beschenkten Geschwister können bei dieser Gesetzeslage sich äußert unfair auswirken.



Hank
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Beitrag von Hank » 29.10.2011, 00:33

Bei Schenkungen nach besagtem Paragraphen sind jene an nicht pflichtanteilsberechtigte Personen gemeint und Schenkungen für gemeinnützige Zwecke ohne Schmälerung des Grundvermögens.

Bei den Bauern gilt aber sowieso ein Sondererbrecht und vor allem der alte Juristenspruch "Der Bauer hat nur ein Kind".

Sinn des sog. Anerbenrechts war ursprünglich, die Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und wirtschaftlicher Betriebsgrößen. Deshalb müssen Erbteilungen vermieden werden, da andernfalls Besitzzersplitterung unvermeidbar wären.

Früher waren Grundstücke im alpinen Bereich kaum etwas wert - Euer Vater hat noch nach der alten Tradition gehandelt, euer Bruder hat das wie so viele andere auch ausgenützt, auf Nebenerwerb umgestellt oder überhaupt die Landwirtschaft aufgegeben und das Grundstück parzelliert und macht jetzt ein gutes Geschäft mit Baugrund.

Diese ganze Entwicklung mit Grundverkehrsumgehungen, diese ganzen Umtriebe der Agrargemeinschaften haben schon viel Unfrieden gestiftet - das Erbrecht nach ABGB ist von 1811, zwar einige Male reformiert, aber wie heißt es so schön "Geld macht erfinderisch", man denke nur an die Vermögensverschiebung in Privatstiftungen usw.

Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, das Erbrecht an die neuesten Gegebenheiten anzupassen, aber so wie die Familien an Bedeutung verloren haben, haben auch die für die Gesetzgebung zuständigen Parlamente an Macht und Bedeutung verloren.

Österreich rühmt sich immer noch als Land der Bauern, siehe die ganzen entsprechenden Förderungsmaßnahmen der EU, etwa für Landschaftspflege und biologische Nahrungsmittel - es würde also recht schwierig sein, eine Änderung politisch durchzukriegen im aktuell zersplitterten österreichischen Parlament, das ja am liebsten über Bundeshymnentexte usw. diskutiert.

Heimat bist du großer Vater Staat und Söhne!

lg Hank 8) 8) 8) 8)

etoile
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§ 785 Abs 3, Schenkungen an nicht Pflichtteilsberechtigte

Beitrag von etoile » 29.10.2011, 11:35

die Zweijahresfrist bezüglich der Anrechenbarkeit von Schenkungen an Nicht-Pflichtteilsberechtigte wurde erst so weit ich weiss in den 80er Jahren eingeführt. Sie sollte eigentlich dazu dienen, dass der Erblasser nicht kurz vor seinem Tod alles an Fremde verschenken kann und die Erben keinen Anspruch mehr haben. Nun ist es so, dass in meinem Fall mein Bruder durch seinen Pflichtteilsverzicht eine Nicht-Pflichteilsberechtigte Person wurde. Er hat sich selbst zu einem Nicht-Pflichtteilsberechtigten gemacht und geniesst somit die 2-Jahres-Frist. Unser Gesetzgeber hat das super gemacht. Somit gibt es freie Bahn für jeden, der seine Geschwister reinlegen will. Ich gratuliere !

So sieht österreichische Gerechtigkeit aus.

