Privatklage gegen Unbekannt erheben

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Nadine884
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Privatklage gegen Unbekannt erheben

Beitrag von Nadine884 » 29.01.2024, 13:15

Das Kindersparbuch eines Minderjährigen wurde von Unbekannten aufgelöst. Ich trete als Vormund für die minderjährige Person auf. Diese Person begab sich mit dem Sparbuch und einem Ausweis zur Bank und hob das Geld ab. Die Bank protokollierte die Transaktion.

Nachdem ich die Bank kontaktiert hatte und mitgeteilt hatte, dass ich der Vormund bin und das Recht habe zu erfahren, wer das Geld abgeholt hat, informierte mich die Bank, dass sie die Informationen über die abhebende Person ohne gerichtlichen Beschluss aufgrund des Bankgeheimnisses nicht weitergeben werde.

Ich habe lediglich den Verdacht, wer die Person ist, die das Geld abgeholt hat, jedoch keine konkreten Beweise, sondern nur Indizien. Ich habe eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei erstattet. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Anzeige unter Berufung auf die §§ 153-1, §§ 153-3, §§ 166-1 ab und gab an, dass der angezeigte Tatbestand ein Privatklagedelikt sei.

Meine Frage lautet: Kann ich eine Privatklage gegen Unbekannt erheben? Wenn ja, wie kann ich das tun? Muss die Klage bei dem Bezirksgericht eingereicht werden, in dessen Zuständigkeitsbereich sich die Bank befindet und in dem die Straftat begangen wurde? Oder kann die Klage bei jedem beliebigen Bezirksgericht in Österreich eingereicht werden?



MG
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Re: Privatklage gegen Unbekannt erheben

Beitrag von MG » 29.01.2024, 13:52

Vorweg als Info für die Mitlesenden: Die Staatsanwaltschaft geht offensichtlich davon aus, dass die Auflösung des Sparbuches durch eine/n nahe/n Angehörige/n erfolgt ist. Deshalb wäre (auch zB eine Untreue in diesem Fall ein Privatanklagedelikt (s. § 166 StGB).

Zur Vorgehensweise "Ausforschung" des Täters siehe dazu (wenn auch zu anderen Delikten):

https://www.bmj.gv.at/themen/Fokusthemen/gewalt-im-netz/Strafrechtlicher-Schutz/Wie-l%C3%A4uft-das-Strafverfahren-ab-.html#:~:text=Eine%20Privatanklage%20kann%20nur%20gegen,Internet%20unter%20einem%20Pseudonym%20auftreten.

Daraus zitiert (und die nicht passenden Passagen gestrichen):

Verfahren bei Privatanklagedelikten
Das Opfer eines Privatanklagedelikts muss selbst aktiv werden! Die Staatsanwaltschaft wird bei Privatanklagedelikten nicht von sich aus tätig.

Antrag auf Ausforschung der bzw. des Beschuldigten

Eine Privatanklage kann nur gegen eine bekannte Person eingebracht werden.

Oft sind Beschuldigte unbekannt.

In diesen Fällen kann das Opfer bei Gericht die Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung der Täterin bzw. des Täters beantragen (§ 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO). Dieser Antrag muss die Erfordernisse eines Beweisantrags (§ 55 StPO) erfüllen.

Liegen die Voraussetzungen vor, erlässt das zuständige Landesgericht durch die bzw. den Haft- und Rechtsschutzrichter*in die Anordnung und beauftragt die Kriminalpolizei mit der Durchführung. Wenn die bzw. der Beschuldigte ausgeforscht werden kann und die Anordnung ihr bzw. ihm gegenüber rechtskräftig ist, teilt das Gericht die ermittelten Daten dem Opfer mit (§ 71 Abs. 2 StPO).

Privatanklage und Hauptverfahren

Ist die bzw. der Beschuldigte bekannt, kann das Opfer als Privatankläger*in bei Gericht eine Privatanklage einbringen. Diese muss die Erfordernisse einer Anklageschrift (§ 211 StPO) erfüllen. Wenn das Opfer zuvor einen Antrag auf Ausforschung der bzw. des Beschuldigten gestellt hat, muss es die Privatanklage binnen sechs Wochen einbringen (§ 71 Abs. 3 StPO).

Nach Prüfung der Anklage beraumt das Gericht eine Hauptverhandlung an. Privatankläger*innen habe grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Zwangsmaßnahmen können Privatankläger*innen allerdings nur mit gewissen Einschränkungen beantragen (§ 71 Abs. 6 StPO).

Ein*e Privatankläger*in muss an der Hauptverhandlung teilnehmen: Kommt sie bzw. er nicht oder stellt nicht die erforderlichen Anträge, so wird angenommen, dass auf die Verfolgung verzichtet wird. Das Gericht muss das Verfahren dann einstellen (§ 71 Abs. 7 StPO).

Nach Durchführung und Schluss des Beweisverfahrens und den Schlussvorträgen der Parteien fällt und verkündet das Gericht das Urteil: Es kann die bzw. den Angeklagte*n verurteilen (§ 260 StPO) oder freisprechen (§ 259 StPO). Eine Diversion ist in Privatanklageverfahren nicht möglich (§ 199 StPO).

Gebühren und Kosten im Privatanklageverfahren

Der Antrag auf Ausforschung der bzw. des Beschuldigten ist gebührenfrei. Für die
Einbringung der Privatanklage ist eine Gebühr von EUR 269 zu bezahlen (Stand: 1. Jänner 2021).
RA Mag. Michael Gruner
www.vertragsbegleiter.at

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