MG
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Beitrag von MG » 01.11.2011, 06:40

Sie schreiben, Sie waren mit dem Prozess in letzter Instanz, beim OGH? Können Sie die Zahl posten, ich finde nichts. Danke!

etoile
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OGH Urteil

Beitrag von etoile » 01.11.2011, 09:53

10 Ob 86/11m
Der Entscheidungstext ist relativ kurz gehalten. Es wird auch keinerlei Bezug darauf genommen, dass unser Bruder bei Abgabe des Pflichtteilsverzichtes auch noch Universalerbe war. Da frage ich mich: was gilt denn wenn man zwei widersprüchliche Rechte gleichzeitig hat ?: ist man da nun Universalerbe oder Pflichtteilsverzichtender. Das Gericht hat sich nicht damit befaßt, dass bei Übergabe unser Bruder zwei Rechte hatte, die in sich sich wider löschen müssten. Was wenn Vater noch erhebliches Vermögen bei Ableben gehabt hätte ? Dies hätte auch unser Bruder bekommen als Universalerbe. Man unterstellt ihm keinen Missbrauch, da er " glaubwürdig" dem Erstrichter geschildert hatte, es wäre ihm nicht erklärt worden, dass er aus dem Pflichtteilsverzicht einen Vorteil hätte. Man sagt, weder Vater noch der Notar hätten es ihm erklärt, obwohl Notare verpflichtet sind die Vertragsparteien über alle Folgen eines Rechtsgeschäftes zu informieren. Aber das Erstgericht meinte, dass es wörtlich " nicht unrealistisch" sei, dass so weit die Erklärungen nicht gegangen sind und weder Vater noch Bruder davon gewußt hätten. Der Notar hatte aber bei Gericht gesagt, dass er über alle Rechtsfolgen aufgeklärt hätte. Nur weil unser Bruder sich blöd genug stellte, meint man, es wäre ihm nicht erklärt worden und schiebt dem Notar den schwarzen Peter zu. Und dies alles geht zu Lasten der Geschwister.
So etwas darf einfach nicht Schule machen !

MG
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Beitrag von MG » 01.11.2011, 18:57

Danke, die Entscheidung ist noch nicht veroeffentlicht. Aber in 5 OB 1565/94 scheint mir hat sich der OGH mit Ihrer Problematik beschäftigt und ist zum selben Ergebnis gekommen.

etoile
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Beitrag von etoile » 01.11.2011, 19:26

Vielen Dank. Habe gerade im RIS nachgesehen. 10 Ob 86/11m ist schon veröffentlicht.
Ich kann in 5 OB 1565/94 keine Paralelle zum Kern finden. Die Regelung mit der Zweijahresfrist lt §785 Abs 3 ist bekannt und es gibt mehrere Fälle, die das Thema Nicht-Anrechnung wegen Pflichtteilsverzicht behandeln. Die Kernfrage für mich ist: Wie kann eine einzige Person zwei widersprüchliche Rechte gleichzeitig innehaben. Unser Bruder war schon vor und während der Abgabe seines Pflichtteilsverzichtes Universalerbe. Hätte ein rechtskräftiger Pflichtteilsverzicht nicht voraussetzen müssen, dass das Testament vorher oder bei Abgabe des Pflichtteilsverzichtes dahingeändert geändert wird, dass er nicht mehr am Nachlass beteiligt ist ?

In 5 OB 1565/94 sehe ich auch nicht, dass der Pflichtteilsverzichtende gleichzeitig Universalerbe gewesen sei.

Hank
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Beitrag von Hank » 02.11.2011, 20:37

Als Wort zum heutigen Allerseelentag: Beim Erbrecht kommt es in erster Linie auf den letzten Willen des Erblassers an. Im Römischen Recht gab es überhaupt keinen Pflichtanteil, sondern absolute Testierfreiheit.

Das Erbrecht kommt aber auch dem Wunsch der Menschen nach Unsterblichkeit oder doch einem gewissen Überschreiten der Grenze des Todes entgegen.

Der Geist Eures Vaters soll also noch lange wirken! Amen.

etoile
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Beitrag von etoile » 02.11.2011, 22:25

Hallo Hank,
ich hoffe, dass das "Amen" am Ende nicht zynisch gemeint ist. Es klingt irgendwie so.
Mein Vater ist immer bei mir. Denn ich liebte und liebe ihn.

Hank
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Beitrag von Hank » 03.11.2011, 00:01

Bitt' Sie! Und zu Allerseelen erst recht nicht!

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